Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hat einer Studie widersprochen, wonach Opel Europa zu klein für ein eigenständiges Automobilunternehmen sei. "Es ist allen Beteiligten immer klar gewesen, dass ein eigenständiges Opel Europa nur in enger Kooperation mit GM Amerika funktioniert. Deswegen verhandeln wir ja auch so intensiv mit GM über ein gemeinsames Konzept", sagte er am Freitag in Wiesbaden. Durch eine langfristige Zusammenarbeit zwischen dem europäischen Opel-Unternehmen und dem transatlantischen Partner werde eine ausreichende Größe erreicht, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Eine staatlich beauftragte Studie zu den Konzepten der drei Opel-Bieter war zuvor zu anderen Ergebnissen gekommen. Ihr zufolge sind alle drei Übernahmeangebote für Opel im jetzigen Zustand ungeeignet, den deutschen Autobauer nach seiner Trennung von General Motors (GM) langfristig als eigenständige Marke zu etablieren. Dies geht aus einem Angebotsvergleich von Lazard hervor, der der FTD vorliegt. Er wurde von der Investmentbank im Auftrag der Bundesregierung erstellt.
Mit den Konzepten des kanadisch-österreichischen Zulieferers Magna, des Finanzinvestors RHJ International und des bereits ausgeschiedenen chinesischen Autoherstellers BAIC sei die erforderliche Größe für einen eigenständigen Autobauer "kaum erreichbar", heißt es in dem Papier. Das mit "Streng vertraulich" gekennzeichnete Schreiben war für die Bundesregierung Grundlage der ersten Opel-Beratungen am vergangenen Mittwoch im Bundeskanzleramt.
Kein eindeutiger Sieger
Die Banker wecken damit Zweifel an einem zentralen Rettungsargument der Politik: Demnach handelt es sich bei Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall um innovative Marken, die erhalten und bestenfalls weltweit etabliert werden sollen. Nach der Analyse der Lazard-Banker gibt es dafür aber wenig Hoffnung: Opel und die britische GM-Tochter Vauxhall blieben in allen drei Konzepten für ein Überleben als eigenständiger Autokonzern zu klein, so die Lazard-Banker.
Die "kritische Masse eines Volumen OEMs" sei "kaum erreichbar", heißt es zu allen drei Offerten. OEM steht für Original Equipment Manufacturer und bedeutet in der Automobilindustrie eigenständiger Produzent. Genau mit diesem Argument, Opel und Vauxhall seien allein zu klein, um dauerhaft zu überleben, hatte auch der italienische Fiat-Konzern für sein Übernahme-Konzept geworben. Fiat hatte sich aber entnervt von politischen Querelen schon im Mai aus dem Wettbewerb zurückgezogen.
Die Investmentbank Lazard berät die Bundesregierung in ihren Verhandlungen mit den Opel-Bietern und dem Opel-Mutterkonzern General Motors. Für das Treffen am Mittwoch im Kanzleramt lautete ihr Auftrag, alle drei Angebote so aufzubereiten, dass die Politik sie leicht miteinander vergleichen könne. Das vierseitige Papier listet für alle drei Angebote Vor- und Nachteile auf - ein eindeutiger Sieger ist aber kaum auszumachen.
Auffällig ist, dass nach den reinen Zahlen und Finanzdaten das von Bund und Ländern favorisierte Konsortium aus Magna und der russischen Sberbank aus Sicht des deutschen Staates am schlechtesten abschneidet. Magna sieht demnach zur Übernahme und Sanierung von Opel/Vauxhall einen Gesamtfinanzierungsbedarf von fünf Milliarden Euro: 4,5 Milliarden Euro sollen als Fremdkapital zusammen kommen, 400 Millionen Euro in Form einer besicherten Wandelanleihe durch Magna/Sberbank und 100 Millionen Euro durch eine Eigenkapitaleinlage bei "Closing". Die 4,5 Milliarden Euro sollen staatlich garantierte Kredite sein.
