Leichter Kakaoduft durchzieht die Plantage. Die Füße rascheln beim Gehen durch eine dicke Laubschicht. Darunter der knochentrockene, harte Boden der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) in Westafrika. Säckeweise produziert Bauer Sougue Moussa hier Kakaobohnen für die Schokoladenkonzerne der Welt. Allein der Kakao in Deutschland kommt zu zwei Dritteln aus der Elfenbeinküste. Immer wieder schrecken Berichte über Kinderarbeit und Abholzung auf Afrikas Kakaoplantagen Verbraucherinnen und Verbraucher auf. Jetzt soll das deutsche Lieferkettengesetz gegen Missstände helfen - ist es ein wirksames Regelwerk oder ein zahnloser Papiertiger?
Knapp zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes machen sich Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) in der Elfenbeinküste und Ghana ein Bild. Hat man hier deutsche Gesetze überhaupt auf dem Schirm? Beide Länder liefern 65 Prozent des Kakaos weltweit – doch viele Menschen leben in "bitterer Armut", wie Heil sagt.
Kinderarbeit auf Kakao-Plantagen
Der Hauptgrund: "Der Preis im Markt ist viel zu niedrig", erklärt der deutsche Entwicklungsexperte Friedel Hütz-Adams vom Bonner Südwind-Institut zitiert die Deutsche Presse-Agentur. In den vergangenen Jahren habe sich der Kakaopreis etwa halbiert. Dabei gingen die Kosten für Benzin und Düngemittel auch in Westafrika teils steil nach oben. Allein in Ghana kam es laut einer neuen Oxfam-Studie zu einem Rückgang der Einkommen um mehr als 16 Prozent zwischen der Erntesaison 2019/20 und 2021/22 – trotz von der Regierung auferlegten Preiserhöhungen.
Jeweils rund 800.000 Kinder verrichten nach offiziell verbreiteten Zahlen in der Elfenbeinküste und in Ghana auf den Kakaoplantagen schwere Arbeit. Denn ihre Eltern können sich keine Beschäftigten für die harte Arbeit leisten. Die Kinder schuften mit der Machete, versprühen Pestizide oder tragen schweren Lasten.
Sougue Moussa zieht seine vier Kinder nicht zur Arbeit auf dem Feld heran, wie der 50-Jährige erzählt. Zwischen seinen Kakaobäumen strecken sich Bananen-, Orangen-, Mango- und Kautschuk-Bäume der grellen Sonne entgegen. Das verhilft Moussa zu zusätzlichem Einkommen und schützt die Kakaobäume, die Halbschatten mögen. Moussas ältester Sohn studiert sogar. Soll der Sohn einmal die Plantage übernehmen? "Solange die Preise nicht besser sind, kommt das nicht infrage", winkt Moussa ab. Der Sohn wolle auf jeden Fall etwas anderes machen und wohl Arzt werden.
Zu wenig Lohn und zu viel Umweltzerstörung – was bringt das Lieferkettengesetz?
Die Regierungen verschweigen die Probleme vor Ort nicht. "Die Bauern verdienen oft nicht genug", sagt Ghanas Handelsminister Samuel Abu Jinapor. Zwar ringen die Elfenbeinküste und Ghana mit den großen internationalen Händlern regelmäßig um auskömmliche Preise – doch die Macht der Regierungen gegen die Konzerne ist begrenzt. Das Existenzminimum von umgerechnet gut 400 Euro im Monat erreichen viele Familien nicht.
Auch um die Waldzerstörung reden die Behörden nicht herum. Oberst Moumouni Lougué von der Waldbehörde der Elfenbeinküste sagt: "Unser Wald ist immer weiter zerstört worden." Seit der Unabhängigkeit 1960 wurden rund 80 Prozent des Regenwalds gerodet. 2,5 Millionen Hektar sind übrig. "Das Ziel ist, durch Aufforstung die bewaldete Fläche wieder auf 20 Prozent zu steigern", sagt Lougué.

Kakao darf schon lange nicht auf Kosten des natürlichen Waldes produziert werden. Und Kinderarbeit ist in den Ländern auch längst verboten. Doch sie kommt trotzdem vor. Was sollen da nun die neuen Gesetze aus Europa bringen? Das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten, dass keine Kinderarbeit oder gravierende Umweltverstöße hinter ihren Produkten stecken. 2024 sinkt die Schwelle auf 1000 Beschäftigte. Die Firmen sollen Berichte dazu erstellen und Missstände abstellen. Auf EU-Ebene wird derzeit ein wohl noch strengeres Lieferkettengesetz erarbeitet. Dazu kommt eine geplante EU-Verordnung, die wohl ab 2024 Importe aus frisch entwaldeten Gebieten verbieten soll.
