Es war der 4. Januar, als Novak Djokovic erstmals in diesem Jahr in den Schlagzeilen auftauchte. Der Tennisstar kündigte an, dass er ungeimpft und mit einer Ausnahmegenehmigung an den Australian Open teilnehmen wolle. Nur wenige Stunden später stand der 34-Jährige vor australischen Grenzbeamten, die ihn nicht einreisen ließen. Der Beginn einer Farce, die auf allen Seiten nur Verlierer haben wird.
Novak Djokovic
Dass Novak Djokovic nicht unbedingt als handzahm gilt, ist gemeinhin bekannt. Immer wieder sorgt der Serbe mit (unbedachten) Aktionen und Äußerungen für Skandale, doch seit der Corona-Pandemie isoliert sich der Weltstar zunehmend vom Rest der Tennisspitze. Schon zu Beginn der Pandemie erklärte der 34-Jährige, nicht auf eine Impfung setzen zu wollen. Stattdessen veröffentlichte er einen Livestream mit einem selbsternannten Alchemisten und erklärte, dass Selbstliebe das Immunsystem besser stärke als eine Impfung. Auch behauptete Djokovic, dass es gelinge, mit "dem Kraft des Gebets und die Kraft der Dankbarkeit das am stärksten verschmutzte Wasser in das heilsamste Wasser zu verwandeln". (Mehr zu den esoterischen Anwandlungen Djokovic' lesen Sie hier).
Während sich im Sommer 2020 die Welt von der ersten Welle erholte, veranstaltete Djokovic die Adria-Tour mit vielen Stars der Tennisszene. Abseits des Spielfelds wurde exzessiv gefeiert. Die Folge: Zahlreiche Corona-Fälle, auch Djokovic erkrankte erstmals. Party-Videos auf Youtube belegen die fehlenden Sicherheitsmaßnahmen.
Djokovic könnte 21. Grand-Slam-Titel gewinnen
Im Gegensatz zu vielen anderen Top-Sportlern herrschte lange Unklarheit über den Impfstatus des Weltranglistenersten, der sich auf eine Privatangelegenheit berief. Ohne Frage war es das auch, bis zum 5. Januar 2022. Denn Djokovic wird als Verlierer aus der Debatte um die Australian Open hervorgehen, egal, ob er teilnehmen darf oder nicht. Dabei ist durchaus verständlich, dass Djokovic an dem Turnier teilnehmen will: Neun Mal hat er in Melbourne bereits gewonnen, mit einem weiteren Triumph hätte er bereits 21 Grand-Slam-Titel in der Tasche, mehr als jeder andere männliche Tennisprofi in der Geschichte. Für einen ehrgeizigen und ambitionierten Profi wie den Serben ein glamouröses Ziel.
Aber: Mit einer Teilnahme wird es sich Djokovic bei dem australischen Publikum komplett verscherzen. Zu groß waren die Leiden in der Pandemie: Zehntausende Staatsbürger duften fast zwei Jahre lang nicht in ihre Heimat reisen, noch immer warten Tausende darauf, nach Down Under zurückzukehren. Die Einreiseregeln sind strikt, für Touristen ist das beliebte Urlaubsziel weiterhin Tabu. Es ist daher ein Schlag ins Gesicht aller Australier, wenn plötzlich ungeimpfte Sportler einreisen dürfen und die Regularien ad absurdum führen. Das australische Gemüt fasst wohl am besten die in Brisbane erscheinende Zeitung "The Courier Mail" zusammen. "You must be djoking" (Ihr müsst doch scherzen) titelte die Zeitung in einem Wortspiel angelehnt an das englische Wort "joking".
Wird Djokovic am Montag ausgewiesen, steht er ohnehin als großer Verlierer da. Die Ausweisung wäre ein Gesichtsverlust für den Tennisstar, der sich dann auch um zukünftige Teilnahmen an Turnieren Gedanken machen muss. Denn die Auflagen, dass nur geimpfte Profis an Turnieren teilnehmen dürfen, werden voraussichtlich noch zunehmen. Djokovic muss sich dann der Frage stellen, ob ihm die Selbstliebe die Karriere retten wird oder eine Impfung. Die Entscheidung liegt ganz beim Serben, das betonte auch schon Rafael Nadal auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Der Weltstar zeigte dort wenig Mitleid als er sagte: "Ich hatte Covid, ich bin zwei Mal geimpft. Wenn du das machst, hast du kein Problem, hier und überall auf der Welt zu spielen. Das ist das Einzige, was klar ist."
Der australische Tennisverband
So groß die Kritik an Djokovic ist, wäre die ganze Posse um die Einreise nicht entstanden, wenn der australische Tennisverband Tennis Australia konsequenter gehandelt hätte. Denn der Verband führte die Spieler mit einer in den australischen Medien veröffentlichten Mitteilung in die Irre: Dort hieß es, dass eine überstandene Corona-Infektion eine vollständige Impfung überflüssig machen könne. Bereits im November aber hatte die australische Regierung den Verband darauf hingewiesen, dass dies nicht der Fall sein. Diese Regelung gelte ausschließlich für australische Bürger.
