Öko ist in? Das war mal. Vor allem die Solarenergie steht derzeit im Kreuzfeuer der Kritik. Wirtschafts- und Verbraucherverbände, aber auch große Teile der Regierungskoalition sind der Ansicht, die Förderung des Sonnenstroms laufe zunehmend aus dem Ruder. Zu teuer, zu ineffizient und zu abhängig von Schönwetterlagen, lautet das Urteil.
Allen voran trommelt Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) seit Wochen gegen den weiteren Ausbau von Photovoltaikanlagen. "Mit Wirtschaftlichkeit hat das nichts zu tun", kritisiert der Minister. Der Vizekanzler würde das bisherige Fördersystem am liebsten ganz abschaffen und durch ein Quotenmodell ersetzen, das den Energieunternehmen freistellt, ob sie Ökostrom aus Wind, Sonne oder Biomasse beziehen.
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) beeindrucken die Querschüsse bislang wenig: Bereits 2017 könnten die ersten Anlagen ohne Förderung auskommen, so Röttgen. "Diese relativ kurze Strecke müssen wir jetzt auch noch durchhalten." Von einem Ausbaustopp will der Umweltminister daher nichts wissen, lediglich das Tempo soll nach dem Rekordausbau im vergangenen Jahr etwas gedrosselt werden.
Mit der Solarbranche einigte sich Röttgen diese Woche darauf, die Fördersätze künftig monatlich anzupassen. Das bisherige System halbjährlicher Kürzungen habe regelmäßig zu "Schlussverkäufen" geführt. Nach den Vorstellungen von Röttgen soll die Förderung auf das Jahr verteilt um mindestens 24 Prozent sinken.
Doch was bringt die Photovoltaik tatsächlich? Ist Sonnenstrom eine Zukunftstechnologie oder ein Milliardengrab für Subventionen? Was spricht für und was gegen die teure Ökotechnik?
Solarenergie ist zu teuer
Der Hauptvorwurf der Kritiker: Solaranlagen verbrauchen mehr als die Hälfte der Fördergelder, erzeugen aber nur 20 Prozent des Ökostroms. Für Energie aus Sonne, Wind und Biogasanlagen wird aufgrund des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) derzeit eine auf 20 Jahre garantierte Vergütung gezahlt. Zwar wird die Einspeisevergütung regelmäßig gesenkt, um die Kosten im Griff zu behalten. Doch durch den rasanten Ausbau der Solarenergie ist die Belastung für die Stromkunden in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Rund acht Milliarden Euro im Jahr zahlen Verbraucher derzeit allein für die Förderung der Solarenergie. Für einen Durchschnittshaushalt summiert sich die Ökostrom-Umlage auf rund 125 Euro jährlich. Die Abgabe hat auch eine sozialpolitische Komponente: Durch die Strompreis-Umlage findet eine Verteilung von unten nach oben statt. "Der Minijobber aus Berlin-Moabit finanziert die Solaranlage auf dem Praxisdach meines Zahnarztes im Chiemgau", ätzt der Chef des Atomkonzerns RWE, Jürgen Großmann.
2011 wurden neue Solaranlagen mit einer Spitzenleistung von 7500 Megawatt installiert, das entspricht immerhin theoretisch der Leistung von fünf Atomkraftwerken. Aber eben nur theoretisch, denn ihre Spitzenleistung erreichen die Anlagen nur unter optimalen Bedingungen: an einem warmen Tag mit Sonnenschein im richtigen Einfallwinkel. Für RWE-Chef Großmann steht daher fest, Solarenergie in Deutschland sei so sinnvoll "wie Ananas züchten in Alaska".
Die Kosten sind bereits dramatisch gesunken
Dagegen spricht, dass sich die Photovoltaik in den vergangenen Jahren von einer Nischentechnologie zur festen Größe in der deutschen Stromversorgung entwickelt hat. Der Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Eicke Weber, versteht nicht, warum die Solarenergie gerade jetzt so schlecht geredet wird. Die vorrangig von deutschen Firmen entwickelte Energieform stehe vor dem weltweiten Durchbruch. Es gebe riesige Wachstumschancen. "Selbst wenn wir jetzt die Förderung komplett auf Null fahren, würden wir nichts an der Belastung der Stromkunden ändern", sagt er mit Blick auf die Kosten.
Der Grund: Die Vergütungen, die die Bürger über den Strompreis zahlen, sind auf 20 Jahre garantiert. Die Zahlungen lagen noch 2008 für Sonnenstrom vom Dach bei 47,7 Cent je Kilowattstunde - alle bisher auf 20 Jahre zugesagten Vergütungen müssen so oder so weitergezahlt werden. Schätzungen beziffern allein die Kosten für Sonnenstrom aus bereits bestehenden Anlagen auf bis zu 100 Milliarden Euro.
