Lange wurde gerungen, gezaudert, gestritten, gefeilscht. Am Mittwochabend oder Donnerstag früh soll die Unsicherheit endlich beendet sein - und Europas Schicksal besiegelt. Die Vorstellung der EU-Granden: Der 26. Oktober 2011 ist der Tag, an dem der Euro gerettet wurde. In Berlin und in Brüssel. Der Überblick über den doppelten Euro-Showdown.
12 Uhr in Berlin: Die Kanzlerin spricht
Angela Merkel holt sich im Gegensatz zu ihren Kollegen vor den entscheidenden Verhandlungen in Brüssel noch die Zustimmung des Bundestages ein - so der Plan, dem allerdings nicht viel entgegen steht. Die Kanzlerin hat eine breite Zustimmung sicher - trotz einiger Aufregung über den geplanten Hebel, mit dem der Euro-Rettungsfonds EFSF auf eine Billion oder mehr aufgestockt werden soll. Dennoch: Ihre Ausführungen in der Regierungserklärung werden vor allem von den Rebellen im eigenen Lager aufmerksam verfolgt werden. Ihr Ziel für Brüssel: "Für Deutschland und Europa das Beste herauszuholen."
Gegen Mittag in Berlin: die Abstimmung
Direkt nach Merkels Regierungserklärung wird im Bundetag abgestimmt - darüber, ob der Euro-Rettungsfonds mit einer Schlagkraft von mehr als einer Billion Euro ausgestattet wird. Eine breite Mehrheit gilt als sehr wahrscheinlich, zumal aus der Opposition deutliche Signale der Zustimmung kamen. Die Koalition rechnete auch mit einer eigenen Mehrheit. Ob es allerdings zur symbolisch wichtigen Kanzlermehrheit reicht, war offen. In dem Fall könnte Merkel mit breiter Brust nach Brüssel reisen.
Regierungs- und Oppositionsfraktionen einigten sich bereits auf einen gemeinsamen Antragstext für die Abstimmung über den Euro-Krisenfonds EFSF geeinigt. Damit dürfte eine breite Mehrheit bei der Abstimmung am Mittwoch im Bundestag gesichert sein. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte noch kurz zuvor die Zustimmung seiner Fraktion von der Vorlage eines "vernünftigen Text" des Entschließungsantrags abhängig gemacht. Endgültig entscheiden wollen die Sozialdemokraten über ihr Abstimmungsverhalten aber erst in einer erneuten Fraktionssitzung am Mittwochmorgen vor der Debatte.
18 Uhr in Brüssel: Gipfel der 27
Der Vorgipfel sozusagen. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten treffen sich. Die Briten hatten den Wunsch, dass auch die zehn Länder ohne Euro dazustoßen. EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy kam dem nach. Das Treffen zu 27 wird aber gerade einmal 75 Minuten dauern. Das bedeutet eine Redezeit von knapp drei Minuten, falls jeder das Wort ergreifen sollte. Großes ist von diesem Stelldichein also nicht zu erwarten. Eher ein paar Mahnungen vor dem Showdown.
19.15 Uhr in Brüssel: Abendessen der 17
Jetzt ziehen sich die Damen und Herren, auf die es wirklich ankommt, erst einmal zurück, um zu speisen. Die Nacht kann lang werden, da gilt es, sich entsprechend zu stärken.
Danach in Brüssel: Der entscheidende Gipfel
Den 17 Chefs der Eurozonen-Länder droht eine ganz lange Gipfelnacht, die im besten Fall vor Eröffnung der Tokioter Börse (2 Uhr MEZ) zuende ist. Im schlechtesten Fall, so wird in Brüssel bereits geunkt, geht es am nächsten Tag weiter - und die Entscheidung ist noch immer nicht gefallen.
Es sind einige heikle Punkte zu besprechen:
- Griechenhilfe: Athen kann mit einem zweiten Hilfspaket rechnen - noch ist nicht klar, wie hoch das ausfällt.
- Schuldenschnitt: Ohne einen teilweisen Schuldenerlass für die Griechen wird es nicht gehen, darin sind sich die Beteiligten mittlerweile einig. Die Wirtschaft des Landes liegt danieder, die Griechen sind nach derzeitigem Ermessen unmöglich in der Lage, ihre Schulden zurückzuzahlen. Leidtragende sind Banken, die in großem Stil Anleihen halten. Sie werden auf einen Teil des Geldes verzichten müssen. Auf wieviel, darüber wird hart verhandelt werden. Der Schuldenschnitt könnte 40, aber auch 60 Prozent betragen.
- Bankenkapitalisierung: Um für weitere Krisen gewappnet zu sein, sollen die Banken ihr Eigenkapital erhöhen - dazu brauchen sie mehr Geld. Sprich: Den Banken droht eine Zwangskapitalisierung durch die Staaten. Im Gespräch sind Summen um 100 Milliarden Euro.
- Der Hebel, mit dem der EFSF aufgestockt wird: Zwei Optionen liegen auf dem Tisch: eine Teilabsicherung neuer Anleihen aus Risikoländern ähnlich einer Teilkaskoversicherung. Diese soll Investoren den Einstieg in Bonds von Ländern wie Italien oder Spanien schmackhafter machen. Zweite Lösung: Ein Einstieg von Geldgebern außerhalb der EU (beispielsweise China, Brasilien, Norwegen) über eine so genannte Zweckgesellschaft, die nur zu diesem Anlass gegründet wird.
- Die Rolle der EZB: Die europäischen Staats- und Regierungschefs fordert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) weitere Staatsanleihen ankauft. Allerdings stößt das bei der Euro-Notenbank auf Widerspruch. Der scheidende Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, bekräftigt in der am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins stern seine Kritik an dem Aufkaufprogramm. Durch die Intervention würde auch der Zins gesenkt, zu dem sich Regierungen am Markt verschulden. "Damit geht ein Anreiz verloren, die Politik daran auszurichten, die Defizite zu senken", so Stark. Man müsse die langfristige Wirkung bedenken. "Wir sollten keine Hasardeure sein", mahnte Stark.
- Italien: Es könnte der Hauptstreitpunkt des Gipfels werden, doch Ministerpräsident Silvio Berlusconi kommt tatsächlich mit Reformankündigungen nach Brüssel. Am Dienstagabend verständigte sich die italienische Regierungskoalition in letzter Minute auf Vorschläge für Wirtschaftsreformen. Nach Angaben von Umberto Bossi, Parteichef des Koalitionspartners Lega Nord, gab es eine vorläufige Einigung. Berlusconis Bildungsministerin Mariastella Gelmini erklärte am Abend im Fernsehen, man habe sich mit Bossi über die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre geeinigt, nicht aber über mehr Dienstaltersjahre bis zur Pensionierung. Die Länder und die EU-Kommission erwarten von der Regierung größere Sparanstrengungen, weil das mangelnde Vertrauen in die Reformfähigkeit des hochverschuldeten Landes als eine der Hauptursachen für die anhaltenden Zweifel an der Stabilität der Euro-Zone angesehen wird.