Die Schuldfrage stellt sich aber offenbar nicht bei Tennis Australia. In einem am Samstag von der australischen Zeitung "Sunday Herald Sun" veröffentlichten internen Video erklärt Verbandschef Craig Tiley, dass "sein Team eine unglaubliche Arbeit" geleistet habe. Sein Team habe demnach alles gemäß den Anweisungen getan, die es erhalten habe. Es klingt ein bisschen wie Schönrederei von Tiley, der damit auch die Probleme verkennt. Denn nicht nur Djokovic wurde eine Ausnahmegenehmigung erteilt, sondern auch anderen Sportlern und Offiziellen, die vielleicht keine hätten erhalten dürfen. Zwar ist die Sachlage noch unklar, doch muss sich der Verband durchaus Schlampigkeit im Umgang mit den Zulassungen vorwerfen lassen.
Verband muss sich Schlampigkeit vorwerfen lassen
Somit kann auch Tennis Australia nur als Verlierer das Djokovic-Debakel hinter sich lassen. Die Australian Open gehört zwar zu den wichtigsten Turnieren im Tennis-Geschäft, im eigenen Land aber dürfte die Wut über eine Teilnahem Djokovic' größer sein, als die Freude an dem Event. Ausgerechnet zum Start der neuen Tennissaison hängen dunkle Wolken über der Veranstaltung. Darf Djokovic nicht teilnehmen, muss sich Tennis Australia eben jene angesprochene Schlampigkeit vorwerfen lassen, Spielern und Offiziellen Hoffnungen gemacht zu haben, wo es keine Hoffnung gibt. Ohne Frage würde mit Djokovic der weltbeste Tennisspieler fehlen, jedoch hätte sich der Verband den ganzen Ärger auch vorab mit klaren Aussagen vermeiden können. So oder so wird die australische Regierung die Arbeit des Verbands nun genauer beobachten.
Die australische Regierung
Auch für die australische Regierung könnte die Causa Djokovic in einem Fiasko enden. Wie will man den seit Monaten auf die Einreise wartenden Bürgern erklären, dass sie weiterhin warten müssen, wenn gleichzeitig ungeimpfte Sportler in Down Under ihrem Beruf nachgehen dürfen? Natürlich ist dieser Aufenthalt nur temporär für die Dauer und die Vorbereitung auf das Turnier, dennoch ist es den Bürgern kaum noch zu vermitteln, wieso für Profi-Sportler gesonderte Regeln gelten. Insofern ist das Bemühen der Regierung, Klarheit in die Sache zu bringen und eine Einreise Djokovic zu verhindern, nur verständlich. Die Entscheidung der Regierung, Australier fast zwei Jahre an der Einreise in das eigene Land zu hindern, war heftig kritisiert worden. Noch dazu finden in diesem Jahr im Bundesstaat South Australia Wahlen statt. Eine Niederlage vor Gericht dürfte der Partei um Regierungschef Scott Morrison erheblichen Schaden zufügen.
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Aber auch so ist der Schaden schon immens, denn wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Djokovic die Reise antrat? Zwar kam die Ausnahmegenehmigung von Tennis Australia, doch das Visum muss bei offizieller Stelle beantragt worden sein. Und das erhält gegenwärtig nur, wer auch tatsächlich geimpft ist. Djokovic' Anwälte berufen sich darauf, dass ein Visa Mitte November bewilligt worden sei und er somit "die Erlaubnis zur Einreise und Verbleib in Australien" erhalten habe. Dieses Visa wurde dann bei der Einreise von den Grenzbeamten widerrufen. Dabei beriefen sich die Beamten laut Djokovic‘ Anwälten auf einen Abschnitt im Migration Act, der besagt, dass ein Visa gestrichen werden kann, wenn eine Person ein Risiko für die Gesundheit oder die Sicherheit der australischen Bevölkerung darstellen könnte. Auch die Frage, wieso Djokovic nicht einreisen durfte, andere Spieler und Offizielle mit Ausnahmegenehmigung jedoch schon, muss dringend geklärt werden. Es muss die Devise "Ganz oder gar nicht" gelten, denn sonst sieht es nach einem Feldzug gegen den Weltranglistenersten aus.
So oder so erzeugt die Meldung über die erneute Corona-Erkrankung Djokovic‘ Mitte Dezember noch viel mehr Fragen als Antworten: Seine erste Erkrankung 2020 hatte der Tennisstar noch selbst öffentlich gemacht – ebenso wie beispielsweise auch Rafael Nadal. Bei der zweiten schwieg Djokovic, warum auch immer. Zudem sorgen Fotos von Djokovic bei einem öffentlichen Auftritt für Diskussionen, bei dem er offenbar ebenfalls am 16. Dezember bei einer Veranstaltung der serbischen Post aufgetreten ist. Bei dem Auftritt hält er stolz eine Briefmarke mit seinem Konterfei in die Kameras. Zudem kursieren in den sozialen Medien Fotos, die ihn an diesem Tag ohne Maske mit jugendlichen Fans zeigen. Unklar ist allerdings, ob Djokovic zum Zeitpunkt der Veranstaltung bereits von seinem positiven Corona-Test wusste.
Quellen: Sunday Herald Sun, dpa, ntv, Watson, Department of Home Affairs