Der Amazon-Händler Joerch ist stinkesauer. Er "bedankt" sich mit einem Brief bei "Herrn Amazon" für die ermöglichte Teilnahme am Weihnachtsgeschäft. "Ich habe zwar noch einige Artikel im Bestand, die ich eigentlich noch gerne verkaufen würde, allerdings scheinen Sie ein Einsehen mit meinen Mitarbeitern zu haben und erfreuen diese mit dem nachfolgenden Zitat bei jedem unserer Artikel: Lieferung evtl. nach Weihnachten. Dann werden wir halt das Feld Ihren Mitarbeitern überlassen und den Verkauf nach Weihnachten fortsetzen", zitiert das Branchenportal Onlinehaendlernews.de aus dem Händler-Forum von Amazon.
Es ist der Endspurt im Weihnachtsgeschäft. Deutschlands Online-Händler geben noch mal alles, um den Kunden die gekauften Artikel pünktlich unter den Baum zu stellen. Doch offenbar durchkreuzt der Onlineriese Amazon die Pläne der externen Händler auf der eigenen Plattform. Denn seit spätestens Freitag werden Artikel mit dem Hinweis versehen, dass die Ware möglicherweise nicht mehr pünktlich zum Fest geliefert wird. Das Problem: Amazon hat diesen Hinweis nicht mit den Händlern abgesprochen. Diese befürchten: Verunsicherte Kunden würden nun eher bei Amazon direkt bestellen.
Händler sind wichtig für Amazon
Externe Händler sind wichtig für Amazon. Im vergangenen Jahr wurden mehr als zwei Milliarden Produkte von diesen Händlern über den Amazon-Marketplace verkauft - und damit doppelt so viele wie noch ein Jahr zuvor. Die Angebote der Händler machen mehr als 40 Prozent aller Käufe bei Amazon aus. Für den Onlineriesen ist das ein gutes Geschäft. Experten schätzen, dass die Marge, die Amazon durch die Händlergebühren erzielt, höher ist, als wenn der Konzern die Ware selbst anbieten würde, schreiben die Analysten von "Marketplace Analytics". Das Gebührenkonstrukt ist komplex, die Kosten bewegen sich zwischen sieben und 45 Prozent des Verkaufspreises.
Das Portal Onlinehaendlernews.de hält die Annahme einiger Verkäufer, Amazon wolle so die eigenen Verkäufe in den letzten Tagen vor Weihnachten befeuern, für spekulativ. Im Händlerforum glauben einige Verkäufer, dass Amazon durch den Hinweis auch Kundenenttäuschungen vorbeugen wolle. Zwar schwören dort viele Händler, dass sie keinerlei Probleme hätten, pünktlich zu liefern - doch nicht alle können das garantieren. Und sie sehen daher die Warnung von Amazon als Hilfe an.
Streiks bei Amazon
Wenige Tage vor dem Fest macht sich auch bei Last-Minute-Käufern Panik breit - und diese wird durch den Streik bei Amazon bis zum Heiligabend noch befeuert. Seit Jahren streiten sich die Gewerkschaft Verdi und Amazon um den zutreffenden Tarifvertrag. Um den Druck auf den Handelsriesen zu erhöhen, hat Verdi an den Standorten Leipzig und Koblenz zum Streik aufgerufen.
Kommen Geschenke pünktlich an?
Dass deshalb aber Geschenke im Paketlager stecken bleiben und nicht rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft ausgeliefert werden, ist unwahrscheinlich. Nur wenige hundert Mitarbeiter haben die Arbeit niedergelegt - im Gegenzug hat Amazon aber tausende Saisonkräfte eingestellt. Insgesamt arbeiten über 10.000 Menschen beim Internethändler. Und so gibt Amazon trotz der Streiks Entwarnung. "Unsere Kunden können sich darauf verlassen, dass ihre Weihnachtsgeschenke pünktlich ankommen", sagt eine Sprecherin.
Amazon-Händler sind enttäuscht
Den Händlern bei Amazon nützt dieses Versprechen wenig. Wenn da "dick und fett und rot" steht, dass Kunden nicht mehr zu kaufen bräuchten, weil die Ware es nicht mehr rechtzeitig bis Weihnachten schaffen werde, breche der Umsatz eben ein, schreibt ein User im Händlerforum. Mit dem Hinweis, dass Ware eventuell nicht mehr rechtzeitig zu Weihnachten ankommt, sorgte Amazon schon im vergangenen Jahr für Ärger bei den externen Verkäufern. Der Händler Joerch zumindest ist bedient. "Schade, dass Sie den Verkäufern auf Ihrem Marktplatz nicht zutrauen zumindest genauso schnell zu liefern, wie Amazon selbst. Auch wenn viele der hier zu findenden Verkäufer meist sogar schneller als Amazon selbst versenden und liefern", schreibt er in seinem Brief an Amazon.