Mit einer radikalen Streichung von 18.000 Jobs weltweit bis zum Jahr 2022 will sich die Deutsche Bank aus der Dauerkrise befreien. Die Sanierung des Unternehmens soll gut 7,4 Milliarden Euro kosten. Nach drei Verlustjahren und nur einem kleinen Gewinn im vergangenen Jahr drohen der Bank daher im Gesamtjahr 2019 erneut tiefrote Zahlen. Der in den 1990er Jahren begonnene Versuch, zu einem Big Player in der Finanzwelt aufzusteigen, soll bald Geschichte sein. Nicht nur viele Investmentbanker und normale Angestellte, auch einige Vorstandsmitglieder müssen sich nach einem neuen Job umsehen.
So will das Management die hauseigene Investmentbank deutlich verkleinern. Dieser Bereich, der viele Jahre für Milliardengewinne stand, aber seit der Finanzkrise Milliardenstrafen verursachte, ist der Bank zum Problem geworden, wie ein Insider verrät.
Film "The Wolf of Wall Street" kaum übertrieben
Der Banker, nennen wir ihn mal Frank Maier, hat lange für die Deutsche Bank gearbeitet, in Frankfurt, London oder Hamburg, hat die gute Zeit erlebt, wo es etwas Besonderes war, bei der "Deutschen" angestellt zu sein. Er hat sogar die Exzesse der Investmentbanker mitbekommen, als die Assistentinnen nach ihrer Oberweite eingestellt wurden, und mancher Börsenhändler nach New York flog für einen Zahnarzt-Termin, auf Geschäftskosten selbstverständlich, in der Concorde wohlgemerkt. "Schauen Sie sich die Filme 'Wall Street' und 'Wolf of Wall Street' an", sagt er. "So wie es da beschrieben wird, war die Zeit. Die Filme übertreiben kaum."
Diese "gute Zeit" war die Folge eines neuen Kurses. Deutschland war der Deutschen Bank zu eng geworden, ein paar Industriefirmen den Export zu finanzieren, einige Firmenbeteiligungen zu verwalten, reichte nicht mehr. Man wollte mehr. Wollte an das "OPM", das "Other People Money". Den Kunden sollten nicht mehr langweilige festverzinsliche verkauft werden, sondern komplizierte Wertpapiere, die viel Rendite versprachen und viele Transaktionen auslösten, was der Bank Geld einbrachte und das Risiko irgendwo im Dunkeln ließ. Investmentbanking versprach viel Gewinn, weshalb noch Alfred Herrhausen 1989 den Kauf des britischen Investmenthauses Morgan Grenfell einfädelte, neun Jahre später kam Bankers Trust aus New York hinzu.
Investmentbanker bestimmen die Richtung
Frank Maier, studierter Ökonom, merkte, wie sich etwas in der Bank änderte. Die Investmentbanker übernahmen plötzlich die Führung, London galt als cool und hip, Frankfurt als altbacken und langweilig, so entstand eine Machtübernahme, die zunächst kaum jemand mitbekam, aber nach und nach den Geist des Hauses verwandelte. Eine Truppe von eingekauften Investmentbankern um Edson Mitchell und Anshu Jain in London beherrschte die Stimmung, weil sie für gute Gewinne sorgte, und Josef Ackermann ließ seinen "London Boys" alle Freiheiten. Es zahlte sich für ihn aus. Anfang 2007 konnte er den höchsten Gewinn der Firmengeschichte verzeichnen, sechs Milliarden Euro, 70 Prozent davon steuerte das Investmentbanking bei.
Es war die Zeit der Exzesse, und an fast jeder Trickserei war die Deutsche beteiligt, wie sich später zeigte. Sie manipulierte Referenzzinssätze wie den Euribor oder den Libor, um sich Handelsgewinne zu verschaffen, sie verkaufte Kommunen wie Hagen, Neuss, Würzburg oder Pforzheim teure Wettgeschäfte, an denen sie kräftig verdiente, und die Städte Millionen verloren. Sie half reichen Kunden Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen zu gründen, damit sie Steuern sparen können, wie die Panama Papers zeigten. Sie soll bei den umstrittenen "Cum-Ex-Geschäften" tätig gewesen sein, bei denen mit dubiosen Steuerrückerstattungen der Staat um Milliarden geprellt wurde. Sie soll Geld aus Russland gewaschen und US-Präsident Donald Trump dubiose Kredite vermitteln haben, und sie war einer der führenden Kräfte der Finanzkrise wie ein Untersuchungsausschuss des US-Senats feststellte, betrieb windige Hypothekendeals, die zum Kollaps des US-Häusermarkts beitrugen. Am Ende verloren 1,4 Millionen US-Familien durch die anschließenden Zwangsvollstreckungen ihre Häuser. Alles wegen der Deutschen Bank.
Die Stimmung bei der "Deutschen" schlug um
Frank Maier spürte, wie die Finanzkrise die Stimmung in der Bank veränderte. Zuerst merkte er es an den Anzeigen bei den internen Stellen-Besetzungen. Plötzlich wurden keine Wertpapier-Spezialisten oder Analysten mehr gesucht, sondern Leute mit Rechts- und Ethik-Kenntnissen, Fachleute, die sich mehr mit Gesetzen als mit Geschäften auskannten. Seine Arbeit änderte sich auch. Er betreute damals Privatkunden, Leute, die über ein Vermögen von 100 Millionen, 200 Millionen oder noch mehr Geld verfügen, Menschen, denen er erklärte, wie sie spezielle Gesellschaften gründeten, um ihr Geld vor dem Staat zu schützen.
Als dann die ersten Skandale öffentlich wurden, musste er viele Fragen beantworten. Was denn die Bank gemacht habe, und was noch kommen werde. Die Reichen waren nicht besonders überrascht vom Treiben, sie wussten, dass die Bank bei der Suche nach Rendite auch halb legale Wege gehen musste, aber lästig waren die Schlagzeilen schon.
Maier störten nicht nur die Fragen der Kunden. Ihn nervten auch die vielen Auflagen der Bankenaufseher, die immer mehr Vorschriften entwarfen. Dass sich nach der Finanzkrise die Regeln verschärften, konnte er verstehen, aber den der Aufwand an Dokumentieren und Kontrollieren hielt er für übertrieben.
Razzien, Verluste und Gerichtsprozesse bei der Deutschen Bank
Und wie richtete sich die Bank auf die Zeit ein? Den digitalen Wandel ignorierte das Haus lange, veränderte kaum die Arbeitsabläufe, kümmerte sich wenig um neue Geschäfte. Stattdessen glaubten die Chefs weiter ans Investmentbanking, anders als Mitbewerber wie die UBS, die diese Geschäfte weitgehend zusammenstrich. In Frankfurt hofften sie, dass die Vergangenheit eines schönen Tages zurückkehren würde und sie dann ganz vorn mitmischen könnten.
Doch die Vergangenheit kam nicht zurück. Was kam, waren Gerichtsprozesse, Milliardenstrafen, Razzien, Anklagen und Milliardenverluste. Irgendwann glaubte Maier nicht mehr, dass seine Bank den Wandel schaffen würde. Er verließ sie, sitzt irgendwo in der norddeutschen Provinz und ist anderweitig in der Finanzbranche tätig, trifft sich ab und an mit ehemaligen Kollegen. Sie sagen oft zu ihm: "Du hast es richtig gemacht."