Für manch einen waren offenbar schon die Fragen eine Zumutung. Nein, diesen "Gender-Wahnsinn" mache man nicht mit. Ist doch alles "Gendergaga" und "Gängelung". Er könne "das Thema nicht mehr hören", sagte ein anderer, und das seien doch alles "keine wirklichen Probleme".
Dabei wollten die Bertelsmann-Stiftung und die Uni Witten/Herdecke mit ihrer Umfrage doch nur herausfinden, wie es in Unternehmen aussieht bei Themen rund um die Gleichstellung der Geschlechter. Bei Diskriminierung, Aufstiegschancen oder Bezahlung. Gefragt war dabei die Sicht von 1026 Führungskräften, je zur Hälfte männlich und weiblich. Und dass Extrem-Genervt-Äußerungen wie die oben genannten vor allem von Männern stammten, versteht sich fast von selbst.
Zum Ober-Zankapfel Gendersprache gab es nur eine einzige Frage: Gibt es im Unternehmen "verbindliche Regeln zum Gebrauch einer gendergerechten Sprache"? 40 Prozent der befragten Führungskräfte bejahten dies, 42 Prozent verneinten. Der Rest antwortete mit "teils/teils".
Chefs und Chefinnen erstaunlich einig
Überraschend an den Ergebnissen ist insgesamt, dass sich abgesehen von einzelnen verbalen Ausfällen Führungskräfte beiderlei Geschlechts erstaunlich einig sind: Große Probleme in Sachen Gender-Gerechtigkeit sehen beide mehrheitlich nicht. Anders als erwartet erlebten weibliche Führungskräfte die Zustände in ihrem jeweiligen Unternehmen nicht negativer als männliche, schreiben die Autoren der Studie. Es gebe "keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Antworten männlicher und weiblicher Führungskräfte".
Gibt es also gar keine Gender-Probleme im Job? Oder fehlt es männlichen wie weiblichen Chefs schlicht gleichermaßen an Problembewusstsein?
Die Zahlen lassen da Interpretationsspielraum. So erklären 74 Prozent der Befragten, dass es in ihrem Unternehmen keinen Unterschied mache, ob eine Führungskraft männlich oder weiblich sei. 82 Prozent erleben "in meinem eigenen Bereich keine Geschlechterkonflikte". Und 70 Prozent sagen, dass bei "Neueinstellungen oder Beförderungen Diskriminierung effektiv verhindert" wird.
Gehaltsreport: In diesen Berufen verdient man am meisten

Berufe z.B.: Fachkraft Lagerlogistik (31.200 Euro), Lkw-Fahrer*in (32.200 Euro), Speditionskaufleute (37.900 Euro), Einkäufer*in (45.300 Euro)
Gleichstellung "kein Selbstläufer"
Alles satte Mehrheiten, aber ist das gut genug? Denn im Umkehrschluss sagen eben auch 30 Prozent, dass Diskriminierung bei Einstellungen und Beförderungen zumindest teilweise doch passiert. Und wenn 82,5 Prozent angeben, dass gegen sexuelle Belästigung im Unternehmen konsequent vorgegangen wird – soll man akzeptieren, dass es in den übrigen nicht so ist? "Ein Kollege schaut mir immer auf die Brust und von der Leitung wird das geduldet", schreibt etwa eine Befragte. Und eine Geschäftsführerin hält fest, dass "bewusster Sexismus häufig an der Tagesordnung" sei.
Das Fazit von Studienleiter Guido Möllering, Professor an der Universität Witten/Herdecke, fällt durchaus kritisch aus: Auch wenn die Mehrheit der männlichen wie weiblichen Führungskräfte den Eindruck habe, dass es in ihrem eigenen Unternehmen kaum Probleme gebe, sei Gleichstellung "kein Selbstläufer". "Das Problembewusstsein ist gering und es gilt, sowohl Gängelung als auch Gleichgültigkeit zu vermeiden", sagt Möllering.
Auch Martin Spilker von der Bertelsmann-Stiftung sieht eine kritische Diskrepanz zwischen den Antworten der Führungskräfte und der öffentlichen Debatte über Missstände. "Wenn Führungskräfte entgegen der weitläufigen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit die Situation in ihren Organisationen positiv sehen, braucht es einen Reality-Check, um Transparenz herzustellen", sagt Spilker. Die Zustände in Unternehmen seien zu hinterfragen.
Gehalt und Frauenquoten
Zum Dauerbrenner der Gerechtigkeitsdebatte ist das Thema Gehalt geworden. Von den befragten Führungskräften erklären 77 Prozent, in ihrem Unternehmen herrsche das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit unabhängig vom Geschlecht". 14 Prozent sehen dies teilweise erfüllt und 9 Prozent eher oder gar nicht. Das Statistische Bundesamt sagt dazu: Auch bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation verdienen Frauen im Schnitt sechs Prozent weniger (sogenannter bereinigter Gender Pay Gap).
In einem anderen Punkt gibt es ebenfalls noch Luft nach oben. Obwohl zahlreiche Studien die Vorteile diverser Teams betonen, manifestiert sich diese Erkenntnis in der Business-Welt offenbar nur zögerlich. Nicht einmal jede zweite Führungskraft gibt an, im Unternehmen werde "bewusst darauf geachtet, Teams geschlechter-gemischt zu besetzen".
Gespalten blicken die Befragten zudem auf die öffentliche Diskussion über Frauenquoten. Während knapp 40 Prozent diese mit Blick auf das Thema Gleichstellung im eigenen Haus für förderlich halten, halten 35 Prozent schon die Diskussion für nicht förderlich. Befragt wurden Führungskräfte aller Ebenen in kleinen, mittleren und großen Unternehmen.