Es war die Entscheidung des Tages, als Joachim Löw im Dortmunder Fußball-Museum verkündete, dass Mario Götze nicht mit zur WM nach Russland fährt. Löw berücksichtigte auch Sandro Wagner und Emre Can nicht. Doch in diesen beiden Fallen hielt sich die Überraschung in Grenzen, auch wenn Wagner etwas realitätsfern mit einer Nominierung gerechnet hatte. Dass Can nicht dabei ist, verwundert ebenfalls nicht. Der Liverpooler leidet weiter an einer Rückenverletzung und hat seit März kein Spiel mehr bestritten. Aber Götze? Der Spieler, dem Löw seinen größten Triumph zu verdanken hat?
Vorläufiger WM-Kader
Tor
Bernd Leno, Manuel Neuer, Marc-André ter Stefen, Kevin Trapp
Abwehr
Jérôme Boateng, Matthias Ginter, Jonas Hector, Mats Hummels, Joshua Kimmich, Marvin Plattenhardt, Antonio Rüdiger, Niklas Süle, Jonathan Tah
Mittelfeld
Julian Brandt, Julian Draxler, Leon Goretzka, Ilkay Gündoğan, Sami Khedira, Toni Kroos, Thomas Müller, Mesut Özil, Marco Reus, Sebastian Rudy, Leroy Sané
Angriff
Mario Gomez, Nils Petersen, Timo Werner
Richtig ist: Götze hat nur eine höchst mittelmäßige Saison gespielt. Nach überstandener Stoffwechselkrankheit dachte man, dass er wieder angreift und zu alter Klasse zurückfindet. Er lieferte in der Tat auch zum Teil sehr gute Spiele in der Hinrunde. Er glänzte besonders durch seine Spiel- und Passstärke und seine Spielübersicht. Aber in der Rückrunde fand er sich immer öfter auf der Bank wieder. Und zwar zu Recht. Götze zeigte zu oft schwache Leistungen, er spielte pomadig und zweikampfschwach. Tiefpunkt war sein Auftritt gegen Red Bull Salzburg. Er spielte so erschreckend schwach wie die gesamte Dortmunder Mannschaft.
Zeiten für verdiente Nationalspieler haben sich gewandelt
In früheren Zeiten wäre das kein Grund gewesen, Götze zu Hause zu lassen. 2016 nahm Löw Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski mit, obwohl man rein sportlich auf sie hätte verzichten können. Löw setzte auf ihre Erfahrung und ihre Rolle innerhalb der Mannschaft als gestandene Nationalspieler, von der er sich positive Effekte versprach.
Doch die Zeiten haben sich für verdiente Nationalspieler gewandelt. Dass liegt zum einen an der Tatsache, dass die Konkurrenz im deutschen Mittelfeld und Angriff stärker ist als früher. Löw hat die Qual der Wahl zwischen zahlreichen talentierten Spielern. Das Leistungsprinzip gilt in stärkeren Maß als früher.
Joachim Löw hat sich verändert
Zum anderen hat Löw sich entwickelt. Anders ausgedrückt: Der Bundestrainer zeigt eine neue Härte: Er ist ein Weltmeister-Trainer und hat in seinem zwölften Amtsjahr nur ein Ziel: den Titel zu verteidigen. Das ist bislang nur Italien in den 30er Jahren und Brasilien 1962 gelungen. Für dieses Ziel kann und will Löw keine Rücksicht nehmen auf Spieler, deren Potential zwar unbestreitbar ist, aber die es nur zu selten abrufen. Löw braucht Spieler, auf die er sich hundertprozentig verlassen kann. Im Fall von Götze ist das offensichtlich nicht Fall. Das bekommt auch Manuel Neuer zu spüren. Löw hat klar gesagt: Sollte der Bayern-Keeper kein Spiel mehr vor der WM bestreiten, ist er nicht dabei oder höchstens als Nummer 3 und als Motivator.