Rudi Völler wusste schon beim Frühstück mehr als Michael Skibbe. "Hallo Pferdeflüsterer", begrüßte der DFB-Teamchef am Montag seinen verdutzten Assistenten, dem die "Bild"-Schlagzeile vom Morgen noch nicht bekannt war. "Ist er der Fehler-Flüsterer?", hatte das Boulevard-Blatt mit einem Foto getitelt, auf dem Skibbe hinter seinem Chef steht und ihm etwas sagt. Die falsche Aufstellung im Spiel gegen Lettland vielleicht? Oder eine vermeintlich falsche Einwechslung?
Nichts von alledem, versicherte das Trainergespann. "Wir besprechen seit vier Jahren alles gemeinsam", sagte Skibbe. Aufstellungen und Einwechslungen seien "gemeinsame Beschlusssache". Dass Rudi Völler im Zweifelsfall das letzte Wort hat, ist klar. Das Podium bei der täglichen Pressekonferenz überließ der Chef allerdings seinem ersten Helfer. Der auch eine Art Chefpropagandist in Sachen deutscher Fußball ist.
Was "Sir Erich" zum Trainer-Spieler-Verhältnis so einfiel
"Grundsätzlich werde ich versuchen zu erkennen, ob die subjektiv geäußerten Meinungen subjektiv oder objektiv sind. Wenn sie subjektiv sind, werde ich an meinen objektiven festhalten. Wenn sie objektiv sind, werde ich überlegen und vielleicht die objektiven subjektiv geäußerten Meinungen der Spieler mit in meine objektiven einfließen lassen."
"Abteilung Attacke"
Skibbe soll vor allem Optimismus verbreiten. Eine Aufgabe, der der 38-Jährige mit derart markigen Sprüchen nachkommt, dass er sich schon den Beinamen "Der Einpeitscher von Almancil" erworben hat. Vor dem EM-Auftakt prophezeite er den Niederländern: "Sie werden ihre Fähigkeiten erst im zweiten Spiel entwickeln können. Denn im ersten Spiel werden wir ihnen den Schneid abkaufen." Obwohl dies nur teilweise funktionierte, adelte er die eigene Mannschaft vor dem Lettland-Spiel mit den Worten: "Wir haben ein Team, das international allen Ansprüchen genügen kann."
Den Nachweis blieben die Spieler, die Skibbes Parolen auf ihren Zimmern live im Fernsehen verfolgen können, beim dürftigen 0:0 in Porto zwar schuldig. Doch Skibbes Vertrauen ist unerschütterlich, am Sieg an diesem Mittwoch gegen Tschechien hat er - natürlich - keinen Zweifel. "Wir müssen gewinnen. Das wollen und werden wir erreichen", tönte er am Montag: "Die Vielzahl der Chancen, die die Tschechen gegen Holland hatten, werden sie gegen uns nicht bekommen."
Bleibt zu hoffen, dass der Bundestrainer wenigstens mit dieser Prognose Recht behält. Dass Skibbes Welt auf die Zuhörer mitunter sehr verklärt wirkt, stört den Coach nicht. Die "klare Stellung zur Mannschaft", so sagte er abseits des Podiums, vertrete er aus tiefer Überzeugung: "Ich bin optimistisch auf Grund der objektiven Werte, die ich von den Spielern habe."