Noch ist das markante Gesicht von Nils Glagau eher unbekannt, doch das dürfte sich bald ändern. Ab September ist der 43-Jährige in der neuen Staffel der Gründershow "Die Höhle der Löwen" zu sehen - als Investor, nicht als Kandidat. Glagau ist Chef von Orthomol, einer Firma für Nahrungsergänzungsmittel, deren Pillen, Drinks und Pülverchen in fast jeder Apotheke zu kaufen sind. Der Umsatz von Orthomol hat jüngst die Marke von 100 Millionen Euro durchbrochen.
Zum Interview in der Konzernzentrale im rheinischen Langenfeld empfängt Glagau in einem fensterlosen Besprechungsraum, dessen schräge Wände und Türen dem Inneren einer Pyramide nachempfunden sind. Eine Reminiszenz an die Vergangenheit des Unternehmers.
Herr Glagau, in der "Höhle der Löwen" gibt es Jungunternehmer, die haben schon mit Mitte 20 ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen, ihre eigene Firma am Start und sind voll in der Businesswelt zu Hause. Wie waren Sie in dem Alter drauf?
Nach der Schule habe ich mit 19 erst einmal Zivildienst geleistet, Ethnologie studiert, mich fürArchäologie interessiert und an Ausgrabungen und Feldforschung in Mittelamerika und Nepal teilgenommen. Ich hatte da tolle Professoren, die es mir ermöglicht haben, nicht nur aus Büchern zu lernen. Dass ich mal Investor in einer Gründershow sein würde, war jedenfalls nicht abzusehen.
Nicht der klassische Karriereweg für einen Unternehmersohn. Ihr Vater Kristian Glagau hatte zu dem Zeitpunkt bereits Orthomol gegründet und verkaufte erfolgreich Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diäten.
Als Orthomol gegründet wurde, war ich noch in der Schule und die ging vor. Wir haben alle mit angepackt und ich habe die Tücken und Hürden einer Gründung aus dieser Perspektive miterlebt. Später habe ich auch ins Unternehmen reingeschnuppert, im Innen- wie im Außendienst. Aber ich habe mich eben mehr für fremde Kulturen interessiert: die Maya, tibetischen Buddhismus… Über einen Lama, den ich in Deutschland kennengelernt habe, bekam ich sogar die Möglichkeit eine zeitlang in einem tibetischen Kloster zu leben. Es gibt immer die Leute, die sagen: Du musst BWL studieren oder Jura oder Lehramt, das ist eine sichere Zukunft. Und ich habe dann immer gesagt: Wer weiß, wie die Welt in vier Jahren aussieht.
Auch nach dem Studium kam es Ihnen nicht in den Sinn ins Unternehmen des Vaters einzusteigen?
Nach dem Studium habe ich einen kleinen VW-Bus vollgestopft und bin mit dem Schiff nach Mexiko übergesetzt. Da bin ich viele Monate unterwegs gewesen, um richtig einzutauchen in das Land. Wieder zu Hause habe ich zunächst im Innen- und Außendienst von Orthomol mitgearbeitet. Dann aber habe ich die Kultur Mittelamerikas nach Bonn gebracht und ein Restaurant aufgebaut, in dem auch mit Lesungen und Konzerten Mexiko erlebbar war.

Bis plötzlich Ihr Vater an einer Lungenembolie starb.
Mein Papa ist 2009 sehr unerwartet gestorben. Er war topfit, urplötzlich war er weg. Dann hat sich die Familie zusammengesetzt und überlegt, wie es weitergeht. Und entschieden, Orthomol als Familienunternehmen weiterzuführen.
Wie war das Verhältnis zu Ihrem Vater? Wären Sie auch in die Firma eingestiegen, wenn der Vater noch gelebt hätte?
Das weiß ich nicht. Er hat das hier toll aufgebaut, alles lief, ich war auf ganz anderen Wegen. Es stand gar nicht so zur Debatte. Und er hätte das im Normalfall ja auch noch viele Jahre gemacht. Aber wir hatten ein super Verhältnis. Wir haben viele Reisen zusammen unternommen, im Dschungel archäologische Stätten besucht, das waren tolle Erlebnisse. Sicherlich waren wir beide Alpha-Tiere, sodass nebeneinander im Unternehmen sicherlich eine positive Reibung entstanden wäre.
Sie waren dann mit 33 Jahren plötzlich Chef von 400 Angestellten, und das auch noch auf dem Stuhl des Vaters. Wie war das?
Das war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte den Vorteil, dass ich das Wachstum der Firma miterlebt habe und viele Menschen kannte, die hier arbeiteten. Das war schon Familie für mich. Da war ich nicht so ganz fremd. Wir haben eine tolle Führungsmannschaft, tolle Mitarbeiter, die haben mich als Greenhorn angenommen. Und ich habe auch nicht mit der Brechstange alles verändert.
Was für eine Art Chef sind Sie?
Ich pflege einen sehr offenen und kooperativen Führungsstil. Ich glaube, dass autoritäres Patriarchentum nicht mehr zeitgemäß ist, weil heute keiner mehr sagen kann: Ich weiß alles. Wir hatten bei Orthomol – im Vergleich zu großen Konzernstrukturen – schon immer sehr flache Hierarchien, waren sehr schnell und flexibel. Eine Wohlfühlatmosphäre für die Mitarbeiter ist mir auch wichtig.
