Herr Stadler, die Weltwirtschaftskrise hat auch die Automobilbranche fest im Griff. Aber die notwendige Konsolidierung findet nicht statt. Im Gegenteil: Hersteller, die unter normalen Umständen vom Markt verschwinden würden, werden künstlich am Leben gehalten. Ärgert Sie das?
Durch die Wirtschaftskrise trennt sich die Spreu vom Weizen. Diejenigen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, die sich zukunftsfähig aufgestellt haben, haben die Nase vorn. Es gibt einige, die dies nicht geschafft haben. Da ist es nur zu verständlich, wenn sich Arbeitnehmervertreter und Management zusammensetzen und nach zukunftsfähigen Lösungen im Sinne der Beschäftigten suchen.
Es ist auch redlich, dass die Bundesregierung mögliche Hilfen prüft. Aber das Geschäftskonzept muss tragfähig sein. Es darf nicht passieren, dass ein Unternehmen nach zwei Jahren wieder bei Null anfangen und der Staat sich eingestehen muss: Wir haben drei, vier Milliarden Euro fehl investiert. Zudem dürfen durch die staatlichen Hilfen keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Die EU muss daher alle Unterstützungsmaßnahmen genau beobachten und auf ihre Wettbewerbskonformität überprüfen. Eine Koordinierung auf EU-Ebene ist zwingend nötig.
Was bedeutet es, wenn in der Krise in einem Markt mit erheblichen Überkapazitäten keine Konsolidierung stattfindet?
Die Marktmechanismen wirken unabhängig von jeglicher staatlichen Unterstützung. Ich warne davor zu glauben, dass allein mit einem Kredit oder einer Bürgschaft die Zukunft eines Unternehmens nachhaltig gesichert ist.
Auch Audi leidet unter der Wirtschaftskrise, bei Ihnen ist der Einbruch aber deutlich geringer als bei der direkten Konkurrenz von BMW und Daimler. Haben Sie ein paar Tipps, was Ihre Wettbewerber besser machen sollten?
Ich gebe anderen keine Ratschläge. Alle Premiumhersteller sind von der Weltwirtschaftskrise erfasst worden. Die Automobilindustrie ist hart getroffen. Aber in den ersten fünf Monaten 2009 haben wir uns deutlich besser entwickelt als der Wettbewerb und Marktanteile gewonnen.
Das ist das Ergebnis unserer langfristigen Strategie: Wir bauen unser Produktportfolio kontinuierlich aus, wir investieren jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro in neue Produkte und Technologien. Das zahlt sich in der Krise ganz offensichtlich aus. Im ersten Quartal haben wir als einzige Premiummarke ein positives Ergebnis erwirtschaftet und sind in Europa zum Marktführer in unserem Segment avanciert. Das macht uns stolz.
Deutschland steckt in der schärfsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Regierung hat einiges unternommen, um der Krise Herr zu werden. Wie schätzen Sie die bisherige Arbeit ein?
Die Maßnahmen sind industriepolitisch zu begrüßen. Die Bundesregierung hat gut, schnell und auch sachlich gehandelt. Das hat dazu geführt, dass in unserer Branche ein ruinöser Absatzeinbruch zumindest abgefedert werden konnte. Und auch in anderen Teilen der Wirtschaft wurde einiges unternommen. Das war notwendig und richtig. Jetzt müssen wir ähnlich zupackend in die Zukunft schauen. Uns stehen noch einige harte Monate bevor.
Ist aus Ihrer Sicht Enteignung und Verstaatlichung der richtige Weg aus der Krise?
Mit der sozialen Marktwirtschaft sind wir zu einem der wohlhabendsten Länder geworden. Die Marktmechanismen funktionieren trotz der Krise gut. Deshalb ist weniger Staat immer besser als zu viel Staat.
Wann wird es in Ihrer Branche wieder aufwärts gehen?
Wir warten und hoffen auf das vierte Quartal 2009. Da könnte sich schon wieder eine positivere Stimmung entwickeln. Die Frage ist nur: Mit welcher Geschwindigkeit werden sich die Weltmärkte von der Krise erholen? Ich glaube, dass wir schon 2010 die ersten Pflänzchen sprießen sehen werden.
