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Nationalmannschaft vor der WM Zwischen Hoffen und Klose

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ihr letztes WM-Testspiel gegen Bosnien gewonnen. Die Ballack-Vertreter Schweinsteiger und Khedira machen Mut mit Blick auf Südafrika. Aber es gibt auch einen großen Verlierer.
Von Klaus Bellstedt, Frankfurt am Main.

Im Theater sorgt sich das Ensemble normalerweise, wenn die Generalprobe nicht daneben geht. Das gilt als schlechtes Omen für die Premiere. Gut, dass am Donnerstagabend in Frankfurt Fußball und nicht Theater gespielt wurde, denn bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verhält sich das ein bisschen anders. Dem letzten Härtetest vor Beginn einer Weltmeisterschaft kommt eine große Bedeutung zu. Mit einem positiven Ergebnis kann man die eigenen Fans hinter sich bringen. Und auch die Medien können Euphorie erzeugen und Stimmung machen - im positiven Sinne. Das alles hilft einer Mannschaft vor einem vierwöchigen Weltturnier. Gegen Bosnien in Frankfurt gewann das DFB-Team den WM-Ernstfall mit 3:1. In Jubelgeschrei wollte hinterher zwar niemand ausbrechen. Trotzdem steht fest: Dieser Sieg war wichtig.

Vielleicht war es gar nicht so dumm vom DFB, sich als letzten Gegner vor der Abreise nach Südafrika Bosnien auszusuchen - und nicht Malta, Liechtenstein oder Luxemburg. Die Osteuropäer erwiesen sich gerade in der ersten Hälfte als äußerst unangenehmer Gegner. Die bosnischen Bundesliga-Stars Dzeko, Misimovic, Ibisevic und Co. deckten die Defizite im deutschen Spiel - zehn Tage vor dem ersten WM-Gruppenspiel gegen Australien - phasenweise deutlich auf. Man weiß jetzt wo man steht. Noch hat der Bundestrainer etwas Zeit, Fehler anzusprechen und zu korrigieren. Löw hätte damit am liebsten schon Donnerstagabend begonnen: "Jetzt geht es an die Feinabstimmung - in allen Bereichen", sagte er, und wurde ganz konkret: "Das Spiel ohne Ball muss besser werden, auch die Laufwege müssen intensiver einstudiert werden. Das Team muss sich einfach finden."

Kloses Torgefahr grenzt an Null

Viele Experten hatten vor dem Anpfiff erwartet, dass Joachim Löw zum Anpfiff gegen Bosnien seine WM-Startelf präsentieren würde. Hinterher glaubte das niemand mehr. Der DFB-Coach hatte zum Beispiel den Hamburger Piotr Trochowski im rechten offensiven Mittelfeld aufgeboten. Dort hatte man eigentlich Bayerns "Mr. Unbekümmert" Thomas Müller erwartet. Trochowski zahlte das Vertrauen, das der Bundestrainer in ihn gesetzt hatte, nicht zurück. Der HSV-Spieler wirkte wie ein Fremdkörper in der Mannschaft. Immer wieder kam er sich auf der rechten Seite mit Mesut Özil in die Quere. Trochowskis Pässe in die Spitze fanden selten Abnehmer. Was fehlte, war die Abstimmung mit seinen Nebenleuten. Logische Konsequenz: Der kleine Mittelfeldspieler wurde zur Pause gegen Müller ausgetauscht. Man könnte Geld darauf setzen, dass Müller und nicht Trochowski gegen Australien von Beginn an wird auflaufen dürfen. Zumal Müller nach seiner Einwechselung auf rechts sofort präsent war und endlich Druck auf die bosnischen Abwehrspieler ausübte.

Komplizierter als mit Trochowski verhält es sich mit Miroslav Klose. Dem erfahrenen Stürmer kommt in Löws wahrscheinlichem WM-System 4-2-3-1 eigentlich eine tragende Rolle zu. Klose ist ja nicht nur erfahren, er ist auch Mitglied des inneren Zirkels der Nationalmannschaft. Solche Spielertypen gehören normalerweise in eine WM-Startelf. Aber Klose kommt einfach nicht in Form. Die Torgefahr, die der Angreifer - im Moment jedenfalls ausstrahlt - grenzt an Null. Löw betont gern, wie wichtig ihm seine Führungsspieler sind. Schweinsteiger, Lahm, Mertesacker und eben jener Klose, die vier sollen am Kap das Gerüst der Mannschaft bilden. Es könnte gut sein, dass in Südafrika einer aus dem Quartett um seinen Nummer-Eins-Stürmer-Status bangen muss. Miroslav Klose.

