FUßBALL »Ich habe alles richtig gemacht«

Sagt ausgerechnet Mario Basler. Aber reifer und gelassener sei er mit den Jahren dann doch geworden. Der Bundesliga prophezeit der exzentrische Fußballer, dass sie ihn nach seinem Karriere-Ende vermissen wird.

Herr Basler, Ihr Manager sagt, Sie seien die letzte schillernde Figur der Bundesliga. Das stimmt doch gar nicht mehr.

Wieso?

Sie wirken konditionsstark und engagiert wie nie. Nicht zuletzt Dank Ihrer guten Leistungen steht Kaiserslautern an der Tabellenspitze der Bundesliga. Gerüchte über Zocken im Casino oder Saufen in der Disco hören wir auch nicht mehr. Was ist los? Sind Sie außer Form?

Das fragen sich viele. Wenn man wie ich eine Menge mitgemacht hat, verändert man sich auch irgendwann. Ich habe auf die Fresse bekommen, habe ausgeteilt. Ich brauche das nicht mehr. Ich habe eine glückliche Familie und fühle mich wohl. Ich bin in meiner Heimat.

Sie haben sich früher als eine Mischung aus Harald Juhnke und Albert Einstein bezeichnet. Sind Sie jetzt normal geworden?

Ich glaube, dass es in den vergangenen 15 Jahren keinen Spieler in der Bundesliga gab, der so extrem war wie ich. Auch was das Ausgehen betrifft. Ich habe mir die Hörner abgestoßen. Ich kam leicht in diese Partyszene rein, weil ich eben der Fußballer Mario Basler bin. Diese Gesellschaft hat mich förmlich aufgesogen. Sie wollte mich unbedingt dabeihaben. Ich wurde zu Boxkämpfen oder zu Formel-1-Rennen eingeladen.

Dieses Leben haben Sie sichtlich genossen.

Natürlich. Wem macht es keinen Spaß, hofiert zu werden? Wenn ich die Münchner Promi-Disco »Maximilian?s« betrat, fehlte nur noch, dass die dort den roten Teppich für mich ausrollten.

Waren Sie für diese Schickeria anfälliger als andere Fußballer?

Ich war manchmal zu naiv. Im Nachhinein frage ich mich: Warum bin ich drei Tage vor einem Spiel in die Disco gegangen? Als ich beim FC Bayern spielte, war ich vor einer Partie gegen Unterhaching mit Didi Hamann unterwegs. Und wir sind ausgerechnet ins Maximilian's! Obwohl mir bewusst war: Am nächsten Tag weiß es sofort der Verein. Das war mir scheißegal. Und das Schlimme an dem Abend war auch noch: Es war nix los.

Sie gerieten damals in den Ruf, ein Zocker und Alkoholiker zu sein.

Mir wird seit meiner Zeit bei Hertha BSC Berlin nachgesagt, ich sei spielsüchtig. Das ist Quatsch. Ich kann Ihnen verbindlich sagen, dass ich noch nie 50000, 30000 oder 20000 Mark verzockt habe. Und außerdem kann ich mit meinem Geld machen, was ich will. Wenn ich ins Spielcasino fahre und gebe zehn oder 100 oder 100000 Mark aus, hat das keinen zu interessieren. Nur meiner Familie muss ich das erklären.

Sind Sie tatsächlich ruhiger geworden? Oder sind die Menschen in der Pfalz nur verschwiegener als etwa in München?

Hier habe ich mehr Privatleben. Hier kann ich mit den Adiletten oder mit freiem Oberkörper rumlaufen, ohne dass sich jemand aufregt. Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, bin ich mit meinem Vater in die Kneipe an der Hauptstraße von Neustadt. Und das mache ich auch heute noch. Treffe dort Männer, mit denen ich früher in der Jugend gespielt habe. Und wissen Sie, was wir machen? Wir trinken Bier. Wie früher. Das Schöne dabei ist: Ich war da auch schon bis morgens um fünf Uhr, und keine Zeitung hat davon erfahren - weil mich keiner verpetzt hat.

