Anzeige
Anzeige

Renault, Peugeot & Co. Die Party ist vorbei

Nach dem Geschwindigkeitsrausch der Vorjahre droht der französischen Autoindustrie 2006 ein schwerer Kater. Erste Kopfschmerzen stellten sich bereits in diesem Jahr ein.

Renault und PSA Peugeot Citroën fahren auf dem Kernmarkt Europa derzeit im Rückwärtsgang und kämpfen gegen schwindende Margen. Für 2006 sieht es düsterer aus, auch wenn Renault Formel-1-Markenweltmeister wurde und der Clio das "Auto des Jahres 2006" ist. Es fehlen ausreichend neue Verkaufshits, nachdem die kleinen Großraumtypen wie der Peugeot 1007 und der Renault Modus nicht den erhofften Erfolg brachten. Renault wird nur noch von den Nissan-Gewinnen und den Billigmarken Dacia und Samsung vorwärts geschleppt. Bei PSA glänzt vor allem die Juniormarke Citroën.

Ein halbes Jahr hat der neue Renault-Chef Carlos Ghosn die Lage analysiert. Jedes Werk noch im letzten Winkel der Welt hat er besucht, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Öffentlichkeit mied der Starmanager dabei. Doch vor Renault-Ingenieuren redete Ghosn Klartext: Dem Konzern drohe "das FIAT-Syndrom extremer Abhängigkeit von einem Segment und einem Land", sagte der Nissan-Sanierer. Die Hälfte des Gewinns fahre die Marke Renault mit dem Mégane in Frankreich ein. "Das ist zu anfällig." Der Mégane ist zwar in Europa mit Abstand das meistverkaufte Modell vor dem VW Golf und dem Ford Focus, doch sein Gesicht bekommt Falten. Im November brach sein Absatz in Europa um 30 Prozent ein.

Die Absatzrückgänge in Europa sind nicht ungeplant

Bei Nissan hat Ghosn gezeigt, wie man es richtig macht. Der mit Renault verflochtene Konzern steigerte seine operative Marge von 1,5 auf zehn Prozent. Das ist mehr als drei Mal so viel wie bei Renault. Wie (seit 1999) Nissan will Ghosn nun Renault mit der Stärkung des Luxussegments in höhere Gewinnsphären fahren. Am Ziel, den Absatz bis 2010 von 1,5 Millionen auf vier Millionen Autos zu steigern, hält er fest. China soll dabei helfen. Anders als in Nordafrika, Russland oder Iran will Renault dort nicht mit dem Billig-Dacia-Logan nach vorn fahren, sondern mit dem Imageträger Mégane.

Die Absatzrückgänge in Europa sind nicht ungeplant: Ghosn senkt die Verkäufe an Großabnehmer, die nach Kurzzulassungen die Autos mit Rabatt als "Gebrauchtwagen" verkaufen zu können. Denn das drückt auf die Marge. Auch PSA, das deutlich mehr Autos direkt an Privatkunden verkauft, schielt auf Rendite und Oberklasse. Der Konzern kommt dank der dynamischen Marke Citroën mit ein paar Schrammen in Europa davon, obwohl Peugeot in den ersten elf Monaten 5,1 Prozent seiner Kunden verlor. Citroën hat neben dem pfiffigen kleinen C3 mit dem C6 einen luxuriösen Blickfang auf den Markt gebracht, den die Franzosen als Wiedergeburt der "Göttin" DS feiern. Auch Peugeot zielt mit dem 607 auf betuchte Kunden, hat es aber schwer, den Vorsprung von Audi, BMW und Mercedes im Markenbewusstsein der Kunden aufzuholen.

Die französischen Hersteller wollen mit neuen Modellen wieder Gas geben

Ungemach droht den französischen Autobauern ausgerechnet auf dem Stamm-Markt Frankreich. Das Wachstum dürfte 2006 mit 2,1 Millionen Erstzulassungen von drei auf 1,9 Prozent abbremsen. Allerdings wurde der Markt schon 2005 trotz neuer Modelle von den Händler-Zulassungen gezogen. Doch 2007 wollen die französischen Hersteller mit neuen Modellen wieder Gas geben. Bis dahin wollen Renault und PSA ihre Margen verteidigen: Lieber auf Absatz und Marktanteile verzichten als auf Gewinne, heißt es. Deshalb sei nicht schlimm, wenn Renault im Herbst 2005 erstmals seit 2002 in Westeuropa den Spitzenplatz im Markenwettbewerb an VW abgeben musste.

In den ersten neun Monaten 2005 steigerte Renault den Umsatz um 2,9 Prozent auf 30,87 Milliarden Euro. Weltweit stieg der Pkw-Absatz um 3,4 Prozent auf 1,93 Millionen Fahrzeuge. Während die Marke Renault außerhalb Westeuropas um 11,2 Prozent zulegte, schrumpfte der Absatz in Westeuropa um 2,1 Prozent. Beim Gewinn liegen erst Halbjahreszahlen vor: Nissan trug mit 1,36 Milliarden Euro mehr als die Hälfte zu Renaults Überschuss von 2,17 Milliarden bei. PSA steigerte den Umsatz in den ersten neun Monaten um 1,3 Prozent auf 41,8 Milliarden Euro. Der Autoabsatz stieg um 1,1 Prozent auf 2,50 Millionen. Während Citroën dabei in Westeuropa um 0,4 Prozent zulegte, verlor Peugeot 4,6 Prozent. PSA wies im ersten Halbjahr 681 Millionen Euro Überschuss aus.

Hans-Hermann Nikolei/DPA

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel