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Wirtschaftliche Folgen Ist das Coronavirus überstanden, steht vielen Ländern die schwerste Prüfung erst bevor

Ein Mann mit Mundschutz geht an einem geschlossenen Geschäft in Algier vorbei
Ein Mann mit Mundschutz geht an einem geschlossenen Geschäft in Algier vorbei
© Xinhua / DPA
Weil sich das Coronavirus immer weiter ausbreitet, schalten viele Länder auf der Welt in den Standby-Modus. Ein Drittel der Menschheit kann deshalb nicht arbeiten. Die Folgen könnten verheerend sein: Die Ärmsten werden noch ärmer, warnen Experten.

Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, igelt sich die Welt in bislang beispielloser Weise ein. Milliarden Menschen verlassen ihr Zuhause nur noch für nötigste Besorgungen oder um ein wenig frische Luft zu schnappen. Doch allen Anstrengungen zum Trotz steigen die Zahlen der Infizierten immer weiter. Mehr als 95.000 Menschen weltweit sind bereits an Covid-19 gestorben, jener Krankheit, die durch das Coronavirus ausgelöst wird. Und so schrecklich es auch klingen mag: Diese Zahl wird noch weiter steigen. Vielen bevölkerungsreichen Nationen wie den USA und Russland, aber auch dem afrikanischen Kontinent, steht der Höhepunkt der Pandemie erst bevor.  

Um die Wirtschaft zu retten, schnüren Regierungen im Akkord milliardenschwere Rettungspakete. Doch egal wie viel Geld die Notenbanken und Staaten auch in die Märkte pumpen, allen Menschen kann damit nicht geholfen werden, glauben Experten und Hilfsorganisationen. Einige weisen sogar darauf hin, dass die Rezession in Folge der Anti-Corona-Maßnahmen mehr Menschenleben kosten könnte als die eigentliche Krankheit.

Die Ärmsten werden noch ärmer

Die finanziellen Auswirkungen des Coronavirus werden nach Angaben der Weltbank allein fast 24 Millionen Menschen in der Region Ostasien und im Pazifik daran hindern, der Armut zu entkommen. Die Weltbank warnte vor einem "wesentlich höheren Risiko" bei Haushalten, die von Industrien abhängig sind, die besonders anfällig für die Auswirkungen des Virus sind. Dazu gehören der Tourismus in Thailand und auf den pazifischen Inseln sowie die verarbeitende Industrie in Vietnam und Kambodscha.

In ihrem Worst-Case-Szenario geht die Bank davon aus, dass fast 35 Millionen Menschen in der Region weiterhin in Armut leben werden, darunter 25 Millionen in China. Als Armutsgrenze definiert sie, dass sie von 5,50 Dollar pro Tag oder weniger leben. Asien - und insbesondere China - war in den vergangenen zehn Jahren der Wirtschaftsmotor der Welt. Die Coronavirus-Pandemie hat dieses Wachstum abrupt gestoppt. Die Erholung wird langwierig und schwierig sein.

Die Aussichten der Weltbank sind düster. Die Armen werden ärmer und es wird mehr von ihnen geben, so die Experten. Und selbst die reichen Länder werden Schwierigkeiten haben, Unternehmen und Haushalte über Wasser zu halten.

In vielen Ländern gibt es kein Kurzarbeitergeld

Rund um den Globus stehen Fabriken, Werkhallen und Büros leer - ein Drittel der Menschheit darf derzeit nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeiten. Die meisten Rating-Agenturen rechnen in diesem Jahr mit einer global sinkenden Wirtschaftsleistung, die sich erst im kommenden Jahr wieder erholen wird. Die Corona-Krise wird auch hierzulande auf dem Arbeitsmarkt zu spüren sein: "In der Spitze wird die Arbeitslosenquote in diesem Jahr auf 5,9 Prozent und die Zahl der Kurzarbeiter auf 2,4 Millionen hochschnellen", sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser vor wenigen Tagen.

