Im stern-Podcast "Die Boss – Macht ist weiblich" sprechen Spitzenfrauen unter sich: Gastgeberin ist die Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne (unter anderem BMW, Deutsche Post DHL, Henkel). Sie trifft Chefinnen aus allen Gesellschaftsbereichen, um mit ihnen über ihr Leben und ihre Karriere zu reden. Am 13. Oktober startet die dritte Staffel, los geht es mit einer Folge über Frauen in der Gründerszene mit der Unternehmerin und Autorin Verena Pausder. Außerdem können sich die Hörer:innen auf spannende Gespräche unter anderem mit der slowenischen Sterneköchin Ana Roš, der Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley oder der Europachefin von Facebook, Angelika Gifford, freuen.
Zum Start der dritten Staffel haben wir Simone Menne nach ihren besten Karrieretipps für Frauen gefragt.
Frau Menne, wann wird aus einem einfachen Berufsweg eine Karriere?
Wenn man eine Position bekleidet, über die man Einfluss nehmen kann. Darin besteht der Reiz: Dass man wirklich etwas bewegen kann, hoffentlich zum Besseren. Ich denke, etwa zehn Prozent aller Arbeitenden gelingt dies.
Zu welchem Zeitpunkt im Leben sollte man sich entscheiden, eine Karriere anzustreben?
Viele Menschen, die Karriere machen, waren in Schulzeiten Mannschaftskapitän oder Klassensprecherin. Das heißt nicht, dass man in den ersten Jahren sagt, ich möchte Vorständin werden. Man kann auch Karriere machen, indem man eher wissenschaftlich arbeitet. Das ist eine spätere Weichenstellung, nachdem man sich schon etwas ausprobiert hat: Liegen mir mehr die Führung und das Generalistische, wenn ich nichts selber am besten, aber gut Mitarbeiter führen kann? Oder bin ich mehr die Forscherin, die Einfluss nehmen will durch meine Stimme und meine Bücher? Das ist auch eine Karriere.
Bemisst sich Karriere auch am Gehalt?
Ich würde nicht sagen, dass ich eine größere Karriere gemacht habe als Angela Merkel, obwohl ich vermutlich irgendwann einmal mehr Geld verdient habe als sie. Wenn ich meine Karriere über den Einfluss definiere, den ich habe, dann kann ich etwa als NGO-Managerin oder als Politikerin eher eine Karriere machen als eine Vorständin in einem Unternehmen, das enorm viel Gehalt bezahlt, die aber verhältnismäßig wenig Einfluss nimmt.
Wie lange dauert eine gute Karriere?
Es gibt die kurzen Karrieren, etwa bei manchen Gründerinnen: Sie haben ein Unternehmen gegründet und es verkauft und entscheiden dann, dass sie nicht weitermachen. Es gibt aber auch Karrieren, die über viele Jahre anhalten. Und es gibt die Karriere nach der Karriere: Ich war mal Vorständin, aber jetzt mache ich einen Podcast und bin Präsidentin der American Chamber of Commerce.
Was sollte eine Frau unbedingt wissen, die eine Karriere im Management oder als Gründerin anstrebt?
Ich finde das Schwierigste die Fremdbestimmung. Dass man einen Kalender hat, der maßgeblich von vielen anderen gefüllt wird. Da muss man sehr klar und deutlich die eigenen Prioritäten durchboxen. Eine weitere Sache ist sicher, dass man oftmals auch Häme aushalten muss, intern wie extern. Und die dummen Sprüche, die kommen, wenn es etwa heißt: "Für eine Mutter und Managerin sind Sie aber sehr schlank." Solche Sätze sind grenzwertig sexistisch. Da muss auch austeilen und zurückhauen können, das ist Teil des Spiels.
Wie lernt man dieses Zurückhauen?
Mädchen lernen das in ihrer Kindheit weniger. Mädchen spielen schon sehr früh Kommunikationsspiele: Wir gehen zusammen in die Schule, oder wir machen einen Einkaufsladen. Wohingegen Jungs sich vielmehr mit Kampfspielen beschäftigen: Wer ist der Stärkste, der Beste, der Schnellste? Im Anfang der Karriere helfen Kommunikation und Teamfähigkeit, aber ab einer bestimmten Hierarchieposition kippt das: Ab dann müssen Sie kämpfen. Das fällt Frauen häufig schwerer.
Nur 15 Prozent in der Gründerszene sind Frauen. Doch Frauen, die gründen, sind erfolgreicher als Männer. Wie erklären Sie das?
Frauen sind vorsichtiger und nachhaltiger. Sie gehen nicht so riskant mit dem Geld um, sie sind keine "player". Man sagt ja, Lehman Sisters hätte es nicht gegeben. Deswegen sind Männer auch wichtig in Teams, weil sie sagen: Das Risiko gehen wir jetzt ein! Frauen sagen eher: Wir sollten da aufpassen. Diese Diversität ist gut.
Was ist besser für eine Karriere: Drängeln oder Geduld?
Drängeln. Man darf nicht darauf warten, dass man entdeckt wird. Man muss einen langen Atem haben, darf dabei aber nicht passiv bleiben. Doch Frauen, die drängeln, passen nicht so ins Bild und wirken eher nervig. Das ist ein Balanceakt.
