Bestechungs-Vorwurf THW Kiel am Pranger

Massive Korruptionsvorwürfe gegen den THW Kiel: Ausgerechnet der deutsche Vorzeige-Handball-Verein soll seit 2000 Europacup-Spiele manipuliert haben, unter anderem das Champions-League-Finale von 2007 gegen Flensburg. In einer Krisensitzung des Liga-Verbandes will man die Vorwürfe am Abend prüfen. Die Kieler weisen alle Anschuldigungen zurück.

Noch vor der Krisensitzung des Ligaverbandes HBL am Montagabend in Hamburg erschüttern massive Korruptionsvorwürfe gegen den deutschen Rekordmeister den internationalen Vereins-Handball." Der Vorwurf lautet: Der THW soll seit 2000 internationale Spiele beeinflusst haben", sagte Manfred Werner, Vorsitzender des HBL-Aufsichtsrates. Das Rückspiel beim Champions League-Gewinn 2007 gegen die SG Flensburg- Handewitt (29:27) sei dabei nur die herausragende Partie gewesen.

Der Pressesprecher der HBL, Oliver Lücke, sagte gegenüber stern.de: "In der Krisensitzung wollen wir die Lage sichten. Wir wollen wissen, was dran ist an den Vorwürfen oder wer solche Gerüchte streut." An der Sitzung nimmt auch HBL-Aufsichtsrat-Mitglied Dieter Matheis teil, der die Manipulations-Vorwürfe, in einem Brief an Kiels Manager Uwe Schwenker erhoben hat. Matheis ist zugleich Beiratsvorsitzender bei den Rhein-Neckar Löwen.

Kiel weist Vorwürfe entschieden zurück

Schwenker reagierte erst 24 Stunden nach Bekanntwerden der Anschuldigungen. "Der THW Kiel weist die Vorwürfe entschieden von sich", sagte Schwenker. "Eine Stellungnahme können wir momentan nicht abgeben, weil uns die Vorwürfe im Detail gar nicht bekannt sind." Weil noch keine Beweise vorliegen hat die Europäische Handball-Föderation (EHF) bislang keine Ermittlungen aufgenommen. "Uns als EHF liegt in keiner Weise etwas vor. Für uns ist es im Moment offiziell kein Fall", so Markus Glaser, Spielleiter für die Europacup-Wettbewerbe.

Entgegen erster Meldungen gibt es bei der Staatsanwaltschaft in Berlin kein Aktenzeichen im Zusammenhang mit den Bestechungsvorwürfen. "Im Moment liegt keine Anzeige vor. Ich kann aber nicht ausschließen, dass sie noch im Geschäftsgang ist", sagte Simone Herbeth, Pressesprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft. Nach Auskunft der HBL hat auch die Staatsanwaltschaft in Kiel "keinen Vorgang" dazu.

Der ehemalige Kieler Trainer Zvonimir Serdarusic hat unterdessen dementiert, mit einer Selbstanzeige den Vorgang initiiert zu haben. "Ich habe mich nicht selbst angezeigt", sagte Serdarusic. Er war im vorigen Jahr im Streit mit Manager Uwe Schwenker vom THW geschieden und hatte in der vergangenen Wochen seinen Drei-Jahres-Vertrag beim Liga-Kontrahenten Rhein-Neckar Löwen aus angeblich gesundheitlichen Gründen aufgelöst.

Rückzieher der Rhein-Neckar-Löwen

Anders lautet die Darstellung von HBL-Mann Mandred Werner: "Als die Löwen erfuhren, dass Kieler Spiele manipuliert gewesen sein sollen, haben sie sich gefragt, ob sie für die kommende Spielzeit den richtigen Trainer haben." Die Konsequenz aus den Recherchen sei die Auflösung des Vertragsverhältnisses gewesen.

Die Rhein-Neckar Löwen behaupten hingegen, Serdarusic sei ihnen mit seinem Rückzug zuvorgekommen. "Wir haben von den Gerüchten um den THW Kiel gehört, aber bevor wir diesen nachgehen konnten, hat Serdarusic um Vertragsauflösung bei uns gebeten", sagte Löwen- Pressesprecherin Ute Krebs.

"Wir können nicht Staatsanwaltschaft spielen", sagte HBL-Aufsichtsrats-Mitglied Hans Peter Krämer, "wir müssen über die Schadensbegrenzung für die Bundesliga reden. Es handelt sich möglicherweise um ein internationales Problem, das mit der Bundesliga überhaupt nichts zu tun hat." Am Dienstag will sich der HBL-Aufsichtsrat in Hamburg treffen.

Die Flensburger befürchten derweil keine Manipulation des Finals von 2007. SG-Präsident Frerich Eilts kann sich "Bestechung einfach nicht vorstellen". "In dem Spiel gab es nur eine umstrittene Situation", sagte Manager Fynn Holpert. Flensburgs damaliger Kapitän Joachim Boldsen hatte in der 19. Minute wegen Foulspiels von den Schiedsrichtern Miroslaw Baum/Marek Goralczyk Rot gesehen. Das polnische Duo hatte 2004 bei den Olympischen spielen in Athen das Frauen-Finale zwischen Dänemark und Südkorea geleitet. Nach Aussage des ehemaligen Geschäftsführers des Weltverbandes IHF, Frank Birkefeld, war das Spiel zugunsten von Dänemark verschoben worden.

Der polnische Verband reagierte mit Ungläubigkeit. "Die Vorwürfe sind unwahrscheinlich", sagte Verbandssprecher Marek Skorupski. Die beiden Schiedsrichtger bekämen regelmäßig beste Noten und gelten als Polens Export-Schlager.

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