Viele Menschen werden dadurch mit weniger Geld auskommen müssen. Doch zumindest einen Teil des Gehalts wird der Staat mit dem sogenannten Kurzarbeitergeld auffangen, in anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Programme.

In den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es solche Hilfen nicht. Die Betroffenen müssen von ihrem Ersparten leben, sofern es überhaupt welches gibt. Die Armutsrate Thailands etwa ist in den letzten Jahren trotz eines stetigen, wenn auch langsamen Gesamtwirtschaftswachstums von 7,2 auf 9,8 Prozent gestiegen, wie ein Bericht der Weltbank zeigte. Der Bericht führt den Anstieg von Armut und Ungleichheit auf Dürren, ein langsames Wirtschaftswachstum und sinkende Einkommen sowohl bei den Bauern auf dem Land als auch bei den städtischen Unternehmen zurück.

Die Prognosen für 2020 sind noch schlechter, was vor allem auf den Ausbruch des Coronavirus zurückzuführen ist, der den wichtigen Tourismussektor des Landes hart getroffen hat. Die Regierung hat ein Konjunkturpaket verabschiedet, das voraussichtlich rund 12,6 Milliarden Dollar in die Wirtschaft pumpen wird - angesichts der Schäden dürfte das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.

Der Hunger wird zunehmen

Dass die Armen überproportional stark vom Coronavirus getroffen werden, sagt auch Mathias Moge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. "Wenn die globale Wirtschaft infolge der Corona-Krise in eine Rezession rutscht, hat das auch verheerende Folgen für die Ärmsten. Schon bei einem Prozent weniger Wirtschaftswachstum könnte die Zahl der Armen und Hungernden um zwei Prozent steigen."

Aktuell leiden rund 820 Millionen Menschen weltweit an Hunger. Laut Definition sind 1,90 Dollar das absolute Minimum, um überleben zu können, ohne Hunger zu leiden, so die Weltbank. "Die Menschen haben schon jetzt keine Reserven mehr durch Dürren oder Überschwemmungen in den letzten Jahren. In Ostafrika bedroht eine Heuschreckenplage zusätzlich die Ernten und das Viehfutter. Die Folgen der auf Grund der Covid-19-Pandemie verhängten Maßnahmen verschlimmern die schwierige Ernährungslage und wirken wie ein Beschleuniger der Krise. Sie werden die globale Hungersituation verschärfen und viele Existenzen vernichten", so Mogge.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Lebensmittelpreise in vielen Regionen auf der Welt steigen. So werden in Afrika Grundnahrungsmittel seit Wochen teurer, da die Käufer sich mit dem Notwendigsten eindecken - Stichwort Hamsterkäufe - und einige Verkäufer die Angst wiederum ausnutzen, um zusätzliche Gewinne erzielen wollen.

Hilfsorganisationen gehen insgesamt davon aus, dass durch eine Rezession in der Weltwirtschaft 35 bis 65 Millionen Menschen in die bittere Armut abrutschen werden.

"Dies ist die Zeit der Solidarität, nicht der Ausgrenzung"

 Um die dramatischen Folgen des Coronavirus in Indien, Südostasien und Afrika aufzufangen, werden mehrere Maßnahmen diskutiert. Norwegen etwa will arme Länder durch einen internationalen Hilfsfonds unterstützen: "Wir sind besorgt, wie sich das Virus auf Entwicklungsländer mit ohnehin schon schwachen Gesundheitssystemen auswirkt", sagte der norwegische Entwicklungshilfeminister Dag-Inge Ulstein vor knapp zwei Wochen. "Die internationale Solidarität über die Grenzen hinweg ist wichtiger denn je."

Auch UN-Generalsekretär António Guterres hat zur Solidarität mit den ärmsten Ländern aufgerufen: "Dies ist die Zeit der Solidarität, nicht der Ausgrenzung", sagte er. "Die gegenwärtige Krise erinnert stark an das gemeinsame Schicksal der Menschheit."

Quellen: UN, IFPRI, DW, Welthungerhilfe, Weltbankbericht zu Thailand

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