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Aktueller IEA-Bericht Internationale Ölmarkt-Wächter rufen Abschied vom Erdölzeitalter aus

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Sehen Sie im Video: Sophie Backsen kämpft gegen den Klimawandel auf Pellworm.




Das Wasser kommt alle sechs Stunden an der nordfriesischen Küste. Schon immer leben die Menschen damit. Der Klimawandel bringt jedoch einen Wandel ins Watt, den auch Sophie Backsen bemerkt: "Was auf jeden Fall super krass ist, dass die Extreme einfach mehr werden. Also so Wetterextreme, die sind einfach mehr geworden in den letzten Jahren. Das hab ja auch sogar ich, die noch relativ jung ist, mitbekommen." Die 22-Jährige kommt von der Insel Pellworm. Seit Jahrhunderten betreibt ihre Familie dort Landwirtschaft. Sophie studiert Agrarwirtschaft in Kiel und plant, auf dem Hof der Eltern einzusteigen. Erderwärmung - steigende Meeresspiegel - Überschwemmung - solche Begriffe bekommen auf Pellworm schnell eine ganz konkrete Bedeutung. "Das ist natürlich ein Heimatverlust für mich. Also Pellworm ist einfach mein Zuhause, meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen, groß geworden. Hier ist unser Betrieb sozusagen. Und das wäre für mich einfach ein riesen Verlust. Also natürlich kann ich dann noch irgendwo anders wohnen, aber im Moment könnte ich mir das halt einfach noch nicht vorstellen, weil das gerade mein Zuhause ist." Auch deshalb gehört Sophie zu der Klägergruppe, die das 2019 von der Bundesregierung verabschiedete Klimagesetz für unzureichend hält - und Ende April vor dem Bundesverfassungsgericht teilweise Recht bekamen - Deutschland muss nachbessern. Für Pellworm und die Halligen an der nordfriesischen Küste hat das durchaus Folgen: Die Inseln liegen - wenn überhaupt - nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Schon heute stehen in der Region die mächtigsten Deiche Deutschland. Einige sind fast neun Meter hoch. Steigende Meeresspiegel können hier zur Existenzfrage werden. Für Sophie und ihre Familie ist der Kampf gegen den Klimawandel jetzt schon ein Kampf um die Heimat. Auch wenn sie selbst das nicht unbedingt so sieht: "Ich würde mich nicht unbedingt als Kämpferin bezeichnen, weil ich also manchmal gar nicht so viel mach. Also ich bin irgendwie nur so ein Beispiel für ganz viele und versuche einfach das Thema, also dem Thema noch mehr Aufmerksamkeit zu bieten und das noch präsenter zu machen überall. Deswegen finde ich das immer, finde ich es immer ein bisschen schwierig, weil ich mich nicht so kämpfen sehe." Was aber bleibt, ist eine allgemeine Verwunderung: "Und dann denkt man sich natürlich manchmal schon so: Ej Leute, das kann doch nicht sein. Ihr könnt das doch nicht so für uns hinterlassen." Auf Pellworm erwartet man bessere Klimaschutz-Maßnahmen der Bundesregierung.

Es ist ein Kurswechsel mit Signalwirkung: Die Internationale Energieagentur, einst gegründet, um die Ölversorgung zu sichern, stellt nun den Klimaschutz in den Mittelpunkt. Die Energie-Experten der OECD fordern auf, keine neuen Öl- und Gasfelder zu erschließen.

Die Internationale Energiebehörde IEA hat in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht eine vollständige Abkehr vom Erdöl- und Gaszeitalter ausgerufen. Um das Netto-Nullemissionsziel bis 2050 zu erreichen, solle es ab sofort keine Investitionen in die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder mehr geben, ebenso nicht in neue Kohlekraftwerke. Der Bericht sieht vor, dass die am wenigsten effizienten Kohlekraftwerke bis 2030 abgeschaltet, und die verbleibenden Kohlekraftwerke, die bis 2040 noch in Betrieb sind, nachgerüstet werden. Es brauche außerdem eine Politik, die den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor bis 2035 beende, schreiben die Fachleute – und zwar weltweit. Das Nullemissionsziel 2050 fußt auf der Vorgabe aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Der Bericht der Energie-Experten der OECD-Staaten sorgt für Aufsehen, da die Agentur noch vor wenigen Jahren Investitionen in Öl- und Gas propagiert hatte, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Nun aber fordert die Organisation, die als Reaktion auf die erste Ölkrise zu Beginn der 1970er-Jahre gegründet wurde, um die Ölversorgung der Industrienationen zu sichern, eine beispiellose Transformation im Energiesektor. Es gebe einen Weg, das Nullemissionsziel bis 2050 zu erreichen, dieser sei aber schmal, so die IEA in ihrem aktuellen Bericht. Die Art und Weise, wie Energie weltweit produziert, transportiert und genutzt wird, müsse sich fundamental ändern. In dem Bericht stellt die Agentur einen Weg vor, wie das ambitionierte Ziel zu erreichen ist.

Abkehr der Agentur von Öl und Gas die "big news"

Die große Nachricht des Tages sei nicht, dass Investitionen in fossile Energieträger nicht mit dem 1,5-Grad-Klimaziel vereinbar seien, twittert etwa Philipp Litz von der Denkfabrik Agora Energiewende. "Die große Nachricht ist, dass die IEA dies heute klar ausgesprochen hat." Die Energieagentur liefere damit Gegnern der Ölindustrie handfeste Argumente; ebenso all jenen, die auf eine entschlossene Neuausrichtung der Energieunternehmen drängen, heißt es unter Beobachtern. 

Die Politik müsse nun auf einen massiven Einsatz aller verfügbaren sauberen und effizienten Energietechnologien setzen und gleichzeitig Innovation global beschleunigen, heißt es in dem IEA-Bericht. Es handele sich bei dieser Transformation um die vielleicht größte Herausforderung, der sich die Menschheit jemals gestellt habe, so IEA-Direktor Fatih Birol laut der Mitteilung zum Bericht. Die Regierungen müssten ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung sauberer Energietechnologien schnell erhöhen und diese in den Mittelpunkt der Energie- und Klimapolitik stellen. Der Übergang müsse auch fair und inklusiv sein.

IEA: 2050 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen

Im Jahr 2050 müsse der Energiesektor weitgehend auf erneuerbaren Energien statt fossilen Brennstoffen beruhen. Zwei Drittel der gesamten Energieversorgung im Jahr 2050 würden aus Wind, Sonne, Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft stammen, schreiben die Expertinnen und Experten. Autos würden hauptsächlich mit Strom betrieben, die Luftfahrt setze weitgehend auf Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe. Das Ziel: "Im Jahr 2050 stammen fast 90 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen (...). Der Rest kommt größtenteils aus der Kernenergie."

mit Material von DPA

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