Herr Boll, nach der Silbermedaille in der Mannschaft stehen jetzt die Einzel an. Dann geht es wieder gegen die Chinesen. Was macht die eigentlich so stark? Die Chinesen sind im Moment einfach top. Hao Wang, Lin Ma, Ma Long und Wang Liqing sind absolute Weltklassespieler und sind in allen Bereichen absolut führend. Sie spielen sehr variabel und sind damit sehr schwer auszurechnen. Zudem sind sie an der Platte sehr aggressiv und spielen selbst die schnellsten Bälle mit allergrößter Sicherheit. Was ihre Technik betrifft, sind sie sowieso auf einem anderen Niveau.
Und in Sachen Athletik - da gab es Zeiten, da hatten sie Probleme... Da kann ich leider keine mehr erkennen. Sie sind bei diesen olympischen Spielen athletischer denn je.
Dann geht es wohl nur über die Psyche?
Dachte ich auch. Aber auch mental haben sie sich verbessert. Im Mannschaftsfinale haben wir gehofft, sie würden vor heimischer Kulisse nervös werden, aber das ist nicht passiert. Auch im Einzel habe ich letztlich nur eine Chance, wenn sie irgendwann anfangen zu verkrampfen.
Wie wichtig ist denn generell die Psychologie im Tischtennis? Extrem wichtig. Ganz besonders für einen selbst. Das hat man im Halbfinale gegen die Japaner (im Mannschafts-Halbfinale, Anm. d. Red.) gesehen, da musste ich schon kerngesund sein, um dem Druck standzuhalten.
Und in Bezug auf den Gegner?
Ebenfalls. Tischtennis ist so schnell geworden, da muss man eigentlich schon wissen, wohin der Ball hinkommt, bevor der Gegner ihn geschlagen hat. Man muss den Gegner durchschauen und vorausahnen, wohin er schlagen will. Die Bälle kommen viel zu hart, um erst zu reagieren, wenn der Ball im Spiel ist.
Haben Sie eigentlich Kontakt zu Ihren chinesischen Gegnern? Reden Sie auch mal mit denen?
Das ist schwierig. Sie sprechen leider kein Englisch, das ist ein Problem. Ich hätte gerne mehr Kontakt zu ihnen, aber es soll wohl nicht sein.
Nach der Silbermedaille - ist da die Anspannung bei Ihnen nicht schon ein wenig raus?
Klar bin ich im Moment ein wenig erschöpft und froh, zwei Tage Pause zu haben. Aber wenn die Einzel losgehen (am Donnerstag, Anm. d. Red.) schalte ich wieder hoch, sozusagen von Null auf Hundert. Das ist kein Problem. Ich bin heiß, auch im Einzel etwas zu erreichen.
Sie sind ein China eine kleine Berühmtheit. Kann man sich bei der Aufregung um Ihre Person denn überhaupt auf den Sport konzentrieren?
Der Trubel hält sich in Grenzen. Bei einem normalen Turnier ist der Hype viel größer. Hier bei Olympia wohne ich im Dorf und bin dadurch abgeschottet. Bei Olympia warten keine Fans auf mich am Ausgang, hier habe ich viel mehr Ruhe.
Aber als Sie am Flughafen ankamen war schon einiges los...
Stimmt. Da haben sehr viele Leute auf mich gewartet, aber das hat sich zum Glück beruhigt.
Ist es für Sie ein besonderes Gefühl, hier in China die Olympischen Spiele zu erleben?
Das ist ganz klar ein einmaliges Erlebnis. Es macht einfach Spaß in der Pekinger Universität zu spielen. Natürlich hat man das Publikum lieber im Rücken als gegen sich, aber das ist ja klar, dass die Chinesen ihre Spieler unterstützen.
Wohnen Sie denn gerne im olympischen Dorf?
Klar. Dort ist so eine Magie, das erlebt man sonst nirgendwo. Die ganzen anderen Sportler zu treffen, das ist klasse. Es herrscht dort eine tolle Stimmung. Ich bin froh, das zu erleben.
Und Ihr Mannschaftskollege Christian Süß ernährt sich dort nur von BigMac und Hamburgern, habe ich gelesen.
Stimmt nicht. Er isst auch andere gesündere Sachen.
Und Sie?
Ich esse fast nur Peking-Ente.