Magna: Nur 100 Millionen Eigenkapital
Wer die Kredite geben soll, ist aber noch offen. Dazu stellen die Lazard-Banker fest, Magna fordere das "höchste Staatsgarantievolumen", biete "nur 100 Mio. Euro echtes Eigenkapital" und gründe sein Angebot auf "optimistische Wachstums- und Profitabilitätsannahmen". Der Erfolg des Projekts hänge nicht nur von einer allgemeinen Markterholung ab, sondern insbesondere von der Entwicklung in Russland. Diese sei aber "unsicher".
Dagegen schneidet der Ableger des US-Finanzinvestors Ripplewood, RHJ International, schon besser ab: Der Finanzbedarf sei mit 3,8 Milliarden Euro geringer, der Eigenkapitaleinsatz mit 275 Millionen Euro höher als im Magna-Modell. Zudem gebe es im RHJ-Konzept nur eine "geringe Gefahr des Abflusses von Mitteln ins Ausland". Hingegen wolle Magna einen Teil der staatlichen garantierten Kredite zum Aufbau des Russland-Geschäfts verwenden.
Nach FTD-Informationen soll es dabei um rund 700 Millionen Euro gehen, die Magna in Russland investieren will und die später aber wieder zurückfließen sollen. Zudem wolle RHJ Kredite und Bürgschaften bis 2014 ablösen, ein Jahr früher als Magna. Allerdings monieren die Lazard-Banker, dass auch RHJ nur relativ wenig Eigenkapital investieren wolle und sein Geschäftsmodell auf "sehr optimistische Wachstums- und Profitabilitätsannahmen" gründe. Zudem fehlt auch bei RHJ bislang offenbar noch ein Finanzier, der das Fremdkapital für das Geschäft zur Verfügung stellen soll.
Enttäuschte Chinesen
Ginge es allein nach den Finanzen, schneiden unterm Strich die bereits aus dem Bieterrennen ausgeschiedenen Chinesen am besten ab. Das Angebot enthalte mit 3,3 Mrd. Euro den geringsten Finanzbedarf, zugleich biete BAIC mit 660 Mio. Euro das meiste Eigenkapital, so Lazard. Zudem habe BAIC "finanzstarke Partner" und wolle Investitionen in China eigenständig finanzieren. Nachdem GM bereits am Donnerstag offiziell mitgeteilt hatte, man wolle nur noch mit RHJ und Magna weiter verhandeln, teilten am Freitagmorgen auch die Chinesen mit, sie zögen sich aus dem Bieterwettstreit zurück. Ausschlaggebend für den Rückzug waren demnach unüberbrückbare Differenzen mit GM über die Verwendung von Patenten, teilte BAIC mit.
Allerdings bietet das Lazard-Papier nicht nur einen Vergleich der Finanzpläne, es liefert auch politische Argumente für und wider die jeweiligen Bieter. Und in dieser Kategorie schneidet Magna am besten ab. So habe Magna "ein eigenständiges strategisches Konzept", verfüge über ein gutes Managment und sei "ein strategischer Käufer", der Opel langfristig halten wolle. Es sind gerade diese Argumente, die von Politikern von Union und SPD derzeit immer wieder angeführt werden, um die Präferenz für Magna zu begründen. Allerdings, so warnen die Berater, berge auch das Magna-Konzept die Gefahr seines "Ausverkaufs deutscher Technologie nach Russland".
Am RHJ-Plan kritisiert Lazard eine "hohe De Facto-Abhängigkeit von GM" und eine fehlende "signifikante Änderung des Status Quo". Bei RHJ bleibe "alles beim Alten", heißt es in dem Papier. Zudem plane RHJ einen Abbau von mindestens 3900 Stellen bei Opel in Deutschland, dies seien rund 900 mehr als etwa beim Konkurrenten Magna. Die Chinesen schneiden in der politischen Bewertung am schlechtesten ab: So sei fraglich, ob die Arbeitsplätze von Opel tatsächlich langfristig in Deutschland erhalten blieben, ausdrücklich warnen die Berater vor einem "Ausverkauf deutscher Technologie nach China".