Handball-WM Deutschland steht im Finale!

In einer dramatischen Partie schlägt Deutschland den Europameister aus Frankreich nach zwei Verlängerungen mit 32:31. Der Jubel der deutschen Handballer kennt keine Grenzen. Trotz den knappen Spielausgang sagt Mannschaftskapität Markus Baur: "Ich habe nie gezweifelt".

Die deutschen Handballer greifen nach einem Zitterspiel gegen Frankreich und einer dramatischen Verlängerung in zwei Akten nach dem WM-Titel. Dank eines 32:31 (27:27, 21:21; 11:12)- Erfolgs gegen den Europameister in einem an Spannung kaum zu überbietenden Halbfinal-Krimi stürmte das Team von Bundestrainer Heiner Brand am Donnerstag ins Endspiel der Weltmeisterschaft und darf weiter vom dritten WM-Gold nach 1938 und 1978 träumen.

"Wenn man das hier erlebt, gibt es nur noch ein Ziel", sagte Kapitän Markus Baur, der mit seinem verwandelten Siebenmeter 65 Sekunden den euphorisch gefeierten Schlusspunkt unter den zweiten Sieg gegen Frankreich binnen fünf Tagen gesetzt hatte. Im finalen Spiel am Sonntag heißt der Gegner ebenfalls in Köln Dänemark oder Polen, das den Deutschen in der Vorrunde die einzige Niederlage zugefügt hatte. Das bronzene "Sommermärchen" der deutschen Fußballer haben die Handballer schon jetzt getoppt.

"Wir haben eine sensationelle Truppe. Das war Kampf, Herz und sich durchbeißen", sagte der vom Spiel der Nerven gezeichnete Brand. "Ich habe es genossen; auch wenn man nicht sagen kann, dass wir spielerisch besser waren." Der Magdeburger Abwehrchef Oliver Roggisch atmete erleichtert auf: "Wir waren eigentlich schon weg. Das war wie Karussell fahren." Und der 78er Weltmeister Peter Meisinger meinte: "Sensationell was die Buben geleistet haben."

Franzosen beschuldigen Schiedsrichter

Mit einer neuerlichen Energieleistung kämpfte der WM-Gastgeber die Franzosen nieder, die schon in der Hauptrunde mit 26:29 das Nachsehen gehabt hatten. In der Revanche für das Halbfinale bei der EM 2002 fehlte der deutschen Mannschaft vor allem in der zweiten Halbzeit lange die nötige Treffsicherheit. Doch der Gegner konnte diese Schwäche nicht nutzen. Fünf Sekunden vor dem Ende gaben sie den Sieg aus der Hand, als der nervenstarke Lemgoer Kapitän Markus Baur den glücklichen Ausgleich markierte und die Verlängerung buchte. "Die Schiedrichter haben uns den Sieg versagt", schimpfte der Franzose Joel Abati, der für Magdeburg in der Bundesliga spielt.

Drei Fragen an Kapitän Markus Baur

Die deutsche Mannschaft steht im Finale der WM. Hätten Sie das noch vor wenigen Wochen für möglich gehalten?
Baur: "Wir haben schon vor einem Jahr zusammengesessen und uns gesagt, wir wollen dieses Turnier gewinnen. Jetzt sind wir nur noch ein Spiel von diesem Ziel entfernt. Es ist das eingetreten, was wir uns vorgenommen haben. Wir wollten uns nach der Vorrunden-Niederlage gegen Polen von Spiel zu Spiel steigern."

Die Mannschaft musste lange einem Rückstand hinterherlaufen. Haben Sie zwischenzeitlich den Glauben an den Sieg verloren?


Baur: "Wir haben es leider in bestimmten Situationen nicht geschafft, uns abzusetzen. Aber gezweifelt habe ich in keiner Sekunde. Hätten wir es getan, wäre dieser grandiose Sieg nie zu Stande gekommen. Die Enttäuschung der Franzosen kann ich nachempfinden. Es ist bitter, solch ein Spiel in der zweiten Verlängerung zu verlieren."

Im ersten Ärger haben die Franzosen die Schiedsrichter für den Sieg des DHB-Teams verantwortlich gemacht. Teilen Sie diese Kritik?

Baur: "Wenn man das ganze Spiel sieht, können sie sich wirklich nicht über die Schiedsrichterleistungen beschweren. Die Franzosen sind auch vor sechs Jahren bei der WM in ihrem Land mit dem Victory-Zeichen durch die Halle gelaufen. Aber das wird leider immer allzu schnell wieder vergessen."

dpa

Vor den Augen von Bundespräsident Horst Köhler in der abermals mit 19.000 enthusiastischen Zuschauern ausverkauften Kölnarena stand die Partie auch in der Nachspielzeit auf des Messers Schneide. "Wir gewinnen mit einem Tor Unterschied", hatte Köhler zwar schon in der Halbzeit "gewusst". Doch erst dank Baur und des überragend haltenden Fritz hatte der Handball-Krimi sein Happy End.

"Ich bin überglücklich"

"Ob das abgezockt ist, weiß ich nicht. Heute hat vom Punkt aus alles geklappt; es gibt auch Tage, da geht keiner rein", sagte Baur, der nach seiner Verletzungspause zunächst auf der Bank Platz nehmen musste. Der Mann des Spiels freilich war der Kieler Keeper Fritz, der in der Bundesliga beim deutschen Meister THW nur Ersatz ist. "Was soll ich dazu sagen?" meinte der Teufelskerl. "Ich bin überglücklich, was soll ich sonst noch sagen?"

Mit La-Ola-Wellen und minutenlangen Ovationen feierten die Zuschauer ihre WM-Helden, die sich erschöpft in den Armen lagen. "Finale - Finale" hallte es im Kölner Karneval durch die Arena. Beste Werfer der deutschen Mannschaft waren Baur (5/4) und der Nordhorner Holger Glandorf (5) sowie der Hamburger Pascal Hens und der Lemgoer Florian Kehrmann (beide 4). Der Gummersbacher Bundesliga-Legionär Daniel Narcisse (8) sowie der Kieler Nikola Karabatic und Abati (beide 6) trafen für Frankreich am besten.

Nach seinen zuletzt überzeugenden Auftritten erhielt erneut der Göppinger Shooting-Star Michael Kraus den Vorzug auf der Spielmacher- Position. Verzichten musste Brand auf Sebastian Preiß. Der Kreisläufer aus Lemgo fiel wegen einer Oberschenkelblessur aus. Für ihn rückte der bullige Andrej Klimowets aus Kronau/Östringen in die Mannschaft des Deutschen Handballbundes (DHB).

Schon in den Anfangsminuten peitschten die Fans ihr Team mit Sprechchören und Gesängen nach vorn. Allerdings ließ im Vergleich zum Hauptrunden-Sieg die Wurfeffektivität zu wünschen übrig. So schwand der frühe Vorsprung schnell. Vor allem Karabatic traf ein ums andere Mal. Doch als Baur am Ende der ersten Halbzeit Kraus ersetzte, kam Ordnung ins mitunter hektische deutsche Spiel.

Das Hin und Her setzte sich im Tollhaus am Rhein auch in der Verlängerung fort. In den ersten fünf Minuten gelang es keiner der beiden Mannschaften einen Vorteil heraus zu holen. 27:27 stand es nach der ersten Sonderschicht - und das Zittern ging weiter. Im zweiten Durchgang änderte sich nichts. Nur das glücklichere Ende hatte dank Kapitän Baur und Teufelskerl Fritz das deutsche Team.

DPA
Martin Kloth und Heinz Büse/DPA

PRODUKTE & TIPPS