Aus Arbeitslosen werden Kunden und Arbeitsämter in Job-Center umgewandelt. Die Macher der Hartz-Reform begleiteten ihr Jahrhundertwerk mit einer Vielzahl neuer Wortschöpfungen. Ausbildungszeitwertpapiere (AZWP), Personal-Service-Agenturen (PSA) und Job-Floater wurden kreiert. VW-Manager Peter Hartz rief alle „Profis der Nation" auf, einen Masterplan gegen die Arbeitslosigkeit zu entwickeln. Viele dieser Begriffe sind nach zwei Jahren Hartz-Reform in der Versenkung verschwunden. In aller Munde geblieben ist dagegen die Ich-AG, zumal ihr 2002 der zweifelhafte Ruhm vom Unwort des Jahres zukam.
Änderungen an Hartz IV betreffen auch Ich-AGs
Die Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement abgerungenen Änderungen an den Arbeitsmarktreformen betreffen auch die Ich-AGs. Allerdings sind diese Neuerungen ganz im Sinne des Ministeriums und der Bundesagentur für Arbeit. Mit schärferen Gesetzen wollen sie Missbrauch bei dem bislang unbürokratischen und einfachen Schritt in die Selbstständigkeit verhindern. Die Hürden für die Gründung dieser Kleinstunternehmen sollen höher gelegt werden. Denn für eine wohl nicht geringe Zahl von Arbeitslosen stellt die Ich-AG eine Möglichkeit dar, um ihre Ersparnisse zu schützen und sich bohrenden Nachfragen der Fallmanager in den Ämtern zu entziehen.
Während bei der Beantragung des neuen Arbeitslosengeldes II Fragen zum Einkommen des Lebenspartners, über "angemessenen Wohnraum" und Wertgegenstände wie Schmuck oder eine kostbare Briefmarkensammlung beantwortet werden müssen, genügte bislang bei der Ich-AG eine Idee.
Schon jetzt hat die Zahl der neu gegründeten Ein-Personen-Unternehmen einen Rekordstand erreicht. Im Juli waren mehr als 180.000 dieser Kleinstunternehmen gemeldet. Im ersten Jahr erhält ein Ich-AG-Gründer 600 Euro monatlichen Zuschuss, im zweiten Jahr verringert sich dieser auf 360 Euro. Doch immer noch sind diese Fördermittel attraktiver als das Arbeitslosengeld II von 345 Euro (im Westen) oder 331 (im Osten) für Singles. Für viele Arbeitslose hat deshalb die Ich-AG ein legales Schlupfloch geboten.
Arbeitslose müssen Geschäftsidee vorlegen
Was genau der Gesetzgeber bei der Ich-AG ändern will, ist noch nicht klar. Die Abstimmung der Änderungen ist noch nicht abgeschlossen, erklärt eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit. Dennoch rechnet die Behörde damit, dass die künftigen Selbstständigen ihre Geschäftsidee schriftlich begründen und eine Stellungnahme von Experten - etwa von Berufsverbänden oder örtlichen Kammern - einholen müssen. In einem Finanzierungsplan muss sich der Arbeitslose Gedanken über benötigtes Kapital und beabsichtigte Neuanschaffungen machen. Außerdem muss aller Voraussicht nach der Behörde ein Rentabilitätsplan vorgelegt werden. "Wir wollen sehen, ob die Selbstständigen es wirklich ernst meinen", sagt die Behördensprecherin.
Nicht nachvollziehen kann Marion Drösler vom Bundesvorstand der Arbeitslosenverbände die Missbrauchsvorwürfe. "Das ist kein wirklich reeller Weg, um aus der Arbeitslosenhilfe rauszukommen", meint sie. Die Menschen müssten ja ihre Lebenshaltungskosten erwirtschaften und sich selbst versichern. Als "Panikmache" zum Nachteil der Arbeitslosen wiest sie deshalb die beabsichtigten Änderungen zurück.
Auch beim Blick in die diversen Chats, in denen sich Arbeitslose gegenseitig Tipps geben, wird schnell klar, dass eine Ich-AG für viele keinen wirklichen Ausweg darstellt. So wird im Forum von tacheles-sozialhilfe.de vorgerechnet, dass nach Abzügen aller Versicherungen und Beiträge für die Kammern rund 60 Euro übrig bleiben. "Und wenn man nicht vom ersten Tag an zahlungskräftige Kunden hat, ist die Pleite beschlossene Sache", schreibt ein Chat-Teilnehmer.
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/