Er kam mit großer Entourage. Vorneweg ging sein Anwalt Harro Knijffs mit raumgreifendem Schritt und wehender Krawatte, hinter ihm marschierten Manager Theo de Roy und der massige Sprecher des Teams Rabobank. Michael Rasmussen, dieser dürre, ausgemergelt wirkende Mann hatte wie auch im Peloton starke Beschützer an seiner Seite. Nur dass diese Pressekonferenz hier härter werden sollte als die verbissenen Duelle mit seinem Verfolger Alberto Contador in den Pyrenäen.
Am Dienstagnachmittag wollte Rasmussen in der südfranzösischen Stadt Pau erklären, warum er zu Recht das Gelbe Trikot trägt. Warum all die Anschuldigungen, die in den vergangenen Tagen gegen ihn erhoben wurden, Blödsinn sind. Der Generaldirektor des dänischen Radsportverbandes, Jesper Worre, hatte behauptet, Rasmussen habe in den zurückliegenden 18 Monaten vier Verwarnungen wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Reglement erhalten. Zwei vom Weltverband UCI, zwei von der dänischen Anti-Doping-Agentur. Macht vier. Also hätte Rasmussen bei der Tour nicht starten dürfen, denn schon drei Verwarnungen sind ein Ausschlussgrund.
Der stern on Tour
stern-Redakteur Christian Ewers ist bei der Tour de France dabei und berichtet in regelmäßigen Abständen aus Frankreich.
Riesiger Medienauflauf
Harro Knijffs rechnet aber anders. Der niederländische Advokat ergriff als erster das Wort und machte aus vier Anzeigen zwei. Der Weg dahin war ein langer und ermüdender, Knijffs redete und redete, nannte tausend Daten, um irgendwelche vermeintlichen Formfehler nachzuweisen. Seine Juravorlesung schloss er mit dem Satz: "Es gibt keinen Grund, an Michael Rasmussen zu zweifeln."
Mehr als zwanzig Kamerateams und rund 200 Zeitungsjournalisten saßen auf Campingstühlen im Palais Beaumont und hörten Knijffs zu. Einen solchen Auflauf hatte es im Radsport zuletzt 2001 gegeben, als Verbindungen von Lance Armstrong zum italienischen Dopingarzt Michele Ferrari bekannt wurden. Armstrong erschien damals allerdings allein. Er fühlte sich stark genug für eine Selbstverteidigung. Michael Rasmussen hingegen, der kurz davor steht, das härteste Radrennen der Welt zu gewinnen, machte in Pau trotz seiner Begleiter einen hilflosen Eindruck. Alles, was er zu seiner Entlastung beitragen konnte, war ein wirres Häuflein von Zahlen - er lag mit dieser Strategie ganz auf der Linie seines Anwalts.
"Rasmussen hat nicht die Regeln übertreten
Wenn es gerade einmal nicht um verfahrenstechnische Details von Dopingkontrollen ging, musste Rasmussen für ihn entlarvende Eingeständnisse machen. So gab er zu, während der zwei Jahre, in denen er eine Lizenz des mexikanischen Radsportverbandes besaß, nicht ein einziges Mal getestet worden zu sein. Seit Januar dieses Jahres fährt Rasmussen mit monegassischen Papieren. "Nein, auch in Monaco bin ich noch nicht kontrolliert worden", sagte Rasmussen mit leiser Stimme.
In Irland wird Pat McQuaid den Auftritt Rasmussens amüsiert verfolgt haben. McQuaid, Chef der UCI, gehört zu den stillen Feinden der Tour de France. Jetzt, wo die Tour läuft, die wichtigste Radsportveranstaltung des Jahres, macht er erstmal Urlaub. McQuaid weiß, dass nichts der Tour mehr schaden kann als ein beflecktes Gelbes Trikot. Nach Auskunft des dänischen Radsportverbandes ist McQuaid über alle vier Verwarnungen informiert. Der Ire behauptet aber: "Rasmussen hat nicht die Regeln übertreten. Er hat bei zwei unangemeldeten Kontrollen gefehlt, aber er hat sich gleichzeitig zwei Kontrollen vor der Tour gestellt und ist mehrmals während der Tour getestet worden. Er hat das Recht, die Tour zu fahren und sie zu gewinnen."
Der Streit zwischen dem Tourveranstalter ASO, der der UCI Geschäftsschädigung wegen eines nicht erteilten Startverbots für Rasmussen vorwirft, wird weitergehen. Wahrscheinlich noch weit über das Ende der Rundfahrt am Sonntag hinaus. Und das wird der Tour und dem Radsport schaden, die einen sauberen Sieger so dringend benötigt hätten, nach dem Fall Floyd Landis im vergangenen Jahr. Landis, der Champion, wurde kurz nach der Ankunft in Paris des Hormondopings überführt und klagt noch immer gegen den Befund. Bis heute ist nicht klar, wer eigentlich die Tour 2006 gewonnen hat.