Tennis Ende der Ära Agassi

Andre Agassi hat dem Tennisturnier in Wimbledon einen besonderen Akzent gesetzt und das Ende seiner Profilaufbahn angekündigt. Nach den US-Open ist Schluss.

Andre Agassi hat dem Tennisturnier in Wimbledon einen besonderen Reiz verliehen und Titelverteidiger Roger Federer zumindest vor dem ersten Ballwechsel an diesem Montag die Show gestohlen. "Dieses Wimbledon wird mein letztes sein", teilte der 36- Jährige in London mit. Ein letztes Mal wolle er auf dem "Heiligen Rasen" versuchen, dem dreimaligen Champion Paroli zu bieten und seinem Triumph von 1992 einen zweiten folgen zu lassen. "Das wird wahrhaftig das Ende einer Ära. Er wird vermisst werden", sagte am Sonntag Grand-Slam-Rekordsieger Pete Sampras, dessen Rivalität mit seinem Landsmann die Fans elektrisierte.

Stimmen zum angekündigten Rücktritt

Pete Sampras (USA - Rekord-Grand-Slam-Sieger): "Das wird wahrhaftig das Ende einer Ära. Er war einer der besten Spieler, gegen die ich gespielt habe, und er hat einen besseren Spieler aus mir gemacht. Er hat unserem Sport eine Menge gegeben. Er wird vermisst werden. So wie er in den letzten Jahren gearbeitet hat, verdient er es, mit einem großen Sieg aufzuhören. Er braucht ein bisschen Glück und das Adrenalin vom Publikum."

Michael Stich (Hamburg - 1994 Endspielgegner bei den US Open):

"Das ist schade für das Tennis. Andre ist eine der letzten großen Persönlichkeiten und Typen, die das Tennis noch hat. Er war einer der talentiertesten Spieler. Er konnte alles und hat dem Tennis damit viel gegeben. Ich hätte mir für ihn gewünscht, dass er letztes Jahr bei den US Open mit einem großen Titel hätte abtreten können. In Andre hört einer der ganz, ganz Großen auf."

Brad Gilbert (USA - Agassis langjähriger Trainer):

"Er ist vor unser aller Augen gewachsen. Die Leute erinnern sich an ihn mit langen Haaren und seinem damals nicht immer perfekten Benehmen. Aber er ist zu einem Botschafter geworden, vielleicht zum besten, den das Tennis je hatte."

Lleyton Hewitt (Australien):

"Er wird gehen, als einer, der unseren Sport auf vielfältige Weise verändert hat. Nicht nur die Art und Weise, wie er gespielt hat, sondern auch wie er sich auf und außerhalb des Platzes gegeben hat. Es gibt heute nicht mehr sehr viele solcher Typen im Tennis. Der Sport hat ihm eine Menge zu verdanken."

Andy Roddick (USA):

"Vermutlich ist er einer der größten Stars, die es im Sport gegeben hat. Als ich angefangen habe, hat er mir sehr geholfen. Er war eine Art Mentor für mich."

MARTINA HINGIS (Schweiz):

"Er ist eine Inspiration auf vielfältige Weise. Solch eine Persönlichkeit gibt es nur alle paar Jahre. Ich bin sicher, der Tennissport wird ihn vermissen."

Rafael Nadal (Spanien):

"Er ist eine Legende. Man sieht an der Geschichte, dass es sehr schwer ist, auf allen Belägen zu gewinnen. Man braucht dafür ein sehr komplettes Spiel. Nur ganz besondere Spieler wie er schaffen das."

Maria Scharapowa (Russland):

"Man kann überhaupt nichts schlechtes über ihn sagen. Er ist einfach nur ein Champion."