Röttgen sagt: "Das sind Altschulden." Er habe die Förderung seit 2009 praktisch um die Hälfte gesenkt. Dennoch steht auch er in der Kritik, dass noch nie so viele Anlagen neu ans Netz gegangen sind wie in seiner Amtszeit. Der Grund: Selbst massive Kürzungen können mit dem Preisverfall der Module kaum noch mithalten. Die Rendite bleibt hoch, Dachanlagen ein sicheres Geschäft.
An der Photovoltaik hängen Arbeitsplätze
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wirft Rösler vor, durch den von ihm betriebenen Ausstieg aus der Förderung hunderttausende Arbeitsplätze zu gefährden. Zudem seien die Kosten für Privathaushalte nur deswegen so hoch, weil die Bundesregierung Großunternehmen weitgehend von der Umlage befreit habe.
Tatsächlich hängt an der Solarstromförderung ein ganzer Industriezweig. "Ich möchte ein Überleben unserer Industrie", sagt auch Umweltminister Röttgen. Sonst hätten sich die bisherigen Solarhilfen nicht gelohnt. Bei zu starken Förderkürzungen "gehen vielleicht alle unsere Unternehmen in die Grütze". Röttgen betont, dass deutsche Solartechnologie ein Exportschlager werden könne.
Gut möglich, dass Röttgens Hoffnung unerfüllt bleibt. Das Geschäft mit der Solartechnik machen längst andere: Mehr als 70 Prozent aller in Deutschland, dem weltweit größten Solarmarkt, verbauten Module kommen aus China. Die deutsche Solarbranche steckt dagegen in einer tiefen Krise: Preisverfall und Überkapazitäten machen den Herstellern von Solarmodulen zu schaffen. Die Firmen Solon und Solar Millenium mussten bereits Insolvenz anmelden, die Börsenkurse anderer Hersteller wie Solarworld sind eingebrochen. First Solar prüft für seine Werke in Frankfurt an der Oder Kurzarbeit.
Schwankende Einspeisung belastet die Netze
Das größte Problem der Solarenergie sind ohnehin nicht die Kosten, sondern die Integration in das Stromnetz. Eine Studie von 2008 prognostiziert, dass das Verteilernetz lediglich Solarstrom bis zu einer Menge von 30.000 Megawatt verkraften kann. Dieses Limit könnte bereits 2012 erreicht werden. An windigen und sonnigen Tagen wird es daher vermehrt zur Abschaltung von Wind- und Solarparks kommen. Doch auch dieser nicht erzeugte Strom muss vergütet werden - der Verbraucher zahlt also für nichts.
Der Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Stephan Kohler, fordert daher, das Ausbautempo zu drosseln. "Wir haben Strom aus Windkraftanlagen in Ostdeutschland, die wir nicht in den Süden und Westen bekommen." Weil entsprechende Netze fehlen, muss der über Polen, Tschechien und Österreich transportiert werden. Doch die Nachbarländer zeigen sich zunehmend verärgert über die schwankende Ökostromeinspeisung aus Deutschland. Polen und Tschechien haben bereits angekündigt, Stromsperren zu errichten, dann müsste der Strom allein vom deutschen Netz aufgenommen werden.
Intelligente, regionale Lösungen sind nötig
Wenn die Energiewende auf tragfähige Beine gestellt werden soll, reicht es also nicht aus, Subventionen zu senken. Investitionen in Netzausbau und Speichertechnologien sind nötig. "Das System von Erzeugung und Verbrauch muss intelligenter gemacht werden", sagt Dena-Chef Kohler. "Wir müssen stärker Lasten in die Zeit legen, wo viel Windenergie und Photovoltaik zur Verfügung steht." Das wäre möglich, wenn Strom dort verbraucht wird, wo er produziert wird.
Mittlerweile ist die Vergütung für Solarstrom auf 24,43 Cent je Kilowattstunde gesunken. Für den Endverbraucher kostet der Strom aus der Steckdose mehr als 25 Cent. Damit wäre es theoretisch für manchen Hausbesitzer günstiger, den Strom aus seiner Dachanlage selbst zu nutzen. Das Problem daran: Dafür sind die Anlagen auf deutschen Dächern nicht ausgelegt. Investitionen in dafür nötige Stromspeicher zu fördern, wurde jahrelang versäumt.