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Sportartikelhersteller Adidas' Superstar-CEO Rorsted: Gute Manager sollten ruhig richtig hoch bezahlt werden

Adidas-Chef Kasper Rorsted über Millionengehälter und Moral
"Wenn ich mit Freunden über Adidas spreche, rede ich über Jesse Owens 1936, über den Fosbury-Flop, über Muhammad Ali."
© Dirk Bruniecki
Adidas-Boss Kasper Rorsted ist ein Superstar unter den Managern. Im Interview spricht er über Millionengehälter, Moral und seine Kapuzenpullis.
Von Lukas Heiny und Rolf-Herbert Peters

Herr Rorsted, bei Adidas arbeiten lauter junge Leute, Durchschnittsalter 30. Fühlen Sie sich mit 55 manchmal wie der Firmen-Opa?

Ich arbeite eben für eine Sportfirma, das habe ich mir ausgesucht. Hier muss man sportverrückt sein – das bin ich. Es ist toll.

Sie haben seit Ihrem Amtsantritt vor gut einem Jahr Ihren Auftritt verändert. Als Vorstandschef beim Waschmittelkonzern Henkel trugen Sie Anzüge, heute Sneakers und Kapuzenpulli.

Bei Henkel hätte ich auch weiter Anzüge getragen, aber jetzt ist es viel angenehmer. Die Kleidung sollte im Unternehmen authentisch sein. Hier ist es nun mal leger und locker. Wenn Sie hier Anzüge sehen, müssen das Gäste sein.

Sind Jugendlichkeit und Aussehen wichtig für moderne Manager?

Hm, eher Benehmen als Aussehen.

Was heißt das für Sie?

Dax-Chefs müssen heute deutlich globaler sein als vor 20 Jahren. In anderen Sprachen kommunizieren, ein gewisses Verständnis für die Kultur von Amerikanern oder Chinesen haben. Früher waren deutsche Manager vielleicht ein bisschen respektlos. Heute sollte man nahbar sein. Einigermaßen höflich. Und klar. Unsere Konzernsprache ist Englisch, das ist für viele hier nicht die Muttersprache. Man muss also sehr eindeutig kommunizieren.

© Foto: Daniel Karmann/DPA

Kasper Rorsted

Der Däne ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine Karriere begann er bei den IT-Firmen Compaq und Hewlett-Packard. 2005 ging er zu Henkel, war zuletzt acht Jahre lang CEO. 2016 wechselte er zu Adidas, dem nach Nike zweitgrößten Sportartikelkonzern der Welt. Als Vorstandschef soll er rund sieben Millionen Euro im Jahr verdienen.

Sie hatten sich bis dahin um Persil und Shampoo gekümmert. Kann ein Manager einfach umschalten?

Natürlich nicht über Nacht. Man muss Demut zeigen. Ich wollte erst mal ganz banal verstehen, wie die Produkte hier entstehen. Wenn man als neuer Chef schon am ersten Tag glaubt, Antworten zu haben, liegt man falsch. Man weiß nämlich nicht mal, was die richtige Frage ist.

Haben Sie mal gedacht: Könnte auch schiefgehen?

Nee.

Adidas geht es gut, die Strategie für die nächsten Jahre hat noch Ihr Vorgänger ausgearbeitet, Herbert Hainer, der hier wie ein Säulenheiliger verehrt wird. Wie viel Rorsted steckt schon in Adidas?

Man sollte als neuer CEO nur verändern, was wirklich notwendig ist. Darum führe ich Herberts Strategie fort. Ich setze aber andere Schwerpunkte: Digitalisierung, Frauen in Führungspositionen, Globalisierung. Adidas war eher eine Sammlung von Ländergesellschaften und hat nicht wirklich global agiert. Das ändern wir gerade. Ich setze den Ton.

Sie sind einer der Stars im Dax. An der Harvard Business School dreht sich eine Fallstudie um Sie. Bei Konzernen wie Volkswagen heißt es: So einen wie Rorsted wollen wir. Das sagen die doch nicht, weil Sie so demütig sind.

Für diese Dinge kann ich ja nichts.

Aber was macht Sie aus?

Mir ist wichtig: Wenn man etwas beschließt, muss man es umsetzen. Da bin ich sehr stur. Wie bei der Digitalisierung. Wir haben jede dritte Woche Vorstandssitzung, und jedes Mal ist das ein Thema. Das wird auch die nächsten Jahre so sein. Ein CEO muss sich auf die drei, vier wirklich wichtigen Themen konzentrieren. Und die mit Disziplin umsetzen.

Als Ihr Wechsel verkündet wurde, war Adidas an der Börse auf einmal eine Milliarde Euro mehr wert. Sind Sie das wert?

