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DFB-Frauen bei der WM Mannschaft ohne Teamgeist

Sie waren sich so sicher: Die deutschen Fußballfrauen rechneten fest mit dem WM-Titel. Aber es kam anders – auch weil durch die Mannschaft, die keine ist, ein Riss geht. Eine Bilanz.
Von Klaus Bellstedt, Wolfsburg

Ein Traum - Ein Team - Millionen Fans - Danke!". Das Spruchband, das die deutsche Frauen-Nationalmannschaft nach ihrem Ausscheiden im WM-Viertelfinale gegen Japan in Wolfsburg durch das Stadion schleppte, sollte eigentlich erst viel später bei diesem Turnier zum Einsatz kommen. Nach dem gewonnenen Finale in Frankfurt am nächsten Sonntag zum Beispiel. Das wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, sich bei den Fans zu bedanken und mit dem WM-Pokal im Gepäck in den Urlaub zu verabschieden.

Wer auch immer sich beim DFB dafür entschieden hatte, das Plakat jetzt schon zu entfalten: Die Mannschaft wird diesen Offiziellen wohl für immer verteufeln. Es muss sich wie eine Strafe angefühlt haben, nach einer derartigen Enttäuschung so ein Sprüchlein durch ein halbleeres Stadion spazieren tragen zu müssen. Eine knappe Minute dauerte es, bis sie sich selbst erlösten. Ausgerechnet vor den Augen von DFB-Präsident Theo Zwanziger warfen die Spielerinnnen das Spruchband wie einen nassen Lappen auf den Rasen. Sie hatten jetzt wirklich Besseres zu tun. Weinen zum Beispiel.

Vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft waren sich fast alle sicher. Diese deutschen Frauen werden Weltmeisterinnen. Zum dritten Mal in Folge. So oft wie keine Nation zuvor. Damit würden sie Sport-Geschichte schreiben, noch dazu im eigenen Lande. "Dritte Plätze sind was für Männer" und "Männer, wir rächen euch", so stand es großspurig auf den Werbeplakaten von ARD und ZDF. Wer so etwas in der ganzen Nation an die Wände schreiben lässt, muss sich seiner Sache ziemlich sicher sein. Dann kam aber doch alles ganz anders. Statt Finale nun also raus im Viertelfinale. Ja, dritte Plätze sind was für Männer. Die erreichen sie wenigstens. Aber die Frauen? Schluss. Aus. Ende.

Schwächen in der deutschen Viererkette

Das DFB-Team tat sich von Anfang an schwer mit seiner Favoritenrolle. Schon beim Eröffnungsspiel gegen Kanada in Berlin war nichts mehr zu sehen von der Strahlkraft und Sicherheit, die das Team noch wenige Wochen zuvor ausgezeichnet hatte. Statt flüssiger Kombinationen, viel Gestocher und Bälle, die auf der Tribüne landeten. Die beeindruckende Kulisse von fast 75.000 Zuschauern schien das Team zu lähmen.

Dazu kam, dass sich einige Spielerinnen ausgerechnet zu Beginn der WM ein ausgewachsenes Formtief leisteten. Glamour-Girl Lira Bajramaj, eigentlich als hübscher Superstar des Turniers auserkoren, durfte noch nicht mal auf den Platz. Altstar Birgit Prinz, die die Mannschaft eigentlich anführen sollte, brauchte ihre ganze Kraft, um sich über den Platz zu schleppen. Für präzises Passspiel oder einen gefährlichen Torabschluss fehlte der Rekordnationalspielerin ganz offensichtlich die Fitness. Am Ende dachten alle: Hauptsache gewonnen. Das deutsche Team würde schon noch Fahrt aufnehmen.

Nur leider wurde gegen Nigeria nichts besser. Sondern vieles schlimmer. Prinz war weiter ein Schatten ihrer selbst. Es fand sich auch sonst keine Akteurin, die auf dem Platz die Führungsrolle im deutschen Team übernahm. Statt des erhofften haushohen Sieges gegen den Außenseiter sprang am Ende ein hart erkämpfter Arbeitssieg heraus.

