Verkauf der Medienrechte Nach Rückzug von Investor Blackstone: Wie viel Schaden hat die Bundesliga genommen?

BVB-Keeper Gregor Kobel kickt Tennisbälle vom Rasen
BVB-Keeper Gregor Kobel kickt Tennisbälle vom Rasen, die Fans aus Protest gegen die Investoren-Pläne der DFL auf den Rasen geworfen haben
© Bernd Thissen / DPA
Finanzinvestor Blackstone hat sich aus dem Bieterprozess um die Medienrechte der Fußball-Bundesliga zurückgezogen. Offenbar spielen die Proteste des Fans und die Uneinigkeit unter den Klubs eine Rolle bei der Entscheidung. Ist die 1. Liga nur noch schwer vermittelbar?

Seit Wochen wird in deutschen Bundesliga-Stadien ein bemerkenswertes Schauspiel aufgeführt: Irgendwann im Laufe eines Spiels werfen die Fans in den Kurven Tennisbälle oder Schokotaler (seltener: Zitronen) auf das Spielfeld. Dazu skandieren sie "Scheiß DFL", die Partie wird vom Schiedsrichter unterbrochen. Nach einer gewissen Zeit läuft das Spiel weiter, je nachdem, wie ausdauernd die Ultras die Tennisbälle werfen. Stilistisch waren die Banner der Hannover-96-Ultras in der Partie gegen den HSV, die den verhassten 96-Geschäftsführer Martin Kind im Fadenkreuz zeigten, der Tiefpunkt. Leverkusener Fans verzögerten den Anpfiff des Spitzenspiels gegen Bayern München am vergangenen Wochenende, indem sie karnevalsgerecht Süßigkeiten auf den Rasen warfen und dazu ein Banner mit der Aufschrift zeigten: "Die DFL hat hier nichts zu Kamellen." Für den Protest war das Topduell besonders wichtig: Es wurde in mehr als 200 Ländern übertragen.

Was die Fans auf die Barrikaden bringt, ist der Plan der Deutschen Fußball Liga, einen Teil der Medienrechte an einen Investor zu veräußern. Der sieht vereinfacht so aus: Bis zu acht Prozent der Anteile sollen für 20 Jahre verkauft werden. Die DFL erhofft sich Einnahmen von bis zu einer Milliarde Euro, die hauptsächlich in die digitale Vermarktung gesteckt werden sollen. Bei der Abstimmung der 36 Profiklubs der ersten und zweiten Liga kam die Zweidrittelmehrheit knapp mit 24 Stimmen zusammen. Die Anhänger sehen darin einen Angriff auf die besondere deutsche Fan-Kultur und eine weitere Kommerzialisierung, Was sie noch mehr erzürnt: Der ihnen tief verhasste Geschäftsführer von Hannover 96, Martin Kind, stimmte mit Ja, obwohl er vom Verein nur ein Mandat für eine Nein-Stimme erhalten hatte. Darin sehen die Anhänger eine Verletzung der 50+1-Regel. Sie besagt, dass der Verein immer die Stimmenmehrheit in den ausgelagerten Profiabteilungen behält.

DFL sollte Proteste ernst nehmen

Dass die DFL die Proteste ernst nehmen sollte, zeigt sich am Rückzug des Investors Blackstone, der am Dienstag bekannt wurde. Zuletzt waren noch zwei Bieter im Rennen: die beiden Investmentgesellschaften CVC Capital Partners und eben Blackstone. Dass sich Letzterer aus dem Bieterprozess zurückgezogen hat, liegt mit den Fan-Protesten, heißt es. "Das feiern wir als Zwischenerfolg", sagte der Vorsitzende vom Fan-Bündnis Unsere Kurve, Jost Peter, der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.Beigetragen hat auch das zögerliche Verhalten vieler deutscher Klubs, die sich ebenfalls schwertun mit einem Investor. Die Vereine fürchten einerseits die Macht der Fans (oder nehmen auf auf deren Interessen Rücksicht), sehen aber auch kaum finanzielle Vorteile, weil sie zu wenig vom Kuchen abbekommen. Hinzu kommt ein allgemeiner Vorwurf: Das DFL-Verfahren sei intransparent abgelaufen, was zur verfahrenen Situation beigetragen habe.