Agassi ist einer von nur fünf Spielern, die alle vier Grand-Slam- Turniere gewinnen konnten. Wie Sampras vor vier Jahren will auch Agassi zum Abschluss die US Open spielen. "Das wird dann definitiv mein letztes Turnier sein", sagte der Amerikaner und sein verschmitztes Lächeln verriet, dass ein finaler Sieg gegen Federer nach 20 Jahren Profitennis der schönste Abschluss sein würde. Schon im vorigen Jahr hatte er davon geträumt. Doch der alle überragende Schweizer machte ihm im Finale von Flushing Meadows einen Strich durch die Rechnung.

Krankheitsbedingte Pausen

Niemand außer ihm und seiner Frau Steffi Graf hat erfahren, ob er schon damals aufgehört hätte, wäre ihm sein neunter Grand-Slam-Sieg geglückt. Aber mit einer Niederlage abzudanken, kam für den vom Piraten zum Gentleman gereiften "Botschafter des Tennis" (Ex-Trainer Brad Gilbert) nicht in Betracht. "Ich bewundere Steffi, wie sie ihre Karriere beendet hat", sagte der stolze Ehemann und zweifache Vater. Die Kollegen verneigen sich schon jetzt. "Der Sport hat ihm eine Menge zu verdanken", sagte Lleyton Hewitt. Und die halb so alte Maria Scharapowa meinte: "Man kann überhaupt nichts Schlechtes über ihn sagen. Er ist einfach nur ein Champion."

Ganz freiwillig kam der Entschluss zum Rücktritt nicht. Ständige Rückenschmerzen zwangen Agassi immer wieder zu Pausen. Die Sandplatzsaison musste er ebenso komplett streichen, wie den Einsatz bei den Australian Open Anfang des Jahres. Nur acht Spiele hat er in diesem Jahr absolviert. Das letzte vor knapp zwei Wochen in der ersten Runde in Queens gegen Tim Henman war die vierte Saison-Pleite.

Tennis-müde Williams-Schwestern

Zur Revanche gegen den Briten könnte es auf dem "Heiligen Rasen" erst im Finale kommen, das am 9. Juli in Konkurrenz zum Endspiel der Fußball-WM stattfindet. Doch das scheint unwahrscheinlich zu sein, weil der Lokalmatador in Runde zwei wohl auf den Triumphator der vergangenen drei Jahre trifft. Vorausgesetzt Federer strauchelt nicht unverhofft gegen den vorjährigen Achtelfinalisten Richard Gasquet aus Frankreich, der am Samstag in Nottingham seinen Titel verteidigte.

Thomas Haas, der im Achtelfinale auf den Weltranglisten-Ersten treffen könnte, wäre vermutlich nicht böse. Vier Mal schon hat er allein in diesem Jahr gegen Federer verloren. Zuletzt im Halbfinale von Halle/Westfalen, wo sich der Schweizer mit dem vierten Titel in Serie auf sein Lieblingsturnier eingespielt hat. "Schade, dass er so früh auf ihn trifft", sagte Bundestrainer Patrik Kühnen.

Nach dem Aus für den verletzten Nicolas Kiefer stimmten den Daviscup-Kapitän die Neulinge im 16 Spieler starken deutschen Aufgebot (elf Herren/fünf Damen) versöhnlich. Gleich fünf überstanden die Qualifikation und können sich nun einen Namen im Welttennis machen. Einer von ihnen hat schon einen: Benjamin Becker, der neben Michael Berrer, Simon Stadler, Benedikt Dorsch und Kristina Barrois im "Wohnzimmer" seines Namensvetters debütiert.

Von Rücktritt hat auch Titelverteidigerin Venus Williams gesprochen. "Wenn Serena nicht mehr spielt, dann höre ich auch auf", sagte die dreimalige Siegerin aus den USA. Ihre jüngere Schwester, die wie eine ganze Reihe namhafter Spieler fehlt, ist offenbar Tennis-müde. Im Wettstreit mit "König Fußball" sind Attraktionen in Wimbledon trotzdem garantiert. Und sei es die Abschiedsshow von Andre Agassi.

Andreas Bellinger/DPA

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