Nun, ein Kurs spiegelt die Erwartung an die Zukunft der Firma. Ein neuer CEO kann immer etwas finden, was er verbessern kann.

Der Boss im Lab: Auf dem Campus in Herzogenaurach hat Adidas einen Nähraum für die Kreativen eingerichtet – in dem sich auch Rorsted wohlzufühlen scheint
Der Boss im Lab: Auf dem Campus in Herzogenaurach hat Adidas einen Nähraum für die Kreativen eingerichtet – in dem sich auch Rorsted wohlzufühlen scheint
© Dirk Bruniecki

Was ist die Seele von Adidas?

Das Streben, die besten Produkte für Sportler zu machen.

Das klingt banal.

Nee, nee, nee! Es fängt damit an: Wir sind eine Sportfirma, wir sind keine Modefirma – eine ganz klare Aussage. Die zweite: Wir wollen das beste Produkt, nicht irgendeines.

Sagen Ihre Wettbewerber auch.

Wenn ich mit Freunden über Adidas spreche, rede ich über Jesse Owens 1936, über den Fosbury-Flop, über Muhammad Ali. Diese Ikonen sind Teil unserer Geschichte. Das unterscheidet uns. Einer der Gründe, warum Deutschland 1954 Fußballweltmeister wurde, waren unsere Schuhe – das sehen hier alle so. Eine junge Firma hat viele Vorteile, aber sie hat keine Geschichte.

Böse gesagt: Und deshalb können Sie ein bisschen buntes Plastik für viel Geld verkaufen.

Aber cooles buntes Plastik!

Weil Sie es mit Image aufladen?

Es geht um mehr. Hier, schauen Sie sich diese Schuhe auf dem Sideboard an. Mit einer besonderen Sohle aus dem 3-D-Drucker. Oder hier: Schuhe, hergestellt aus Plastikmüll. Oder hier: von Robotern aus unserer Speedfactory. Wir können etwas, was andere nicht können. Wir forschen permanent. 3-D-Sohlen waren vor zwei Jahren undenkbar. Cool allein läuft man nicht schneller.

Ihr Vater, ein Wirtschaftsprofessor, hat Ihnen aufgegeben: "Wenn du etwas machst, dann mach es richtig." Was heißt das für Sie?

Dass ich nicht lockerlasse. Ich muss vorangehen.

Heißt "richtig machen" auch, 3000 Stellen abzubauen, wie Sie es damals bei Henkel gemacht haben?

Wenn das der Preis ist: ja! Henkel ist heute ein deutlich besser geführtes Unternehmen. Als Vorstand muss ich die Firma richtig aufstellen. Bei Adidas habe ich die Eishockeymarke CCM und die Golftochter Taylormade verkauft.

Sie sagten mal: Keine Gefühle im Beruf! Das klingt hart und kalt.

Ich werde nicht für meine Gefühle bezahlt. Viele Entscheidungen, die ich als Vorstand treffe, sind unangenehm. Wenn man dabei Gefühle zulässt, würde man sie nicht treffen. In Russland müssen wir fast 200 Geschäfte zumachen. Ist das für die Menschen schön? Nein. Ist es richtig für die Firma? Ja. Es ist meine Aufgabe, rational zu entscheiden. Wenn ich die Firma verlasse, sollte sie besser sein als vorher.

Bewegt Sie das Schicksal der Leute, wenn Sie abends im Bett liegen?

Natürlich. Aber ich muss der Mehrheit meiner Leute dienen und nicht einer Minderheit.

Und was richtig und falsch ist, entscheidet der Aktienkurs?

Nein. Kurzfristig ist das enorm gefährlich. Die Kurse schwanken jeden Tag, und wir sind innerhalb eines Tages nicht besser oder schlechter. Erst über längere Zeit spiegelt ein Aktienkurs die Qualität eines Unternehmens wider. Ich schaue mir nicht permanent die Kurse an.

"Die großen Stars werden immer größer": Adidas verdient mit Trikots wie dem der deutschen Nationalelf Millionen
"Die großen Stars werden immer größer": Adidas verdient mit Trikots wie dem der deutschen Nationalelf Millionen
© Adidas/DPA

Aber Sie wissen, was Ihre Firma wert ist.

Das schon, gerade rund 39 Milliarden Euro. Und mit unserer Strategie 2020, mit den Zielen von 25 Milliarden Euro Umsatz und elf Prozent Marge, wird der Wert noch steigen. Wir bieten die richtigen Produkte an. Wir wachsen wieder in Amerika, wo wir uns lange schwergetan haben. Und online legen wir um 50 Prozent zu.