Für die DFL ist der Rückzug von Blackstone eine weitere Niederlage auf dem Weg, neue Einnahmen zu generieren. "Ein rabenschwarzer Tag für die DFL. Der letzte Anbieter kann jetzt den Preis diktieren, hinzu kommt das Damoklesschwert einer möglichen neuen Abstimmung. Und als Kirsche auf der Torte die Umfragen, die den Mythos zerstören, hier würde nur eine radikale Minderheit protestieren", lästerte der Chefredakteur des Fußball-Magazins "11Freunde" auf X, Philipp Köster. So oder so, die Bundesliga hat den Schaden.

Dabei hat sich die DFL schon kompromissbereit gezeigt, um das ganze Projekt zu retten. Im vergangenen Jahr hatte sie ein erstes Investitionsmodell vorgestellt, das sehr viel weiter ging. Sie wollte einen größeren Anteil der Medienrechte für bis zu zwei Milliarden Euro verkaufen. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand der Vereine, unter denen keine Mehrheit zustande kam. Die abgespeckte Variante fand mehr Anklang und wurde knapp angenommen.

Die Situation ist verfahren

Der kleinere Deal jetzt ebenfalls in Gefahr, weil die Fans eine beispiellose Protestwelle starteten, siehe oben. Es steht in den Sternen, ob der zweite Versuch, einen Investor an Bord zu holen, klappt. Die endgültige Entscheidung liegt allein beim DFL-Präsidium. Der Deal soll bis Ende März abgeschlossen sein. Wie das gegen den Willen der Fans durchgedrückt werden soll, ist nicht ganz klar. 

Hinzu kommt, dass die DFL zuletzt hilflos agierte. Nach dem ersten Aufflammen der Proteste hatte sie den aktiven Fans erneut Gespräche angeboten, die diese dankend ablehnten. Sie verlangen ein zweite Abstimmung. Der Forderung gab die DFL nach, will aber nur noch eine einfache Mehrheit verlangen. Sie fürchtet – das ist leicht herauszulesen – , dass eine Zweidrittelmehrheit nicht zustande käme. Mit allen Nachteilen für den deutschen Fußball.

Offenbar haben die beiden DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel und Marc Lenz keine weitere zündende Idee. Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und Aufsichtsrat-Chef der DFL, kann nur betonen, dass er für den Investoren-Deal ist. Machtworte wie die von Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen ("Ich habe das Gefühl, dass in einigen Ultra-Szenen Inhalte und die Auseinandersetzung mit Fakten gar keine Rolle mehr spielen") beeindrucken Fans eher wenig.

Die Situation ist verfahren. Es bleibt die Frage, was die Fans eigentlich wollen. Ihre Positionen scheinen eher diffus zu sein. Was passiert, wenn die Klubs und die DFL der Forderung nach einer zweiten, offenen Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit nachkommen und für den Investoren-Einstieg votiert wird? Selbst auf Fan-Seite kann man nicht sagen, was dann passiert. "(...) Wenn unter diesen Bedingungen das Ergebnis trotzdem für den Investoren-Einstieg ist, glaube ich nicht, dass es kritiklos hingenommen wird, aber dann hat man sehr viele Sachargumente auf seiner Seite, um es hinzunehmen, weil das dann auch ein demokratischer Prozess war", sagt Fan-Aktivistin und "kicker-Kolumnistin Helen Breit aus Freiburg dazu. Die Positionen scheinen unversöhnlich. Keine gute Aussicht für die Bundesliga.

Quellen: DPA, "Bild", "kicker", "Spox"

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