Schuldenkrise Griechen zittern vor noch härterem Sparkurs

Massenentlassungen und drastische Abgabenerhöhungen: Um neue Gelder zu bekommen, müssen die Griechen noch mehr sparen. Doch Athen ist zuversichtlich, weitere Milliarden zu erhalten.

Im Kampf gegen die Pleite erwarten die Griechen weitere drastische Kürzungen. Nach einem erneuten Telefonat mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) hat Ministerpräsident Giorgos Papandreou für heute eine Sondersitzung des Kabinetts einberufen, in der er neue Einschnitte verkünden will, wie ein Regierungssprecher am Morgen bestätigte. Laut griechischer Presse sollen "noch nie dagewesene" Sparmaßnahmen beschlossen werden. "Ja, wir brauchen neue Maßnahmen", bestätigte Finanzminister Evangelos Venizelos. Opfer bringen müssten leider auch Rentner, Arbeitslose und junge Leute. "Das ist das Drama des Landes." Details nannte er zunächst nicht.

Wann die Griechen erfahren, welche neuen Maßnahmen genau auf sie zukommen, ist noch unklar. Griechische Zeitungen stellten ihre Leser bereits auf das Schlimmste ein: Die Maßnahmen würden sich "katastrophal" auf den Lebensstandard des "kleinen Mannes" auswirken, hieß es.

Über folgende Maßnahmen der Regierung wird derzeit spekuliert:

  • Radikale Kürzungen der Renten
  • Senkung der Steuerfreibeträge
  • Streichung von 100.000 bis 150.000 Stellen im öffentlichen Bereich
  • 117 staatlich unterstützte Betriebe sollen sobald wie möglich schließen
  • Einschnitte bei den Gehältern von Staatsbediensteten
  • Neue Steuern auf Tabak und Spirituosen
  • Anpassung des Heizöl-Preises an den Diesel-Preis
  • Neue Immobilien-Sondersteuer - zwischen 0,5 bis 16 Euro pro Quadratmeter

Kritische Zeitungskommentatoren betonten, wieder müssten die Angehörigen der Mittelklasse, die Geringverdienender und die Rentner den Preis für die Rettung des Landes bezahlen, da die Regierung nicht in der Lage sei, die Steuerhinterziehung zu erfassen und den Staat zu verschlanken

Aus Protest gegen die Sparpläne haben die Gewerkschaften einen erneuten Streiks angekündigt: Am 5. Oktober solle der öffentliche Dienst landesweit in den Ausstand treten, am 19. Oktober sei ein Generalstreik geplant, sagte ein Gewerkschaftssprecher am Mittwoch. Ende Juni hatte es bereits einen Generalstreik gegen den Sparkurs gegeben. Beobachter gehen davon aus, dass die allein regierenden Sozialisten dem Druck nicht werden standhalten können und schließen vorgezogene Wahlen oder die Bildung einer großen Koalition mit den Konservativen nicht aus.

"Noch nie dagewesene" Sparmaßnahmen

Mit den Sparmaßnahmen will Athen sich die nächste milliardenschwere Tranche der Hilfszahlungen sichern: Die EU-Kommission sieht "gute Fortschritte" in den Gesprächen mit der griechischen Regierung, wie die Kommission mitteilte. Ähnlich hatte sich zuvor bereits das griechische Finanzministerium geäußert.

In der EU-Erklärung hieß es: "Die technischen Diskussionen werden in Athen in den kommenden Tagen fortgesetzt." Voraussichtlich Anfang kommender Woche würden dann die Experten der Gläubiger-Troika in die griechische Hauptstadt zurückkehren, um mit ihrer Prüfung der Reformfortschritte der Regierung fortzufahren. Vom Ergebnis der Untersuchung hängt ab, ob Griechenland die dringend benötigten weiteren Hilfen in Höhe von acht Milliarden Euro erhält. Die Vertreter von EU, IWF und EZB hatten den Mittelmeerstaat wegen Unstimmigkeiten über weitere Sparschritte am 2. September überraschend verlassen.

Fitch hält Aus der Eurozone für übertrieben

Die Ratingagentur Fitch rechnet derweil fest mit einer Pleite Griechenlands. Dennoch sei zu erwarten, dass der hoch verschuldete Staat in der Eurozone bleibe, schrieb David Riley, zuständig für die staatliche Bonitätseinstufungen bei Fitch in einem Kommentar. Die Sorge, dass die Eurozone auseinanderbrechen könnte, hält die Ratingagentur für weit übertrieben. Sie erwartet auch nicht, dass der Zusammenbruch von Finanzinstituten zugelassen wird, die für das Finanzsystem wichtig sind.

Ein Euro-Abschied Griechenlands wäre ökonomisch widersinnig, so Riley. Falls das Land mit Einverständnis der Partner (weil es anders nicht ginge und vorgesehen sei) austrete, dann werde dadurch nur ein riskanter Präzedenzfall geschaffen. Denn auch die Glaubwürdigkeit anderer Staaten, in der Eurozone zu bleiben, werde untergraben. Andere Euro-Krisenländer würden dann schneller der Gefahr der Kapitalflucht ausgesetzt, das Risiko einer Staatsschulden- und Bankenkrise würde extrem steigen.

Brüderle rechnet mit Schuldenschnitt

Finanzminister Venizelos glaubt zumindest an eine Zukunft seines Landes mit dem Euro. "Griechenland ist und wird immer Mitglied der Eurozone bleiben", sagte er vor dem Parlament in Athen. Die Regierung werde alles unternehmen, um "das Schicksal unseres Landes und seinen Platz in der Eurozone nicht aufs Spiel zu setzen". Die Krise, so der Minister weiter, sei nicht absichtlich herbeigeführt worden, sondern mangelnden Strukturen und anderen Gewohnheiten geschuldet.

Der FDP-Fraktionschef im Bundestag, Rainer Brüderle, erwartet einen Schuldenschnitt in Griechenland. "Irgendwann" sei ein Schnitt nötig, weil Griechenland nicht in der Lage sei, den eigenen Verpflichtungen nachzukommen, sagte Brüderle im ZDF-"Morgenmagazin". Der Schuldenberg müsse dann auf ein realistisches Maß reduziert werden. Brüderle sagte, Griechenland entscheide als souveräner Staat selbst über den Zeitpunkt eines Schuldenschnitts. Das Land sei schließlich "kein Protektorat Deutschlands".

DPA · Reuters
nik/fw/DPA/Reuters