Die große Chance dieser Sportart

Erst gegen Frankreich blitzte das Können der deutschen Elf auf. Die Auswechslung von Birgit Prinz gegen Inka Grings hatte sich voll ausgezahlt. Gleich zwei Tore schoss die Stürmerin. Aber es gab auch zwei Gegentore. Vor allem Saskia Bartusiak war in vielen Situationen bei dieser WM schlichtweg überfordert. Auch Annike Krahn, die Abwehrchefin, spielte ein schwaches Turnier. Im Viertelfinale gegen Japan war es bezeichnenderweise wieder Bartusiak, die sich beim Gegentreffer in der Verlängerung überlaufen ließ. Zuvor hatten sich die deutschen Spielerinnen überwiegend kopflos an der japanischen Abwehr abgearbeitet.

Deutschland war eigentlich bereit, den Frauenfußball in die Jubelkultur aufzunehmen. Es war die große Chance dieser Sportart. Um in der Fußballsprache zu bleiben: der Elfmeter. Aber schon nach dem Spiel gegen Nigeria kamen erste Zweifel auf. Zu schwach und umständlich war der Auftritt des Teams. Doch nur alles eine Blase, die kurz vorm Platzen stand? Mit dem Ausscheiden im Viertelfinale kann man diese Zweifel jedenfalls nicht ausräumen. Im Gegenteil. Die WM hat ihre Hauptattraktion verloren - und die deutsche Mannschaft ist dann wohl doch nicht so gut, wie sie es selbst von sich angenommen hatte. Was bleibt, ist auch eine riesige Enttäuschung der Fans, die langsam begonnen hatten, sich die Namen der Spielerinnen einzuprägen.

Krönender Abschluss einer großen Karriere

Die DFB-Auswahl trat bei dieser WM niemals als Einheit auf. Es standen meist elf Einzelspielerinnen auf dem Platz, die sich wie zufällig getroffen hatten. Ein Vorwurf, den sich die Bundestrainerin gefallen lassen muss. Silvia Neid ist es in den zwei Monaten (!) Vorbereitung nicht gelungen, aus dieser Ansammlung von Individualisten ein Team zu formen. Noch etwas kommt erschwerend hinzu: Ausgerechnet zur WM steckt die Mannschaft mitten in einem Generationswechsel. Hier die erfahrenen Frauen, die jahrelang hart um die Anerkennung ihres Sportes hatten kämpfen müssen. Ihm durch die Geburtswehen halfen. Aber ansonsten von der Öffentlichkeit und der Presse in Ruhe gelassen werden wollten. Die die Bundestrainerin vertraut "Silv" nennen durften.

Dort die jungen Mädchen, meist nach 1985 geboren, die zur Bundestrainerin ehrfürchtig Frau Neid sagen. Die ihre Auftritte in Interviews und Werbung genießen und damit richtig viel Geld verdienen. Das hat Neid geschürt - und schon vor dem ersten Anstoß das Mannschaftsgefüge gesprengt.

"Ich habe mich fit gefühlt"

Beide Generationen überforderte schließlich der Hype um die WM im eigenen Lande. Trauriger Tiefpunkt der WM war die Pressekonferenz von Birgit Prinz, in der sie nach ihrer öffentlichen Demontage durch die Bundestrainerin von ihrem Rücktritt sprach.

Silvia Neid, Birgit Prinz, die ganze deutsche Mannschaft: Alle sind sie nun Verliererinnen. Und fast alles liegt in Trümmern. Selbst das Verhältnis zwischen der Bundestrainerin und ihrer einstigen Lieblings- und Führungsspielerin - was von Birgit Prinz ausgeht. "Ich habe mich fit gefühlt und hätte gerne gespielt, aber die Trainerin hat anders entschieden", sagte sie ganz offen nach dem WM-K.o. gegen Japan in der Mixed Zone der Wolfsburger WM-Arena, "doch darüber gab es keine Kommunikation zwischen uns." Birgit Prinz sagt neuerdings nicht mehr "Silv".

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