Beleidigte Leberwurst
Torsten Frings bringt seit Jahren Top-Leistung auf den Fußballplätzen der Nation. Unbestritten. Ob im Verein bei Werder Bremen oder in der Nationalmannschaft wie bei der Weltmeisterschaft vor heimischen Publikum: Frings kämpft, Frings gibt alles, Frings ist wichtig für das Spiel seiner Mannschaft. Nicht umsonst ist Frings seit vielen Jahren Stammspieler bei Bremen und auch im deutschen Dress. Der 31-Jährige hat Leaderqualitäten. Zumindest im sportlichen Bereich.
Sein Verhalten außerhalb des Platzes ist allerdings öfter anders zu bewerten. Denn dort macht Frings gerne mal den coolen Rocker mit Macho-Allüren. Fährt dicke Autos, trägt mit Vorliebe seine Tattoos zur Show, mit langen Haaren und trendy Cappy bewegt er sich durch die Welt des Fußballs. Frings ist selbstbewusst bis selbstverliebt, das haben seine Mitspieler in Bremen, wie zum Beispiel Diego, oft genug erleben müssen.
Und jetzt setzt ihn Bundestrainer Joachim Löw zwei Spiele auf die Bank. Sicher eine problematische Entscheidung. Aber auch eine Entscheidung, die nach Leistung geht. Frings ist momentan einfach nicht in Top-Form. Das weiß Löw und hat ihm eine Pause verordnet.
Über die Medien jetzt sofort von Rücktritt zu sprechen, ist schwach von Frings. Ähnlich wie Kevin Kuranyi macht er die beleidigte Leberwurst. Völlig unnötig, aber auch ein Zeichen eines verletzten Egos. Kaum vorstellbar, dass sich Löw von einer derart unreifen Reaktion beeindrucken lässt.
Von Jens Fischer
Mann mit Charakter
Torsten Frings hat sich die Bild-Zeitung als Ventilsprachrohr für seinen tiefsitzenden Frust ausgesucht. Na und? Immer noch besser, als sich während eines Länderspiels in der Pause grußlos aus dem Staub zu machen. Frings ist klüger als Kuranyi, deshalb hat sich der Führungsspieler außer Dienst direkt nach den für ihn so enttäuschenden Partien gegen Russland und Wales auch zu keiner Äußerung hinreissen lassen. Frings wollte den Frust zunächst für sich ganz persönlich verarbeiten - um dann sortiert und geordnet an die Öffentlichkeit zu gehen.
Im Interview rechnet die Bremer Kämpfer-Ader mit Bundestrainer Löw ab. Er spricht von "Demütigung" und mehr "Respekt", den er vom Coach erwarte. Auch das kann man von einem verstehen, der über 70 Länderspiele auf dem Buckel hat und der noch vor wenigen Wochen zum inneren Führungszirkel der deutschen Nationalmannschaft gehört hat. Mit seiner harschen Kritik am Stil des DFB-Coaches hat Frings Charakter bewiesen. Auch weil die Argumente auf seiner Seite sind.
Natürlich findet manch einer seine Tattoos, seine Vorliebe für ultra-protzige Autos und seine Art und Weise wie er in Bremen Spieler wie Diego in das Werder-Kollektiv presst, unpassend. Aber: Die Leistung bei Frings stimmt fast immer. Was sollten die wichtigsten Eigenschaften eines 6-ers sein? Er muss die entscheidenden Zweikämpfe gewinnen und vielleicht auch mal ein taktisches Foul begehen. Frings gelingt das pro Spiel zehn Mal. Und Hitzlsperger? Oder Rolfes? Beide sind wirklich keinen Deut besser als Frings - eher schlechter. Torsten Frings ist als absoluter Leader für die Nationalmannschaft unverzichtbar. Sein Frust über die Degradierung voll verständlich. Seine Reaktion einfach nur logisch.
Von Klaus Bellstedt