Härte zeigen oder nachgiebig bleiben?
Sie kommen ohne Härte nicht durch. Sie müssen immer Entscheidungen treffen, die anderen weh tun. Gerade wenn Sie oben sind, kommen überwiegend Entscheidungen zu Ihnen, die irgend jemandem weh tun und zwischen zwei Parteien zu treffen sind. Wenn Sie dann versuchen, nachgiebig zu sein, werden Sie wahrscheinlich beide Parteien enttäuschen. Beiden Seiten sind sie nicht klar genug. Beide fragen sich, woran sie sind. Nachgiebigkeit im Sinne von Rumeiern ist ganz schlecht.
Bedeutet Härte auch Kälte?
Sie können Härte zeigen und dabei trotzdem empathisch sein. Ich musste bei der Lufthansa mehrfach Standorte schließen und habe dabei immer gefühlt, dass es den Betroffenen schlecht geht. Und dass ich ihnen etwas antue. Wenn Sie harte Entscheidungen treffen und dabei emphatisch sind, können Sie sagen: Was können wir jetzt trotz allem tun, um die Härte abzufangen? Wie können wir soziale Unfairness mildern? Wie kann ich bei Arbeitsplatzverlust eine Übergangsphase gestalten? Empathie ist auch, wenn Sie sehen, dass es einem Mitarbeiter gerade nicht gut geht, und ihm anbieten, jetzt mal einen Schritt zurückzugehen, und ihn nicht zu sehr zu fordern, denn es bringt uns beide in dem Moment nicht voran.
Wie bilden Frauen Netzwerke, auch firmenübergreifend?
Es gibt mittlerweile Netzwerke für unterschiedliche Spezies. Wer danach googelt, findet sie. Etwa Digital Global Women. Oder das Team Nushu. Es gibt auch Netzwerke für Steuerfachfrauen. Und für European Business Women. Es gibt den Verband Deutscher Unternehmerinnen. Man muss für sich selbst überlegen, was will ich mit dem Netzwerk? Will ich mit seiner Hilfe berufliche Fragen klären, etwa als Vorständin unter anderen Vorständinnen? Und wenn es darum geht, wie bringe ich Familie und Karriere zusammen, dann gehen Sie zu Working Moms. Es reicht nicht zu sagen, ich möchte mich mit anderen Frauen unterhalten und Prosecco trinken.
Wie sinnvoll sind Dienste wie LinkedIn?
Ich habe gerade Frauen mit Exotenfächern empfohlen, auf LinkedIn zu veröffentlichen. Dadurch bekommen sie Sichtbarkeit. Und dann kommen tatsächlich Headhunter. Wer etwa in der Pharmaindustrie ist und sich fürs Digitale interessiert, sucht sich die Gruppe "Digital Health". Dann schreiben Sie da mal einen Artikel. Oder kommentieren einen anderen Artikel. Man kann sich auf diese Weise eine Reputation erarbeiten.
Wie regelmäßig sollte man um eine Gehaltserhöhung verhandeln?
Wenn die Stelle gleichgeblieben ist, würde ich erst nach drei Jahren fragen. Wenn man etwas dazubekommen hat, sollten Sie sofort fragen. Ebenso wenn eine Frau herausfindet, dass ein männlicher Kollege in der gleichen Position mehr verdient. Außerdem: Lancieren Sie mal eine Bewerbung, selbst wenn Sie gar nicht wechseln wollen. So finden Sie etwas über Ihren Marktwert heraus. Tatsache aber ist: Frauen fragen viel zu selten! Ich habe in meinem Leben nie um eine Gehaltserhöhung gebeten, und das war natürlich blöd.
Wie steht Deutschland beim Thema "Frauen in Führungspositionen" da?
Nicht besonders gut. In den USA liegt die Quote bei 28 Prozent, kurz dahinter kommt Schweden. Dort ist die „dual carrier“ völlig normal. Die Schweden haben es gemacht, weil sie mit Fachkräftemangel zu tun hatten. Da haben sie unter anderem das Ehegattensplitting abgeschafft und Betreuungsplätze angeboten, und so ist es zur absoluten Normalität geworden, dass beide arbeiten. Deutschland steht in dieser Statistik weit hinten, zum Beispiel auch hinter Polen.
Wann ist im Beruf der beste Moment gekommen, etwas Neues zu beginnen?
Wenn Sie sich wohlfühlen. Wenn Sie sagen, gerade läuft alles gut, dann werden Sie bequem. Dann sollten Sie gehen. Auf keinen Fall sollte man zu früh gehen. Man muss so lange bleiben, bis man sieht, ob das, was man angestoßen hat, erfolgreich ist – oder auch nicht. Man kann aber auch bleiben und sich verändern: Ich war 27 Jahre bei der Lufthansa, habe aber viele unterschiedliche Sachen gemacht. Das ist manchmal sogar recht schlau: Man bleibt im selben Unternehmen, hat dort ein Netzwerk und kennt Menschen und kann sich trotzdem neu ausprobieren.
"Die Boss" erscheint vierzehntäglich immer mittwochs auf stern.de und dem Youtube-Kanal des stern sowie auf Audio Now und allen gängigen Podcast-Plattformen.