Nur der Weltmeister war eine Nummer zu groß. Tony Martin ist bei der Tour de France knapp am Gelben Trikot vorbeigefahren. Der Hoffnungsträger des deutschen Radsports musste sich beim 8,9 km langen Prolog in Rotterdam in 10:10 Minuten mit dem zweiten Platz hinter Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara begnügen und verpasste damit am "deutschen Feiertag" den nächsten Paukenschlag nur knapp.
Zeitgleich zum WM-Triumph der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Argentinien durfte Martin mehr als drei Stunden vom ersten deutschen Gelben Trikot seit Stefan Schumacher vor zwei Jahren träumen, ehe Cancellara die Bestzeit um zehn Sekunden übertraf. Den dritten Platz belegte der Brite David Millar (+0:20). Der siebenmalige Tourchampion Lance Armstrong fuhr 22 Sekunden zurück auf einen beachtlichen vierten Platz und lag dabei sogar noch vor Toursieger Alberto Contador, der mit einer Zeit von 10:27 Sechster wurde.
Hoffnungen auf trockene Piste erfüllten sich nicht
"Fabian hat gezeigt, dass er der beste Prologfahrer der Welt ist. Ich bin nicht unzufrieden. Es herrschten gleiche Bedingungen. Ob ich in den nächsten Tagen noch eine Chance auf das Gelbe Trikot bekomme, weiß ich nicht. Meine Aufgabe liegt nun darin, Mark Cavendish zu unterstützen", sagte Martin im Anschluss.
Der Youngster war bereits um 16.25 Uhr als elfter Starter auf die Strecke gegangen. Die Hoffnungen auf eine trockene Piste erfüllten sich aber nicht. "Die Strecke war teilweise nass und teilweise trocken. Ich konnte nicht einschätzen, wie schnell ich die Kurven angehen kann und bin deshalb vorsichtiger gefahren, damit ich nicht stürze. Mit ein wenig mehr Risiko wäre ich sicher noch schneller gewesen", sagte Martin.
Doch das Wetter wurde nicht besser - im Gegenteil. Und so musste Martin im Zielbereich lange warten, während sich ein Rivale nach dem anderen an der Zeit des gebürtigen Cottbusers die Zähne ausbiss. Der britische Bahn-Olympiasieger Bradley Wiggins war gar 46 Sekunden langsamer. Auch Andreas Klöden (0:26) und der Kasache Alexander Winokurow (0:28), der drei Jahre nach seinem Doping-Skandal ein Tour-Comeback gab, kamen an die Zeit Martins nicht heran. Der Vorjahreszweite Andy Schleck kassierte fast eine Minute.
Cancellaras Chancen für Sonntag sind gut
Als Drittletzter kurbelte Armstrong über die Strecke, aber auch der Amerikaner kam nicht an die Zeit heran - zwölf Sekunden langsamer als Martin. Der 38-Jährige hatte zuvor einen stressigen Tag hinter sich, nachdem sein Ex-Teamkollege Floyd Landis die Doping-Anschuldigungen mit weiteren pikanten Details erneuert hatte. Dass er am Ende fünf Sekunden schneller als Contador war, dürfte aber ein kleiner Triumph für Armstrong gewesen sein.
Um 19.31 Uhr, also mehr als drei Stunden nach Martins Start, ging Cancellara auf die Strecke. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, sodass in etwa Chancengleichheit zu Martin herrschte. So riskierte der Olympiasieger von Peking alles und holte sich zum vierten Mal nach 2004, 2007 und 2009 das Gelbe Trikot zum Auftakt. Cancellara hat nun gute Chancen, auch am Sonntag das Gelbe Trikot zu verteidigen. Auf der 223,5 km langen Etappe von Rotterdam nach Brüssel wird mit einer Massenankunft gerechnet. Zeitgutschriften gibt es dabei nicht.