Sie gelten als Leistungsfanatiker, haben in der dänischen Jugendnationalmannschaft Handball gespielt. Geht es Ihnen immer ums Gewinnen?

Primär, ja. Ich will immer gewinnen. Entscheidend ist, wie Sie das definieren. Für mich ist gewinnen, wenn wir wachsen und unsere Profitabilität steigern.

Nike von der Weltmarktspitze zu verdrängen ist nicht oberstes Ziel?

Erster zu sein ist an sich kein Wert. Nike zu schlagen ist kein Ziel. Und wenn – worin? Beim Umsatz, bei Marktanteilen, beim Wachstum? Wir wollen die Besten sein – aber nicht um jeden Preis. Die Balance muss stimmen.

Dürfen Ihre Mitarbeiter Fehler machen?

Ja, sie sollen sie nur zugeben. Ich kann es nicht leiden, wenn man mir Probleme verschweigt. Ich möchte wissen, was der Fehler ist und wie er repariert werden kann.

Und das sagen Ihre Leute ehrlich?

Nicht immer.

Merken Sie das?

Ja.

Und dann? Schreien Sie?

Nein, das tue ich nicht. Ich bin ein sehr ruhiger Mensch.

Und wenn Sie sauer sind?

Dann sag ich das sehr direkt. Schreien ist keine gute Sache. Man verliert den Überblick.

Wie gehen Sie mit eigenen Fehlern um?

Ich versuche, sie offen einzuräumen. Jeder Mensch macht Fehler, jeden Tag passieren Fehler. Es geht darum, sie nicht zu wiederholen. Auch als CEO muss ich nicht alles richtig machen – nur die wichtigen Entscheidungen.

Was war Ihr größter Fehler?

Das war bei Hewlett-Packard, als ich rausgeflogen bin.

Das lasten Sie sich selbst an?

Ja. Ich war der jüngste Regionalchef dort. Ich dachte, wegen der guten Zahlen könnte ich mich benehmen, wie ich wollte. Ein Fehler.

Sie wurden damals per Telefon entlassen. Die HP-Chefin rief Sie im Urlaub an. Hat Sie das geprägt?

Ich habe noch niemanden per Telefon gefeuert, sagen wir mal so. Wenn man einen Menschen entlassen will, muss man den Mut haben, ihm das persönlich zu sagen. Das gehört sich einfach. Je unangenehmer eine Aufgabe, desto eindeutiger muss ich als Chef sie übernehmen. Führungskräfte, die das anders machen, halte ich für respektlos. Ich habe mich damals am Abend des Rauswurfs hingesetzt und eine Bilanz geschrieben: Was habe ich gut gemacht, was nicht? Die Bilanz war nicht ausgeglichen, sonst hätte ich meinen Job nicht verloren.

Schreiben Sie solche Tabellen heute immer noch?

Häufig, ja. Ich sitze oft im Flieger, dann überlege ich. Positives und Negatives. Das schreibe ich auf einen Zettel. Man neigt sonst dazu, sich Sachen schönzureden, das ist menschlich.

Sie gelten als pedantisch, wollen es immer schön ordentlich haben, planen sogar weit im Voraus, auf welcher Piste Sie im Urlaub Ski fahren werden.

Planung gibt mir Freiheit. Ich habe einen Job, in dem ich 24 Stunden sieben Tage die Woche arbeiten könnte. Wenn ich mich im Büro nicht auf die wirklich wichtigen Sachen konzentriere, sitze ich nachts noch hier. Und wenn ich das Skifahren nicht plane, komme ich nicht dazu.

Wie lange sind Sie täglich im Büro?

Ich komme morgens mit dem Fahrrad, um 5.20 Uhr fahre ich los.

Wie bitte?

Ja, auch im Winter. Ich habe gar kein Auto hier, da gehört ein bisschen Selbstüberwindung dazu. Dann gehe ich hier in unser Gym, trinke hinterher einen Shake und bin meist um acht am Schreibtisch. Abends gehe ich zwischen sechs und sieben. Meine Familie wohnt nicht hier, ich könnte auch spät noch Meetings ansetzen. Aber das wäre nicht fair gegenüber meinen Mitarbeitern. Wenn ich hier sitzen bleibe, müssten alle anderen auch bleiben. Ich nehme also mein Rad, schreibe daheim noch ein paar E-Mails und gehe früh ins Bett.

Gehören für Sie zu einem modernen Management auch ethische Grundsätze? Zuletzt hörte man viel von den Tricks Ihres Konkurrenten Nike, der seine Steuerlast durch Firmenkonstrukte in Steuerparadiesen drückt. Alles legal – doch moralisch angreifbar. Sollte man so etwas machen?

