Nach dem Abpfiff war für Englands Coach Fabio Capello klar, wer die höchste Niederlage in Englands WM-Geschichte zu verantworten hat: der Schiedsrichter: "Das Spiel wäre nach dem 2:2 völlig anders verlaufen", wetterte Capello, der seiner Mannschaft mehrfach attestierte, ordentlich gespielt zu haben.
Bei allem berechtigten Ärger über die Leistung des Unparteiischen: Das sah die britische Presse dann doch etwas anders. Zwar musste der Referee heftig Kritik einstecken, doch der überwiegende Tenor war, dass die DFB-Elf die klar bessere Mannschaft war und das Spiel verdient gewonnen hat: "Die Deutschen beherrschten das englische Team vollkommen. Sie genossen es, mit Schwung und Stil durch unsere Abwehrreihen zu marschieren", schrieb etwa "The Sun".
"Eindrucksvolle Leistung des jungen deutschen Teams"
Sehr klar auch die Aussage des "Daily Telegraph": "Aus Tofik Bakhramov (dem Linienrichter von 1966) wurde heute Mauricio Espinosa. Aber so wie Englands Spieler verständlich wütend waren über das nicht gegebene Tor - so eindrucksvoll war die Leistung des jungen deutschen Teams, das schonungslos Englands Schwächen offenbarte."
Ganz ähnlich urteilt die "BBC": "England wird mit einigem Recht das fehlende Glück beim nicht gegebenen Tor bejammern - aber nichts kann die Tatsache überdecken, dass die Mannschaft von den Deutschen in vielen Phasen des Spiels dominiert wurde."
Gleich mehrere Zeitungen wiesen dem deutschen Sturm-Derwisch Thomas Müller ihre Reverenz, indem sie seinen Namen für eine Überschrift verballhornten und damit auf das englische Verb "to muller" (= zermahlen) anspielen: "Beschämendes England von Deutschland "mullered", heißt es beim "Evening Standard".
Auf der Homepage von "Sky UK" heißt es kurz und knapp: "Unter dem Strich war die Leistung der Mannschaft von Fabio Capello nicht ausreichend - gegen Deutsche, die auf einem anderen Level spielten." Am bittersten rechnete Englands früherer Torjäger Alan Shearer in der BBC ab: "Das war so schlecht, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es war von der ersten Minute an hoffnungslos."
Erste Rücktrittsforderungen
Auch von höchster politischer Ebene bekam Fabio Capello keine Unterstützung für die Einschätzung, es habe alles nur am Schiedsrichter gelegen. "Mit so einem Ergebnis können wir nicht wirklich behaupten, (um den Sieg) beraubt worden zu sein. Wir sind geschlagen worden", sagte der britische Premierminister David Cameron am Rande des G20-Gipfels in Toronto.
Inzwischen hat sich die Stimmung sogar noch verschärft: "Es ist Zeit zu gehen, Fabio", schreibt "The Sun" heute in seiner Online-Ausgabe. Die internationale Presse legt dagegen den Focus auf das überragende Spiel der jungen deutsche Mannschaft. Ganz vorneweg das Land des Gastgebers: Der auflagenstarke Johannesburger "The Star" sprach vom "Teutonic supersonic" - dem Teutonischem Überschall. Andere Blätter wie der "Soweto" sprachen von den deutschen "Wunderkindern", die Englands Alt-Herren-Riege hinweg gefegt habe.
"Deutsche Youngster geben England Nachhilfeunterricht", freut sich "The Irish Times" über die Niederlage ihres großen Nachbarn. Auch in den USA erkennt man den klaren deutschen Sieg an: "Deutschland zerschmettert England 4:1 im Achtelfinale von Bloemfontein und fügt Fabio Capellos Team zur WM-Liste der Schande hinzu, auf der schon Frankreich und Italien stehen", schreibt die "New York Times". "USA Today" ergänzt: "Deutschland verprügelt England und marschiert."
"Müller und Özil als Sahnehäubchen"
Die spanische Zeitung "El País" schwärmt: "Es ist eine dynamische Mannschaft mit einigen guten Fußballern (Klose, Podolski), ausgezeichneten Fußballern (Özil, Müller) und überraschenden Fußballern (Friedrich). Alles gut dirigiert von Schweinsteiger, der Stimme der Erfahrung." Auch die französische Tageszeitung "Le Monde" ist angetan: "Die Nationalmannschaft drückte dem Match ihren Stempel auf: schnelles Spiel, kurz und bissig, mit Müller und Özil als Sahnehäubchen." Martialische Töne aus der Schweiz: "Starke Deutsche schlagen in der 'Mutter aller Schlachten' England 4:1", schreibt das Boulevardblatt "Blick".
Bei der großen Mehrzahl der Pressestimmen überwiegt die Begeisterung und Anerkennung für das deutsche Spiel, die falsche Schiedsrichter-Entscheidung spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle und der Bewertung des Spiels. Dennoch gehört das Schlusswort der "WAZ", die mit klammheimlicher Freude einen Schlussstrich zieht: "Nach 44 Jahren sind wir, was Wembley-Tore betrifft, endlich mit den Engländern quitt."
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