Das Terminchaos im Handball hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Der Streit zwischen der Bundesliga und dem Europa-Verband EHF fügt der gesamten Sportart Schaden zu. Die EHF hat das Achtelfinal-Hinspiel der Rhein-Neckar Löwen in der Königsklasse in Polen für den 24. März angesetzt. An diesem Tag bestreiten die Mannheimer jedoch das Bundesliga-Topspiel beim THW Kiel. Während der deutsche Rekord-Champion aus Kiel auf Druck der EHF sein wertvolles Heimrecht im Achtelfinal-Rückspiel gegen Pick Szeged tauschte, um der Terminkollision zu entgehen, blieben die Löwen hart und schicken nun ihre zweite Mannschaft zum Spiel bei Vive Kielce. "Das ist mehr als misslich und nicht gut für den Handball", sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann.
"Wir sind uns darüber bewusst, dass es damit zu keinem sportlich fairen Vergleich kommen wird. Das tut uns sehr leid, aber wir werden aktuell durch die Haltung der Verbände zu diesem Schritt gezwungen. Der Schaden, der hier an unserer Sportart verursacht wird, ist enorm. Die Rhein-Neckar Löwen werden sich aber nicht erneut zum Spielball in diesem Streit machen lassen", begründete Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann die mutige Entscheidung.
Andy Schmid: "Das ist eine Verarschung"
Andy Schmid ließ seinem Frust über den Eklat freien Lauf. "Das ist eine Verarschung. So wird unser Sport kaputt gemacht", schimpfte der Regisseur des Deutschen Meisters nach dem souveränen 31:20-Sieg im Bundesligaspiel gegen Frisch Auf Göppingen. "Für uns als Spieler ist das nur traurig, wenn die Funktionäre das nicht hinkriegen."
Seit Monaten tobt ein Streit zwischen der HBL und der EHF um die Terminierung von Spielen mit deutscher Beteiligung in der Champions League. Nun ist es zum großen Knall gekommen - und die Leidtragenden sind die Löwen, die am 24. März sowohl in der Königsklasse bei Vive Kielce als auch in der Bundesliga beim THW Kiel antreten müssen. Weil dies schon aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten gar nicht möglich ist, schickt der Meister seine zweite Mannschaft zum Achtelfinal-Hinspiel nach Polen.
Rhein-Neckar Löwen wollen ein Zeichen setzen
"Das ist für manche vielleicht nicht nachvollziehbar. Wir glauben aber, dass die Sponsoren, die Fans und die Mannschaft hinter der Entscheidung stehen", sagte Teammanager Oliver Roggisch. "Wir haben lange Vieles mit uns machen lassen. Irgendwann mussten wir ein Zeichen setzen. Jetzt war ein Punkt erreicht, auch mal Nein zu sagen."
Gute Argumente im Terminstreit haben beide Seiten, die sich aber längst fast unversöhnlich gegenüberstehen. Die Bundesliga verweist auf den neuen und lukrativen TV-Vertrag, der zwei Live-Spiele in der ARD beinhaltet. Das Topduell Kiel gegen Löwen am 24. März garantiert eine enorme Reichweite im Kampf um Popularität und Sponsoren - zumal die Fußball-Bundesliga da pausiert.
In vielen europäischen Ländern gilt dagegen die Champions League als TV-Premiumprodukt, weshalb die Vereine ihre Heimspiele immer am Wochenende austragen wollen. "Die Königsklasse wird zur Farce, wenn die EHF und die HBL nicht in der Lage sind, das hinzubekommen. Das ist eine ganz bedenkliche Situation", sagte Göppingens Trainer Rolf Brack.
Terminkollision bei Rhein-Neckar Löwen gab es bereits im November
Die Probleme sind nicht neu, denn bereits im November vergangenen Jahres gab es eine Terminkollision. Damals mussten die Rhein-Neckar Löwen innerhalb von 25 Stunden erst das TV-Spiel in der Bundesliga beim SC DHfK Leipzig und dann das Gruppenspiel in der Königsklasse beim FC Barcelona bestreiten. "Das war schon ein ganz dickes Brett", sagte Roggisch. "Jeder hat gedacht, dass so etwas im Handball nicht noch einmal vorkommt. Unfassbar, dass jetzt wieder eine solche Situation eingetreten ist."
Dabei hätten es die Mannheimer sogar in Kauf genommen, einen Tag nach dem Spiel in Kiel in Kielce anzutreten. "Das wäre die beste sportliche Lösung gewesen", sagte Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen.
Warum die EHF auf diesen Vorschlag nicht einging und stattdessen einen vom deutschen Meister abgelehnten Tausch des Heimrechts forderte, bleibt ihr Geheimnis. "Wir hätten sehr gerne beide Partien gespielt", sagte Jacobsen. "Aber wir können nicht zaubern."