Orthomol verkauft ergänzende bilanzierte Diäten und Nahrungsergänzungsmittel, u. a. für das Immunsystem und die Optimierung der Leistungsfähigkeit. Die Schulmedizin sagt aber: Es gibt keine Belege, dass die orthomolekulare Medizin wirkt. Beruht der Erfolg von Orthomol letztlich vor allem auf gutem Marketing?
Ich sage immer: Wer heilt, hat Recht. Die Schulmediziner können noch so oft sagen: Homöopathie ist Blödsinn, Akupunktur ist Blödsinn. Wenn einer mit jahrtausendealter chinesischer Medizin Erfolge feiert, muss man das respektieren. Zur orthomolekularen Medizin kann ich sagen: Wir haben über 27 Jahre zigtausend Studien gesammelt und auch selber doppelblind placebokontrollierte Studien durchgeführt, mit überzeugenden Ergebnissen.
Der medizinische Mainstream ist anderer Meinung. Dennoch verkaufen Sie spezielle Präparate für Schwangere, für Sportler oder gegen Augenleiden. Für jeden scheint es ein passendes Mittel zu geben.
Es stimmt ja auch. Eine Schwangere braucht Folsäure, ein Sportler Elektrolyte, und die altersbedingte Makuladegeneration der Netzhaut lässt sich mit ausgewählten Mikronährstoffen verlangsamen. Aus meiner Sicht ist das wissenschaftlich belegt, aber ich verstehe auch alle, die sagen, ich glaube da nicht dran.
Sie sagen, mit Orthomol-Produkten kann man Defizite in der Ernährung ausgleichen. Es gibt aber Experten, die halten Vitaminpillen sogar für schädlich. Die Verbraucherzentrale Hamburg etwa hat im vergangenen Jahr scharfe Kritik an zwei Kinderprodukten von Orthomol geübt, die zu viel Zink beziehungsweise Vitamin A+E, Kupfer und Mangan enthalten sollen.
Ich kenne keine Studie, die besagt, dass Vitamine irgendjemandem Schaden zugefügt haben. Klar, wenn ich einen Mikronährstoff nehme und den über Monate richtig hoch dosiere, ist das nicht zu empfehlen. Aber wenn man ein richtig kombiniertes und wohldosiertes Produkt hat, kann keine Überdosierung entstehen. Kinder sind sicherlich besonders sensibel und da passen wir noch mehr auf. Unsere Philosophie ist: Gib genau in der richtigen Lebenssituation die richtigen Nährstoffe.
Wie ist das denn bei Ihnen selbst? Sie wirken fit und gesund, nehmen Sie trotzdem Ihre Produkte
Natürlich. Ich habe ja auch zwei Kinder, die bringen gerne Krankheiten aus Kindergarten und Schule mit. Und ich möchte gerne mein Immunsystem so unterstützen, dass ich nicht so schnell krank werde oder wenn ich krank werde, dass es mich nicht komplett ausschaltet und ich flachliege.
Sie verkaufen Ihre Produkte nur in Apotheken. Warum stehen sie nicht auch im Drogerie- oder Supermarkt? Dort dürften Sie die ja auch verkaufen.
Weil sie erklärungsbedürftig sind. Apotheker und Ärzte sollen die Kunden beraten. Es ist ein Premium-Produkt und keine einfache Brausetablette, die ich im Supermarkt kaufen kann. Wir achten sehr auf die Qualität der Rohstoffe und Produktion. Das hat seinen Preis.
Wie sind Sie als Investor bei "Die Höhle der Löwen" gelandet?
Es gab eine Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte, da mitzumachen. Erstmal war ich gar nicht Feuer und Flamme, weil ich auch Respekt habe, was sich privat für mich verändern wird, wenn ich aus dem Fernsehen bekannt bin. Ich gehe gerne einkaufen, ich gehe gerne auf Konzerte, ich gehe gerne raus. Ich habe mir das lange überlegt und dann gesagt: Das passt. Wir wollen vermehrt Gründer und Start-ups begleiten. Es ist ein seriöses Format, es macht Spaß. Und wenn ich merke, das passt alles nicht, ziehe ich die Reißleine und bin raus und ein paar Monate später wieder in Vergessenheit geraten.
Was für Start-ups suchen Sie in der Löwenhöhle?
Ich stehe als Familienunternehmer für nachhaltigen und langfristigen Markenaufbau, wie das im Food-Bereich zum Beispiel Frank Thelen seit Jahren macht. Sicherlich gibt es Themen, von denen ich keine Ahnung habe, aber das muss nicht heißen, dass man da nicht zusammenkommt. Ich sitze da nicht als Mikronährstoffspezialist und warte auf ähnliche Produkte…
Von denen es in der Vergangenheit ja durchaus schon einige gab.
… und selbst wenn da welche kommen, heißt das nicht, dass man als Spezialist unbedingt dort einsteigen muss. Aber sicherlich bringe ich Erfahrung mit aus den Bereichen Ernährung, Ernährungsmedizin, Food, Bewegung, Sport. Das sind Themen, wo wir gute Netzwerke haben.
Was interessiert Sie privat? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Alles, was mit Ballsport zu tun hat. Tennis habe ich schon früh viel gespielt. Aber auch an Basketball, Volleyball, Tischtennis, Squash, Badminton, Fußball habe ich Spaß. Wenn ein Bällchen im Spiel ist, da laufe ich lieber hinterher als wenn kein Bällchen im Spiel ist.