Lesen Sie im zweiten Teil welche Vorteile Stadler in einer Übernahme von Porsche durch VW sieht und was er zum Thema Manager-Gehälter sagt.
VW hat kürzlich ein Konzept vorgestellt, den VW UP, intern auch "Lupo II" genannt. Wann kommt Audi mit einem Luxus-Kleinstwagen?
Wir werden im kommenden Jahr den A1 auf den Markt bringen. Damit zeigt Audi, dass Premium keine Frage der Fahrzeuggröße ist. Ein großer Teil der Mobilität wird künftig in Städten stattfinden, einfach weil immer mehr Menschen dort leben und arbeiten werden. Mit dem A1 liefern wir die passende Antwort auf diesen gesellschaftlichen Trend. Was darüber hinaus die Zukunft bringt, wird man sehen. Gehen Sie einmal davon aus, dass wir viele kreative Ideen haben.
Wie viel Sinn macht es angesichts der drohenden Klimakatastrophe, Spritfresser wie einen Q5 oder einen Q7 auf den Markt zu bringen?
Man sollte den Kunden nicht bevormunden und schon gar nicht erziehen. Warum sollte es ein Problem sein, mit einem sehr effizienten Q7 Clean Diesel unterwegs zu sein? Immerhin bietet dieses Auto sieben Insassen Platz und hat einen enormen Nutzwert.
Die Diskussion über SUVs nimmt mitunter etwas demagogische Züge an, die oft an den Tatsachen vorbei gehen. Wir werden auch weiterhin enorme Anstrengungen unternehmen, unsere Automobile so umweltfreundlich wie möglich zu machen. Fahrspaß gehört zum Autofahren und Effizienz sowie ansprechendes Design sind kein Widerspruch.
Andere Hersteller setzen im Gegensatz zu Ihnen auf die Hybridtechnologie.
Durch geschicktes Marketing eines japanischen Autoherstellers verbindet der Autokäufer derzeit mit dem Begriff Hybrid etwas sehr Umweltfreundliches. Fakt ist, dass die gängigen Hybrid-Antriebe beim Verbrauch deutlich schlechter sind als ein moderner Diesel.
Trotzdem macht Ihr Konkurrent Mercedes mit dem S400 Hybrid viel Werbung...
Audi wird einen eigenen Pfad beschreiten. Das ist viel wichtiger als einer Marketingstory hinterherzulaufen.
Der S400 Hybrid ist nur eine Marketingstory?
Die Marketingstory hat ein japanischer Hersteller initiiert. Aus unserer Sicht ist der Hybrid eine Übergangstechnologie zum vollwertigen Elektroantrieb. Und genau deshalb sollten wir den Kunden nicht vermitteln, dass wir schon morgen alle elektrisch fahren. Dazu bedarf es noch etlicher Technologiesprünge, etwa bei der Batterie. Herkömmliche Verbrennungsmotoren werden noch auf Jahrzehnte die Grundlage für unsere Mobilität bleiben.
Bundespräsident Horst Köhler hat die Manager unlängst aufgerufen, angesichts der Krise maßvoll zu agieren. Fühlen Sie sich angesprochen?
Sie meinen die Vergütung? Da habe ich kein Problem, wenn Sie sich den Industriedurchschnitt anschauen.
Wurde und wird bei der Managervergütung der variable, kurzfristig orientierte Teil nicht viel zu sehr betont?
Grundsätzlich sollte eine Vergütungsstruktur so angelegt sein, dass sie den langfristigen, nachhaltigen Erfolg des Unternehmens sichert. Das verlangt auch die Verantwortung gegenüber den Beschäftigten. In den vergangenen Jahren haben sich manche zu stark am amerikanischen Modell orientiert. Ich bin sicher, das wird sich ändern. Wir haben in Deutschland einfach eine ganz andere Kultur, deshalb wird der langfristige Ansatz wieder viel stärker betont werden.
Sie haben einmal gesagt, im VW-Konzern ist sicherlich Platz für eine Marke Porsche. Das würde bedeuten: VW übernimmt Porsche und nicht umgekehrt.
Dieser Fall ist denkbar. Schauen Sie sich zum Beispiel die Marken Bentley und Audi mit ihrer positiven Entwicklung und starken Position im VW-Konzern an.