Polen-Spiel-Countdown "Mit dem Messer zwischen den Zähnen"

Von Klaus Bellstedt, Berlin
Miroslav Klose könnte der Superstar dieser WM werden. Auf dem Platz ist Deutschlands Sturmführer längst Weltklasse. Aber auch abseits des grünen Rasens haben die Auftritte des gebürtigen Polen mittlerweile einen hohen Unterhaltungswert.

Miroslav Klose ist ein stiller Vertreter seiner Zunft (sein größtes Hobby: Angeln!), immer etwas geduckt und mit hängenden Schultern, so kennen wir den Nationalspieler mit den polnischen Wurzeln aus zahlreichen Interviews. Die Arbeit mit den Pressevertretern war seine Sache nie. Aber das ist Geschichte. Die einst etwas gräuliche Maus Klose, einer der ganz großen deutschen Hoffnungsträger bei dieser WM, hat eine echte Wandlung durchgemacht. Der Mann, der auf Vereinsebene das Trikot von Werder Bremen trägt, ist in Sachen Außendarstellung kaum wieder zu erkennen. Galant und aufrecht sitzt er da auf dem Podium der DFB-Pressekonferenz. Das Reise-Outfit von Edel-Ausrüster Strenesse steht dem Schmalhans fast besser als der Trainingsanzug.

In etwas mehr als 24 Stunden greift die deutsche Nationalmannschaft in Dortmund zum zweiten Mal ins WM-Geschehen ein. Polen heißt der Gegner und der, so der neue Medien-Liebling Klose, "wird mit dem Messer zwischen den Zähnen auf uns losgehen". Ein wundervoller Satz, den sich jeder der anwesenden Journalisten asap ins Büchlein schreibt. Was haben wir nicht schon alles für abgedroschene Phrasen über die Gemütslage der Polen vor ihrem Spiel gegen Deutschland gehört... "angeschlagener Boxer" (Michael Ballack), "anderes Kaliber als Costa Rica" (Michael Ballack), "mit dem Rücken zur Wand" (Jogi Löw), etc. pp. So deutlich wie Miroslav Klose hat es freilich noch keiner formuliert. Vielleicht weil keiner im DFB-Zirkel die polnische Mentalität besser kennt als er.

"Lukas spricht ohne Punkt und Komma"

Klose wuchs in Polen auf, lernte dort das Fußballspielen ("nach der Schule ging der Ranzen in die Ecke und dann ging's ab auf den Bolzplatz") und verließ mit acht Jahren das Land in Richtung Westen. Noch heute pflegt er freund- und verwandtschaftliche Beziehungen in seine alte Heimat. Trotzdem: Auch wenn das Spiel für ihn natürlich etwas Besonderes darstellt, die polnische Hymne will der Torschützenkönig der Bundesliga auch nicht im Unterbewusstsein mitsummen. "1. kenne ich sie gar nicht und 2. spiele ich für Deutschland."

Genauso wie Sturmpartner Lukas Podolski, der sich auf dem Platz mit Klose auch schon mal auf Polnisch unterhält. Am Mittwoch sei das allerdings nicht vorgesehen, "weil die Abwehrspieler uns dann ja verstehen könnten", sagt Klose. Podolski, auch das verriet er augenzwinkernd, sei im Übrigen ein echter Dampfplauderer. "Ob auf Polnisch oder Deutsch, der Lukas spricht ohne Punkt und Komma." Das ist Klose dann doch ein bisschen zu viel. Er bleibt, bei aller dazu gewonnenen Offenheit, ein Mann der sorgsam ausgewählten Worte, äußerst sympathisch, unaufgeregt und immer bescheiden. Nein, schlaflose Nächte wegen der WM-Aufregung habe er weiterhin nicht, verriet er zum Abschluss den Journalisten. Für das Unternehmen "WM-Titel-2006" braucht Jürgen Klinsmann tatsächlich genau solche Männer.

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