Zuerst: Wer ist der moralische Wächter? Sie? Ein Engländer? Ein Chinese? Ein Amerikaner? Schon diese Frage ist sehr wichtig: Wer verurteilt wen?

Richtig. Aber was sagen Sie?

Wenn die Gesetze nicht ausreichend sind, müssen die Politiker sie ändern. Als Unternehmen haben wir Werte definiert, denen wir folgen.

Sie haben selbst auch Steuermodelle. Bestellt man auf adidas.de, erhält man die Rechnung aus dem Steuerparadies Niederlande.

Wir haben die sechsthöchste Steuerquote im Dax – 28,5 Prozent.

Trotzdem: Ist das unproblematisch?

Natürlich ist das unproblematisch. Wir haben, das kann ich Ihnen sagen, auch eine Struktur in Hongkong aufgesetzt, um unsere gesamten Geschäfte in Asien abzuwickeln. Man muss solche Strukturen aufsetzen, die für das Unternehmen gut sind. Was wir momentan an Steuern zahlen, ist absolut adäquat. Wir haben uns entschieden, in Steuerfragen keinen aggressiven Weg zu gehen. Sonst würden wir auch heute schon deutlich weniger zahlen, das wäre ja technisch machbar.

Werfen Sie Nike vor, sich einen Vorteil zu verschaffen?

Ich spreche mit großem Respekt von unseren Wettbewerbern. Nike ist ein extrem gut geführtes Unternehmen.

Dann reden wir über Adidas. Auch in der Sportwelt gibt es viele zweifelhafte Felder. Doping, Schmiergeld, Korruption. Gerade wird in New York der Prozess gegen Fifa-Mitglieder mit Anti-Mafia-Gesetzen geführt. Sie sind großer Sponsor der Fifa. Müssten Sie nicht laut und deutlich sagen: Mit uns nicht!

Das tun wir doch. Wir erwarten, dass sich alle unsere Partner an die Gesetze halten.

Sie könnten Ihr Sponsoring stoppen.

Die Fifa ist nicht verurteilt. Wir haben einen geltenden Vertrag. Auf welcher Basis sollten wir den lösen?

Vielleicht weil die Vorgänge auch für Adidas schädlich sein könnten?

Wenn unsere Partner die Gesetze einhalten, halten sie die Gesetze ein. Andernfalls muss man sich damit auseinandersetzen. Wenn jemand verurteilt wird, werden wir Konsequenzen ziehen. Das finde ich fair.

Im Sport scheint Geld wichtiger zu sein als Moral. Haben Sie nicht die Macht, das zu ändern?

Auch das tun wir! Den Leichtathletik-Weltverband haben wir 2016 nach den Dopinggeschichten als Sponsor verlassen. Ich habe mich hier seit Tag eins sehr klar positioniert.

Was ist generell mit den Millionen, die im Spitzensport fließen? Ist das nicht inzwischen übertrieben?

Wenn Ablösesummen bezahlt werden wie im Sommer für den Fußballer Neymar – da sehe ich schon Gefahren. Die Leute können solche Summen nicht mehr begreifen. Und dafür gibt es auch keine ökonomische Rechtfertigung mehr.

Auch Sie pumpen viel Geld in den Fußball. Adidas ist Anteilseigner von Bayern München und gibt dem Verein jedes Jahr 60 Millionen Euro, Manchester United 100 Millionen.

Das lohnt sich geschäftlich. Hauptsächlich durch Trikotverkäufe. Die Welt hat sich in den letzten zehn Jahren komplett verändert. Die Digitalisierung hat die Globalisierung extrem vorangetrieben. Die großen Stars werden immer größer. Heute wollen auch Kinder in Norwegen und China die Trikots von United, Real oder Bayern haben.

Millionengehälter für Spieler, Millionengehälter für Manager. Gibt es ein Limit?

Die Summen sind sehr unterschiedlich. Aber eine Person kann viel ausmachen. Egal, ob im Sport oder in einer Firma. Die besten Beispiele sind Elon Musk von Tesla oder Jeff Bezos von Amazon. Es lohnt sich, Geld in Leute zu investieren.

Gute Manager sollen also ruhig richtig hoch bezahlt werden?

So sehe ich das, ja. Wenn sie gut sind, sind die bestbezahlten Manager die billigsten – weil das Preis-Leistungs-Verhältnis so gut ist. Ich weiß, das wird in Deutschland oft diskutiert. Ich finde das teilweise populistisch. Manager haben oft Verantwortung für 50.000 oder 60.000 Leute. Dafür sollte man das beste Team zusammenstellen. Wenn das gelingt, bin ich mein Geld wert.

Der Artikel über Kasper Rorsted ist dem aktuellen stern entnommen:

STERN Nr. 51/17

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