Keine Disco-Besuche mehr?

Mich reizt es nicht, in die Stadt, nach Kaiserslautern, zu fahren. Ich lebe seit November 1999 hier und war gerade zweimal im »Riverside«. Ich genieße lieber die Ruhe.

Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Weil sie mich beim FC Bayern rausgeschmissen haben. Obwohl ich die Suspendierung bis heute nicht verstehe.

Immerhin sollen Sie sich damals im Herbst 1999 an der Seite Ihres Teamkollegen Sven Scheuer in einer Regensburger Trattoria mit einem Gast geprügelt haben.

Ich habe an dem Abend nichts getan. Der Mann hat meinen Verein und mich beschimpft, ich habe mich nur mit Worten verteidigt. Keiner wollte mir glauben, weil der FC Bayern die Medien im Griff hat. Der Club wollte mich weghaben. Das war von langer Hand geplant.

Viele Ihrer Kollegen beim FC Bayern wollten mit Ihnen nichts mehr zu tun haben.

Diese Spieler wollten von ihren Eskapaden ablenken und haben schön auf mich draufgehauen. Ich war maßlos enttäuscht von Giovane Elber. Er hat sich extrem über mich geäußert. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihn und die anderen kaputtmachen können. Ich wollte aber keinen Krieg.

Wie erging es Ihnen nach dem Rauswurf?

Ich habe neun Wochen alleine im Wald trainiert. Ich saß vor dem Fernseher und sah meine Mannschaft spielen und war nicht dabei. Ich hatte das Gefühl, ich gehe kaputt. Ich dachte: Vielleicht spiele ich nie wieder Fußball. Das war der Moment, in dem ich beschloss: Du musst aufhören damit. Das geht nicht mehr so weiter.

Im Grunde genommen verdanken Sie also dem FC Bayern Ihren Sinneswandel.

Das Ende war grausam, hat mich aber zu einem neuen Leben gebracht.

Sind Sie heute ein besserer Profi?

Ich bin nicht viel anders als früher. Nur: Auch ein Mario Basler lernt dazu.

Schräge Fußballer waren schon immer absturzgefährdet. Zum Beispiel Paul Gascoigne oder Maradona. Was hat Sie davor bewahrt?

Weil ich ein gutes Umfeld habe und eine intakte Familie. Meine Frau, die kennt sich mit allem aus. Ob das eine Wäscheklammer oder eine Kapitalanlage ist.

Früher haben Sie sich im Zusammenspiel mit den Boulevardzeitungen gerne als Clown oder Sprücheklopfer in Szene gesetzt.

Eine Hand wäscht eben die andere. Ich habe am Anfang die Medien gebraucht - und die mich. Heute brauche ich sie nicht mehr. Um als Fußballer nach oben zu kommen, sind sie wichtig. In meiner Zeit bei Werder Bremen ging das so weit, dass ich nicht mal spielen musste und trotzdem in der »Bild« die Note 1 bekam. Die waren alle so froh, dass endlich mal wieder ein echter Typ da war.

Ging es Ihnen nicht so wie Dieter Bohlen? Dass die Leute sich an dem prolligen Gehabe und den Sprüchen weiden und nur auf den nächsten Skandal warten?

Das glaube ich nicht. Ich habe schon immer die Leute polarisiert. Die eine Hälfte mag mich tatsächlich, die andere nicht. Damit kann ich gut leben.

Legendär sind Ihre Auftritte in Late Night Shows. Da haben Sie geraucht, Bier getrunken und sich mit der Porno-Queen Dolly Buster bestens unterhalten. Danach wollten Sie gemeinsam mit ihr sogar eine Platte aufnehmen. Würden Sie sich auf dieses Niveau noch mal herablassen?

Ja, warum auch nicht? Kennen Sie eigentlich den Hintergrund dieser Geschichte?

Nein.

