Was der versprengte Haufen der deutschen Nationalspielerinnen oben auf der Tribüne in der Frankfurter WM-Arena wohl empfunden hat, als Homare Sawa, Japans Kapitänin und beste Spielerin des Turniers, nur wenige Meter von ihnen entfernt den WM-Pokal in die Luft stemmen durfte? Es müssen Frustgefühle gewesen sein – in doppelter Hinsicht. Das DFB-Team war als Topfavorit in das Turnier gestartet – und ist auch an der hohen Erwartungshaltung gescheitert. Das, was die Mannschaft an diesem Finalabend aber fast noch mehr umtrieb, sprach Mittelfeldspielerin Linda Bresonik aus. "Das wird schon 'ne schwierige Kiste, wenn ich jetzt daran denke, dass wieder nur 1000, 2000 Leute kommen."
Diese WM war kein Sommermärchen. Auf den Straßen der Republik spielte sich während des Turniers wenig bis nichts ab. Aber: Die Stadien waren voll. Und: Ein Millionen-Publikum verfolgte die Matches am TV. In Berlin beim Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft gegen Kanada waren mehr als 74.000 Zuschauer im Olympiastadion. Das war europäischer Rekord für den Frauenfußball. Zum Finale nach Frankfurt pilgerten knapp 50.000 Zuschauer ins Stadion. Die Stimmung gerade bei diesem spektakulären Endspiel war weltmeisterlich. "Was wir jetzt erlebt haben, wird ja nicht zu toppen sein", sagte Bresonik. Die Duisburgerin ahnt bereits, dass sich der Boom nicht umsetzen lassen wird. Der DFB sieht das ähnlich.
Der mediale Hebel fehlt
"Wenn jemand ernsthaft glaubt, dass dieses nationale Event Frauen-WM auf die Bundesliga zu übertragen ist und dort einen Hype auslöst, hat er vom Fußball keine Ahnung", sagte Theo Zwanziger im Anschluss an das Finale. Der DFB-Präsident verfolgt dennoch das Ziel, die Frauen-Bundesliga mittelfristig in die Nähe der 3. Männer-Liga zu rücken – was das Medien-, Zuschauer- und Sponsoreninteresse angeht. "Unsere Aufgabe ist es, zu schauen, ob die Fernsehzuschauer speziell am Frauenfußball Interesse haben."
Zwanziger hatte so für Spekulationen über eine "Sportschau" am Samstag mit einem Topspiel aus der Frauen-Bundesliga gesorgt. Diesen vermeintlichen Plänen erteilte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky aber schnell eine Absage: "Wir müssen das Turnier genau analysieren. Die WM ist aber nicht mit dem Ligabetrieb zu vergleichen", sagte Balkausky. "Ich halte es derzeit für ausgeschlossen, dass wir regelmäßig Spielberichte aus der Bundesliga samstags zeigen." Triste Aussichten für eine Randsportart, die einen Hebel bräuchte, um im Bewusstsein der Öffentlichkeit anzukommen.
Frankfurter Optimist
Was aus der Frauen-Bundesliga wird, räumte Generalsekretär Wolfgang Niersbach bereits vor dem Ausscheiden des Titelverteidigers und Gastgebers ein, "das weiß keiner so genau". Bernd Schröder, unbequemer Meistertrainer von Turbine Potsdam, ist sich sicher, dass sie vom Hype um die deutsche Mannschaft bei der Weltmeisterschaft nicht profitieren wird. "Einige Spielerinnen hatten sich schon vorgestellt, groß rauszukommen. Dass es nicht so gekommen ist, damit müssen sie jetzt umgehen. Ich hatte ohnehin keinen neuen Boom erwartet."
Siggi Dietrich, der Manager von Potsdams Rivalen 1. FFC Frankfurt, will die Hoffnung dagegen noch nicht ganz aufgeben. "Wir arbeiten von jetzt an daran, dass wir ein attraktives Eröffnungsspiel haben mit Familienprogramm", sagte er stern.de. Frauen-Bundesliga – das hieß in der vergangenen Saison 847 Zuschauer im Schnitt. Ob Verpackung wirklich mehr Zuschauer in die Stadien locken wird? "Der Frauenfußball hat sich etabliert, die Gesichter sind nicht wegzudenken." Dietrich, der auch Nationalspielerinnen wie Birgit Prinz, Kim Kulig und Nadine Angerer managt, ist noch immer überzeugt, dass die Bundesliga "in eine neue Dimension" vorstoßen wird. "Nach der WM werden mehr Fans zum Frauenfußball gehen. Ich rechne mit einem Anstieg der Zuschauerzahlen von bis zu 40 Prozent." Doch selbst wenn: Die Wachstumsexplosion ergäbe keine 1200 Zuschauer im Schnitt.
Keine Stars und kaum Geld
Ein Großteil der Liga mit zwölf Teams besitzt keine Stars wie Lira Bajramaj hat und hat nur die 180.000 Euro zum Überleben, die jeder Club pro Saison vom DFB aus dem Topf der Fernsehgelder erhält. Auch von einem WM-Gewinn hätten die mit Ausnahme des 1. FFC Frankfurt zumeist finanziell strauchelnden Bundesligisten nicht profitiert. "Mit Sicherheit wird es keine gezielte Vereinsförderung geben, wenn wir einen WM-Gewinn erwirtschaften sollten. Wir werden das Geld in die Eliteförderung der jungen Mädchen und die weitere Entwicklung der Frauen-Nationalmannschaft stecken", hatte Niersbach vor dem Turnier gesagt. Die Männer-Bundesliga hatte 2006 noch gewaltig vom wirtschaftlichen Gewinn der Heim-WM profitiert – mit insgesamt 50 Millionen Euro.
Für die Frauen dagegen galt es - bei allem Neid auf Japanerinnen und Amerikannerinnen - in Frankfurt noch ein wenig zu genießen, bevor alles vorbeit ist. Feuerwerk, goldener Konfettiregen, Blitzlichtgewitter - die Stimmung in der Commerzbank-Arena knisterte. Nadine Angerer stand auf der Tribüne mit ihrem Hut in der Hand und staunte. Es schien so, als würde die deutsche Nationaltorhüterin versuchen, diesen Moment in sich aufzunehmen und irgendwo abzuspeichern. Am 21. August beginnt für die Nationaltorfrau mit ihrem Club, dem 1. FFC Frankfurt, die neue Bundesliga-Saison. Dann geht es zur Mittagszeit im Stadion am Brentanobad in Frankfurt-Rödelheim gegen die SG Essen-Schönebeck. "Der Vorverkauf läuft gut", sagt Siggi Dietrich. Der Manager rechnet mit 3000 Zuschauern - und das ist schon sehr viel für die Frauen-Liga. Willkommen in der Realität.