Doch wie soll das alles kontrolliert werden – zum Beispiel im mehr als 6000 Kilometer von Deutschland entfernten Agboville im ivorischen Wald? Die Regierung der Elfenbeinküste setzt dabei auf Digitalisierung, wie Schulze und Heil nicht ohne Verblüffung feststellten.
Kakao-Bauern setzen auf Digitalisierung
Der Bauer Sougue Moussa hat schon eine entsprechende Plastikkarte. Stolz hält er sie in die schwüle Luft. Sie sieht aus wie eine EC-Karte, hat Chip, Daten und QR-Code. "Bis zum Ende der Erntesaison 2023/24 wollen wir sämtliche Erzeuger mit einer Karte ausstatten", verspricht Dadie Arsène von der Kakao-Kontrollbehörde. "Wir wissen dann genau, von welcher Parzelle welche Kakaosäcke kommen." Dann soll geprüft werden können, ob die Anforderungen in der Lieferkette eingehalten werden. Über die Karte sollen die Bäuerinnen und Bauern auch bezahlt werden können.
Der Bonner Experte Hütz-Adams sieht im Lieferkettengesetz und den geplanten EU-Regeln einen Grund zur Hoffnung. "Im Kakaosektor werden die Gesetze erhebliche Auswirkungen haben", sagt er. "Das erzeugt sehr viel Druck innerhalb der Kakao- und Schokoladenindustrie." Ein Entwicklungshelfer in Agboville sagt: "Unternehmen müssen fürchten, dass sie im Wettbewerb gegen die Konkurrenz verlieren, wenn sie das nicht ernst nehmen."
Afrika ist kein Synonym für geringe Bildung

Wenn es einen Vorzeigestaat mitten in Afrika gibt, dann ist es Botswana. Seit der Unabhängigkeit 1966 mauserte sich Botswana zum politisch stabilsten und wirtschaftlich erfolgreichsten demokratischen Staat Afrikas, noch vor Südafrika. Die in Afrika verbreitete Korruption ist sehr niedrig, geringer sogar als die von Polen oder Italien. Vom das insbesondere von der Diamantenförderung getragene Bruttoinlandsprodukt werden knapp sieben Prozent in die Bildung investiert. Die Grundschule ist kostenlos, für die weiterführenden Schule werden Gebühren erhoben. Bildung hat für Eltern in Botswana einen großen Stellenwert. Gleichwohl keine Schulpflicht besteht, besuchen fast alle Kinder und Jugendlichen die Schule. Die durchschnittliche Schulbesuchsdauer von neun Jahren ist die höchste Afrikas. Daten der Uno zufolge beträgt die Klassengröße etwa 26 bis 29 Kinder. Zum Vergleich: In Tansania oder Kongo drängen sich rund 70 Kinder in einer Klasse. Von den zahlreichen Colleges, vergleichbar mit den Gymnasialschulen, geht es dann an die Universitäten des Landes. Das Erfolgsgeheimnis des Landes sehen Beobachter vor allem in der gleichmäßigen Wohlstandsverteilung und die gleichmäßige politische Teilhabe alle Volksgruppen. Die drei größten Posten im Haushalt zielen auf das Gemeinwohl: Bildung, Gesundheit gefolgt von Infrastruktur.
Heil räumt ein: "Das Gesetz ist keine Zauberformel für die Schaffung der Menschenrechte in der gesamten Welt." Die Preise dürften erstmal niedrig bleiben. Hütz-Adams sieht hier die Schokoladenhersteller in der Pflicht. Denn bei einer durchschnittlichen Tafel Vollmilchschokolade zum Beispiel zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher nur 8 Cent des Preises für den Kakao. "Und nur 4,5 Cent kommen bei den Bauern an."
Dabei seien die Gewinnmargen im Kakaomarkt in jüngster Zeit massiv gestiegen, sagt der Experte. Laut einer Studie von Agrarökonomen der Universität Arkansas könnten die Bauern ihren Kindern schwere Formen von Kinderarbeit ersparen, wenn der Kakaopreis um 2,8 Prozent höher läge.