Wie Trochowski wurde auch Klose nach für ihn frustrierenden 45 Minuten, in der zugegebenermaßen beinahe die gesamte deutsche Mannschaft antriebslos und unkonzentriert wirkte, beim Stand von 0:1 ausgewechselt. Cacau kam - und das Spiel kippte. Power Forward, so würde man Cacaus Position auf dem Spielfeld wahrscheinlich beim Basketball bezeichnen. Der Stuttgarter hat exzellente Trainingswochen hinter sich und strotzt nur so vor Selbstvertrauen. Gegen Bosnien leitete er das wichtige 1:1 durch Philipp Lahm ein und wirbelte auch sonst die bosnische Abwehrreihe mit geschickten Drehungen auf engstem Raum gut durcheinander. Streng genommen hätte Cacau auch gegen Australien seine Chance von Beginn an verdient. Kloses Auswechslung in der Halbzeit sollte vor allem vom Stürmer selbst als Schuss vor den Bug gewertet werden. Die Aussagen von Löw über den Münchner nach der Partie sprachen jedenfalls Bände: "Ich habe nicht erwartet, dass Miro nach drei Tagen explodiert, was seine Leistung angeht. Er braucht Zeit, er braucht Rhythmus." Und dann sagte der Coach noch zwei weitere bemerkenswerte Sätze: "Miro kann noch ein wertvoller Spieler für uns sein. Er wird im Turnier zeigen, was er kann." Hat Löw seinen einstigen Lieblingsstürmer etwa gedanklich schon auf die Bank gesetzt? Es scheint fast so.

Schweinsteiger und Khedira, das könnte wirklich passen

Weg von den Verlierern, hin zu den Gewinnern. Cacau und Müller, sie waren zwei prägende Gesichter des WM-Härtetests gegen Bosnien. Aber sie waren nicht die einzigen. Mesut Özil zum Beispiel bewies, das er mit einer Aktion in der Lage ist, Entscheidendes zu fabrizieren. Auch wenn dem Bremer wieder kein Tor gelang, seine verdeckten Schüsse aus dem Fußgelenk sind eine Waffe. Von dieser Sorte Spieler hat Joachim Löw nicht viele in Südafrika in seinen Reihen. Auch Sami Khedira muss als Gewinner genannt werden. Der Ballack-Vertreter interpretierte seine 6-er Position beinahe schon waghalsig offensiv und glänzte mit unbändigem Einsatz im Spiel nach vorn, aber auch mit Zerstörungswut in seinem Defensivspiel. Schweinsteiger und Khedira, das könnte wirklich passen.

Überhaupt Schweinsteiger: Seine Leader-Qualitäten stellte der Bayern-Spieler mit zwei staubtrocken verwandelten Elfmetern zum 3:1-Endstand unter Beweis. Keiner geht in dieser Mannschaft so voran wie Schweinsteiger. Das kann Löw beruhigen. Was ihn weniger beruhigen wird, ist die zweite Innenverteidiger-Position neben Per Mertesacker. Arne Friedrich fing sich gegen Bosnien zwar in der zweiten Hälfte, aber in Sachen Tempo und Antizipation hinkt Friedrich höchsten internationalen Ansprüchen hinterher. Auch wenn Löw Kritik an seinem linken Innenverteidiger hinterher nicht gelten lassen wollte: "Man muss auch sehen, dass er sich weiterentwickelt hat. Er gibt lautstark Anweisungen und hat sehr gut trainiert." Tendenz für die WM: Friedrich ist trotz allem in der Innenverteidigung gesetzt.

Fraglich bleibt, ob Holger Badstuber wirklich gegen Australien auf der linken Außenbahn eine Chance von Beginn an erhält. Der Youngster machte gegen Bosnien nicht viel falsch - im Rückwärtsspiel. Nach vorne hatte Badstuber praktisch keine Durchschlagkraft. Aber das wird während einer WM von einem modernen Außenverteidiger erwartet.

Irgendwo zwischen Hoffen und Ungewissheit

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft Mannschaft hatte gegen Bosnien gute Momente, vor allem in der zweiten Hälfte als sie mit einer Leistungsexplosion und viel Begeisterung und Tempo das Spiel noch drehen konnte. Trotzdem bewegt sie sich zehn Tage vor ihrem ersten WM-Spiel gegen Australien irgendwo zwischen Hoffen und Ungewissheit. Vieles muss sich noch finden. Und auch die Erfahrung fehlt. Die Ausfälle vor allem von Ballack, Rolfes und Westermann lasten schwer auf dieser jungen Truppe. Aber wer weiß: 2002 unter Rudi Völler hatte die Auswahl kurz vor der WM mit den Ausfällen von Wörns, Heinrich, Deissler und Nowotny Ähnliches zu verkraften. Am Ende wurde man Vizeweltmeister.

P.S.: Hat die deutsche Nationalmannschaft Sie gegen Bosnien überzeugt? Wie sehr freuen Sie sich jetzt auf die WM? Diskutieren Sie das Thema auf Fankurve 2010 der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.

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