Uli Hoeneß traut seinem "alten Kumpel" Jupp Heynckes ein meisterliches Comeback beim FC Bayern zu, aber der Nothelfer selbst bremst bei aller Aufbruchstimmung die Euphorie. Statt vollmundiger Kampfansagen an Tabellenführer VfL Wolfsburg und Kontrahent Felix Magath gab der 63 Jahre alte Trainer-Veteran an seinem ersten Arbeitstag beim deutschen Fußball-Rekordmeister die direkte Qualifikation für die Champions League als Zielsetzung für die letzten fünf Spieltage aus. "Ein Club wie Bayern München muss nächstes Jahr in der Champions League spielen", sagte der am Dienstag offiziell vorgestellte Interims-Nachfolger von Jürgen Klinsmann. Über den möglichen 22. Meistertitel "wollen wir nicht nachdenken und sprechen", gab Taktik-Fuchs Heynckes als öffentliche Devise aus.
18 Jahre nach der tränenreichen Entlassung durch seinen Freund, "bei der wir beide geheult haben wie die Schlosshunde", hat zumindest Hoeneß über Nacht wieder das bayerische "Mia san mia"-Bewusstsein erfasst. "Wir fühlen uns alle in einer gewissen Aufbruchstimmung und hoffen, dass wir die Chance im Titelkampf, die Cottbus uns eröffnet hat mit dem Sieg gegen Wolfsburg, zu nützen", verkündete Hoeneß mit kraftvoller Stimme bei der Präsentation "meines alten Kumpels Jupp" sowie des "alten Kämpen" Hermann Gerland, der als Co-Trainer zur Rettung der Saison entscheidend beitragen soll. "Hermann kennt den Verein aus dem Effeff", lobte Hoeneß den Coach der zweiten Mannschaft. Gerland gab sich "stolz" und bescheiden: "Jupp ist der Chef." Gerland hat Akteure wie die Nationalspieler Schweinsteiger oder Lahm einst ausgebildet und versprach: "Ich knie mich voll rein."
"Fußball muss mit Freude gespielt werden"
Der von Hoeneß als "Fußball-Lehrer" angepriesene Heynckes strahlte bei seiner Rückkehr an die Säbener Straße genau jene Gelassenheit, Kompetenz und Routine aus, die beim Vereinstrainer-Novizen Klinsmann vermisst worden war. Mehrfach verwies der einstige Champions-League-Sieger mit Real Madrid auf seine große Erfahrung und sein Know-how. "Ich weiß, dass Ergebnisse kommen müssen", sagte er. Ähnlich wie Hoeneß soll auch die Spieler eine Aufbruchstimmung ergreifen und die Lähmung wie beim.0:1 gegen Schalke, das Klinsmann den Job kostete, beheben. "Am Samstag war die Mannschaft apathisch, paralysiert", analysierte Heynckes, der auf der Tribüne der Allianz Arena zugeschaut hatte: "Meine Aufgabe ist, dass die Spieler von den Fesseln befreit werden."
Viel Zeit bleibt Heynckes nicht. Er wird nicht alles umkrempeln (können) und mit Gerland vor allem auf die erfahrenen Kräfte setzen. Mark van Bommel bleibt Kapitän, das kündigte der neue Coach schon vor der ersten Trainingseinheit am Nachmittag an. "Er ist ein Leader", sagte der Coach. Jörg Butt bleibt im Tor. Heynckes will das verschüttete Potenzial des Kaders, in dem viele Einzelgespräche und Gruppenarbeit anstehen, wieder aktivieren. "Fußball muss mit Freude gespielt werden, mit Emotionen. Das muss ich wecken", sagte Heynckes. Auch um die Unterstützung der Fans warb er: "Dann ist das möglich."
Kein Traumstart gegen Gladbach
Insgeheim schielt natürlich auch Heynckes nicht nur auf Platz zwei und die direkte Champions-League-Qualifikation, denn die Tabelle und das Restprogramm der Titelkandidaten kennt er genau. "Im Moment können fünf Mannschaften noch Meister werden. Aber Wolfsburg hat nach wie vor die besten Chancen", erklärte der Ex-Nationalspieler: "Meine ganze Kraft und Energie setze ich für den FC Bayern ein."
Das gilt auch für die Ouvertüre am Samstag gegen seinen vom Abstieg bedrohten Stammverein Borussia Mönchengladbach, für den er einst spielte und den er zweimal trainierte. "Das ist alles andere als ein Traumstart", stöhnte Heynckes. Aber die Borussia habe genug Zeit gehabt, sich eine andere Position zu verschaffen. "Das muss sie nicht unbedingt bei Bayern München machen", meinte Heynckes, der aber beim Start auf den gesperrten Franck Ribéry verzichten muss.
Mit Zitronen gehandelt
Der Bayern-Nothelfer bekräftigte, seinen "Freundschaftsdienst für den FC Bayern und den Uli (Hoeneß)" nur bis Saisonende leisten zu wollen. "Weiter ist nichts geplant." Der Bayern-Vorstand hat derweil die Suche nach dem neuen Cheftrainer gestartet. Namhafte Kandidaten werden gehandelt - aber Heynckes muss in den kommenden vier Wochen das Feld bestellen. "Der beste Trainer der Welt nützt uns relativ wenig, wenn wir am 1. Juli im UEFA-Cup spielen oder gar nicht international. Dann haben wir mit Zitronen gehandelt", mahnte Hoeneß.
DPA/kbe