Die Platte wäre für einen guten Zweck gewesen. Aber Werder Bremen war dagegen.

Weil der Verein Sie an Ihre Vorbildfunktion erinnerte ...

Moment mal, was hat eigentlich David Coulthard auf seiner Yacht gemacht? Das war nicht mal für einen guten Zweck, sondern nur für seinen persönlichen Spaß. Ist er ein Vorbild?

Zum Image eines Formel-1-Fahrers gehören Frauen, Yachten und der ganze Jetset dazu.

Das sehe ich anders. Egal, welchen Sport man treibt, man hat immer eine Vorbildfunktion.

Dann sind Sie keines, weil Sie rauchen.

Und was ist mit den Eltern der Kinder, die Fußballer werden wollen? Die meisten von denen rauchen auch. Genauso wie fast die Hälfte aller Bundesliga-Profis. Nur stehen die wenigsten dazu. Die Kinder akzeptieren mich so, wie ich bin. Wenn ich sehe, wie die sich freuen, wenn ich ein Tor geschossen habe oder mich mit ihnen unterhalte! Ich rauche, seit ich 14 Jahre alt bin, trinke gerne mal ein, zwei oder drei Bierchen. Und überhaupt: Nennen Sie mir jemanden, der zum Vorbild taugt!

Einer wie Sebastian Deisler.

Sind Sie sicher, dass er nur Tee trinkt?

Ist Deisler klüger als Sie, weil er sein Image besser unter Kontrolle hat?

Warten Sie doch noch zwei Jahre ab. Dann gibt es keinen Effenberg mehr, keinen Basler. Ich bin gespannt, was die Medien dann machen. Einer wie Deisler bringt ihnen nichts. Es wird langweillig. In der Bundesliga sind eh 97 Prozent der Spieler Jasager.

Sind Sie für Ihren Sohn Marcel ein Vorbild, der in der D-Jugend des 1. FC Kaiserslautern spielt?

Rat holt er sich bei mir nicht.

Schauen Sie sich oft Spiele von ihm an?

Manchmal.

Sind Sie einer dieser nervtötenden Väter, die am Rand stehen und alles besser wissen?

Ich habe das jahrelang mit meinem Vater mitgemacht. Der hat teilweise die Nerven verloren. Hat rumgebrüllt, die Schiris beschimpft. Das ist grausam.

Wie haben Sie Ihn dazu gebracht, damit aufzuhören?

Ich bin vom Platz gegangen und habe geheult. Er kam mir hinterhergelaufen und brüllte: »Du gehst wieder rein!« Ich habe ihm geantwortet: »Wenn du noch einmal reinschreist, höre ich auf mit Fußball.« Ich verdanke meinen Eltern viel, aber das hat mich genervt.

Und hat es sich gelohnt weiterzumachen?

Ich habe in meinem Leben alles richtig gemacht. Auch wenn es ein Widerspruch ist. Ich habe viele Fehler begangen, aber vielleicht hätte ich ohne sie nie den Fußball gespielt, den die Fans so lieben und der mich zum Star gemacht hat. Ich erinnere mich an eine Episode in Bremen, als ich den Zuschauern mit beiden Fingern den Vogel zeigte. Das war eine Provokation. Ich wusste, jetzt warten alle darauf, dass du schlecht spielst. Diesen Gefallen habe ich ihnen nicht getan. Das war meine Motivation.

Wie setzen Sie sich heute unter Druck?

Ich möchte in der Heimat einen vernünftigen Abschied haben. Ich will mit Anstand aufhören und hier nach meiner Spielerkarriere weiterarbeiten. Als Trainer oder im Management. Die Menschen in Kaiserslautern sollen später einmal sagen: Ah, der Mario Basler, der hat mal hier gespielt, der hat einen guten Eindruck hinterlassen. Und nicht: Der Basler ist in der Disco rumgeflogen und hat die Abende durchgesoffen.

Interview: Giuseppe Di Grazia/ Alexandra Kraft

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