Die NFL in Deutschland Wie Football-Fans in Frankfurt feiern: "We call it Mainhatten!"

Football Fans in Frankfurt
Fans der Kansas City Chiefs machen Party in Frankfurt
© Alex Grimm / Getty Images
Kansas City gegen Miami, und das am Main! Fans aus aller Welt bejubeln nicht nur ihre Teams, sondern vor allem sich selbst und den Sport. Zeit für Sightseeing haben sie auch noch. Wenn nur nicht der Regen das Bier verwässern würde!

Am Vormittag beginnt ein penetranter und so von keinem Tourismusbeauftragten eingeplanter Regen zu fallen. Da wird es dann schon schwieriger, die Stimmung zu halten oder überhaupt erstmal in eine solche zu kommen. Regenschirme biegen sich im Starkwind nach oben, bunte Ponchos werden eilig übergezogen, oder wie eine Gruppe Seahawks-Fans kreischt: Fucking hell! Ein feuchter Schleier legt sich auf die Selfies am Eisernen Steg. Just dort ankert das offizielle Schiff der Kansas City Chiefs, ein natürlich in grellem Rot und Gelb gehaltener Flussdampfer, vor dem sich die fotografieren, die nicht an Bord kommen. Und das sind die allermeisten. Gästeliste only.

Die NFL zu Gast in Deutschland, zum zweiten Mal nun schon und zum ersten Mal hier in Frankfurt. Noch fünf Stunden bis zum Kickoff. Die Innenstadt um Oper und Roßmarkt sind fest in der Hand der Kansas City Chiefs, die hier, zumindest auf dem Papier, ein Heimspiel austragen. Aber auch von den vielen Hotelbalkonen schallt es immer wieder: Fins up! Fins up! Logischerweise mischt sich in die allgemeine Tailgateeuphorie auch immer die Frage, ob man die gnadenlos gute Stimmung aus dem Vorjahr überhaupt  thrumpfen kann. Damals, wir erinnern uns kurz, gingen die Videos um die Welt, wie in München siebzigtausend Selige untergehakt "Country Roads" grölten.

NFL-Fans feiern in Frankfurt

Und heute? Und hier? Im Frankfurter Wirtshaus am Main, das für ein paar Tage zum offiziellen Fanpub der Carolina Panthers umfunktioniert worden ist, gehen die Meinungen auseinander. Ein kahler Mittfünfziger, er trägt eine Art Clownskostüm in den Farben der Chiefs, meint, "Jolene" von Dolly Parton tauge doch ganz wunderbar zur großen, alle vereinenden Stadionhymne. Sein Kumpel Steve, auf dem Kopf einen Winterhut, der die Frisur von Mahomes nachzustellen versucht, mit gestrickten Lockenapplikationen, dieser Steve jedenfalls wettet auf den "Folsom Prison Blues" von Johnny Cash. Solange das Lied aus dem Great American Songbook stammt, finden sie beide, sei dagegen nichts einzuwenden.

Beide Teams sind, so haben sie jedenfalls wiederholt verlautbaren lassen, froh und stolz, dieses sagenumwobene Frankfurt Game bestreiten zu dürfen. Die Miami Dolphins, frühzeitig angereist und seit Tagen in der Stadt unterwegs, haben einiges getan, um die Herzen der Deutschen zu gewinnen. Trainer Mike McDaniel wollte mit Familie in den Zoo, des Babyelefanten wegen, Offensive Tackle Terron Armstead ließ sich bei "Hans & Franz" mehr als nur eine Bratwurst munden, weshalb die kleine Frittenbude in den Tagen danach unter Miami-Fans zum beliebtesten Fotomotiv der ganzen City avancierte. Man mag von den Expansionsplänen der immer neue Märkte erschließenden NFL halten, was man will – hier in Frankfurt zeigt sich sofort, dass die Strategie funktioniert. Weil die Tickets in alle Welt gingen, folglich also nicht eine Fangruppe homogen dominiert, einigen sich alle Angereisten darauf, den Sport selbst zu feiern. American Football, bloody hell.

Und Zeit für Sightseeing, vier Stunden vor Kickoff, bleibt auch noch.

Fan der Kansas City Chiefs trickst

Man bewundert Fachwerkgiebel, überwölbte Brunnen, vorkragende Geschosse und skulptierte Erker in den Altstadtgassen. "It's like a medieval Disneyland", freut sich James aus Lawrence in Kansas. Wer es jetzt noch kurz ins historische Museum gleich nebenan schafft, und das sind sogar nicht so wenige, kann dort das Bonmot von Friedrich Stoltze, einem Mundartdichter, benicken: Es is kaa Stadt uff der weite Welt, die so merr wie mei Frankfort gefällt.

Duncan, ein schwerer Mann aus Oklahoma, hat sich ein Bitburger in seinen Starbucks-Kaffeebecher umgefüllt und ist ziemlich stolz auf diesen Trick. Keiner werde ahnen, dass er sich hier im Geheimen ein echtes Bier zu Gemüte führe, ruft er und zeigt auf die Polizisten, die am Römer patrouillieren. Es ist sozusagen die Frankfurter Variante des Brownbagging, nur leider völlig unnötig in Deutschland, wo man sich ja zu jeder Tagzeit und erst recht überall einen antrinken darf. Als man Duncan darauf hinweist, fällt ihm das Lachen zu Boden, und es scheint, als nehme er wirklich erst in jenem Moment all die anderen Fans wahr, die aus Dosen, Flaschen, Jägermeisterkurzen und, ach du liebe Güte, dort unter der Seufzerbrücke sogar aus einer schäumenden Fünfliterfassbatterie ihr Promillelevel hochfahren. Kopfschüttelnder, ganz und gar fassungsloser Duncan. Frankfurt – land of the free. Wenn er das Bier jetzt doch nur in die Flasche zurückfüllen könnte!

Gigantischer Patrick Mahomes grüßt

Es sind solcherlei Kulturirritationen, die sich charmanterweise häufen, je näher der Kickoff rückt. Dazu hat Frankfurt durchaus versucht, sich herauszuputzen, die Straßen sind beflaggt, verziert und eingewimpelt, überall Werbung mit NFL-Bezug. Bloß ein paar Flecken ließen sich eben nicht mehr polieren. Die dann ja doch absolut offene Heroinszene rund um den Hauptbahnhof brüskiert manche Amerikaner, während andere abwinken: Auf der Kensington Avenue in Philly, dem Fentanylstrich der Staaten, gehe es doch noch viel schlimmer zu! Ob man das als Lob für die städtische Drogenpolitik verstehen darf?

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Immerhin hängt im Hauptbahnhof Patrick Mahomes als Riesenwerbeposter und begrüßt alle Ankommenden wie ein nicht wie von dieser Welt stammender Titan, auch die Berufspendler aus Griesheim, Obertshausen und Sulzbach.

Die Wolkenkratzer im Bankenviertel müssen sich derweil nicht verstecken vor amerikanischen Skylines. "In Frankfurt we call it Mainhattan, you know", erklären zwei um Völkerverständigung bemühte Hessen den Ostküstenblondinen, die sie eben vor der Paulskirche aufgelesen haben. 

"What?", fragt die eine.
"Because of the river, you know", ruft der Hesse.

Sie sieht nicht aus, als würde sie verstehen. Aber das ist auch ganz egal jetzt. Es muss nämlich doch bald mal Richtung Stadion aufgebrochen werden. Das Spiel, es beginnt ja gleich.

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