José Mourinho, der Trainer von Bayerns Endspielgegner Inter Mailand, ist eher nicht für Schwärmereien bekannt. Die Ausnahme: Über seine eigene Mannschaft und sich selbst spricht der exzentrische Portugiese in den höchsten Tönen. Normalerweise kriegt dagegen bei Mourinho jeder andere sein Fett weg. Der Gegner, die Medien, der Schiedsrichter: Der 47 Jahre alte Fußballlehrer hat es in nicht einmal zwei Jahren bei Inter Mailand geschafft, es sich mit fast allen zu verscherzen. Aber Mourinho kann auch anders. Wenn er sich zu Louis van Gaal äußern soll, wird er ungewöhnlich milde.
"Louis war mein Lehrer, er war mein Chef", ohne van Gaal "wäre ich nie zu dem geworden, was ich heute bin", sagt er. Er werde van Gaal nie vergessen, versichert Mourinho, ihr beider Verhältnis zueinander sei hervorragend. Wer die zahmen und sanften Töne des Meisters der wuchtigen Worte verstehen will, muss in die Vergangenheit zurückblicken.
Angriff auf den zweiten Champions-League-Titel
Kennengelernt haben sich die beiden Final-Trainer von Madrid vor 13 Jahren. Van Gaal war eigentlich als Sportdirektor vom FC Barcelona verpflichtet worden - wurde dann aber kurzerhand von Präsident Nunez anstelle des Engländers Robson zum Cheftrainer befördert. Mourinho, damals Assistent von Robson, sollte den Club eigentlich verlassen, wütete aber in der entscheidenden Sitzung derart gegen dieses Vorhaben, das van Gaal dadurch nachhaltig beeindruckt war. Es war diese ihm eigene unbequeme Art, die den Niederländer imponiert hatte. Drei Jahre arbeiteten die beiden Charakterköpfe in Barcelona zusammen.
"Er ist ein Mann", sagt van Gaal über Mourinho, "er hat…" - Oliver Kahn würde jetzt "Eier" sagen. Der Bayern-Coach grinst lieber vielsagend und schweigt. Auch der Niederländer hat nichts als Lob für den Mann über, dem er einst das Coaching einer Weltklassemannschaft beibrachte. Mourinho sei ein "sehr guter Trainer geworden. Er war auch in vielen Ländern erfolgreich, das kann auch nicht jeder", betont van Gaal. Mourinho führte 2004 den FC Porto sensationell zum Champions-League-Triumph, in England bei Chelsea London räumte er sämtliche Pokale ab. Nur ein zweiter Sieg in der Königsklasse blieb "Mou" bis heute verwehrt. Übrigens genauso wie Louis van Gaal, der die begehrteste Trophäe im europäischen Clubfußball 1995 mit Ajax Amsterdam gewann.
Van Gaals Hemdknopf bleibt geschlossen
Nun treffen sich Lehrmeister und Musterschüler im Finale von Madrid wieder. Wobei der Portugiese dieses Endspiel keinesfalls als "Partie Lehrer gegen Schüler" akzeptieren mag, "denn ich fühle mich nicht als sein Schüler". Irgendwann hört auch bei José Mourinho die Nächstenliebe auf. Er spricht nicht ungern über van Gaal in diesen Tagen von Madrid. Im Gegenteil: Ab und zu huscht ihm bei diesem Thema sogar ein Lächeln über sein tief gebräuntes Gesicht. Viel lieber aber kratzt er sich an seinem Dreitagbart und doziert über Inter Mailand - seine Mannschaft.
Er will in der Champions League 2009/2010 "kein Team, das so wie wir bei Chelsea aufgetreten ist", gesehen haben, "kein Team, das so wie wir den Champion Barcelona im Hinspiel 3:1 zerstört hat". Er sitzt dann da in seinem maßgeschneiderten Anzug, oberster Hemdknopf geöffnet und den italienischen Krawattenknoten leicht gelockert, und redet im Stakkato-Stil auf die Journalisten ein - cooler geht es kaum. Und überzeugender auch nicht. Man nimmt Mourinho seine Worte ab. Dass es ihm im Finale gegen die Bayern nicht darum geht, mit seinem Team den Schönheitspreis zu gewinnen, ahnt auch Louis van Gaal: "Mourinho will nur gewinnen."
SMS-Kontakt zwischen den Alpha-Trainern
Er dagegen möchte auch in Madrid sein Ideal vom offensiven, schönen UND erfolgreichen Fußball verwirklichen. Van Gaal trägt zwar keine Designeranzüge und sein oberster Hemdknopf bleibt auch meist geschlossen, in Sachen Coolness und Arroganz steht er José Mourinho aber in nichts nach. "Ich habe die schwierigere Aufgabe", behauptet der Münchener Trainer, "er verteidigt, ich muss angreifen." Er sagt das mit fast schon aufreizender Lässigkeit, um kurze Zeit später doch noch eine kleine Spitze der sympathischen Art abzufeuern. "Verteidigung ist einfacher als Angriff." Zudem habe sein einstiger Co-Trainer die Organisation und Defensivstrategie von ihm gelernt. Mourinho wird über die Stichelei hinwegkommen.
Louis van Gaal und José Mourinho sind beide große Persönlichkeiten, ausgestattet mit viel Selbstbewusstsein und umgeben von einer Aura. Ihre Mannschaften tragen ihre Handschriften. Das wird man auch im Champions-League-Finale am Samstagabend im Bernabeu-Stadion beobachten können. Im Verlauf der Champions League tauschten die Trainer immer wieder Kurznachrichten via Mobiltelefon aus, besonders intensiv während der Halbfinal-Phase. Nach dem Endspiel in Madrid wird das im Zweifel auch wieder so sei. Den Inhalt kann man sich denken: "Du bist der beste Trainer den Europa zur Zeit zu bieten hat", so könnte die Glückwunsch-SMS des Verlierers lauten. Der Gewinner würde wohl sagen: nur Europa?