"Günther Jauch" und der Euro Dackel und Scharfrichter

  • von Katharina Miklis
Das Thema war monströs. Es ging um den Euro. Dabei hätte Günther Jauch viel lieber über den SPD-Kanzlerkandidaten geplaudert und eine große Koalition herbeifabuliert. Die verflixte Währung ließ ihm aber keine Ruhe. Geschlagen hat sich der Polittalk-Neuling dennoch ganz passabel.

Bis jetzt war alles nur Vorspiel. Ein recht unbefriedigendes noch dazu. Nach dem gediegenen 9/11-Betroffenheits-Talk mit Jürgen Klinsmann und Elke Heidenreich sollte die zweite Ausgabe des Talk-Novizen Günther Jauch die eigentliche Premiere in der ARD werden. Und die erste Zerreißprobe: Kann Jauch auch den klassischen, Politiktalk? Gelingt es ihm, komplexe Diskussionen für ein "stern TV"-Durschnittspublikum verständlich herunterzubrechen?

"Die schwarz-gelbe Pleite: Kann diese Regierung noch den Euro retten?" fragt Günther Jauch bei seinem zweiten Auftritt in der ARD. Das Thema liegt auf der Hand: Der Bundestag stimmt bald über den Euro-Rettungsschirm EFSF ab, die Regierung demontiert sich in der Debatte derzeit selbst - und dann auch noch die Klatsche für die FDP in Berlin. So begrüßt Jauch im Terrakotta-Studio unter der Plastikkuppel die "zwei politisch interessantesten Menschen der Woche": Wahlsieger Klaus Wowereit und den zuletzt arg gescholtenen FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler - der Mann, der die "geordnete Insolvenz" Griechenlands ins Spiel brachte und damit die Kanzlerin vergrätzte.

Kein Entrinnen vor dem Euro

Wer gehofft hatte, das unfassbar komplexe Thema Eurorettung vom sympathischen Oberlehrer erklärt zu bekommen, wird schnell enttäuscht. Denn auch Jauch scheint die Materie viel zu kompliziert, zumal er beim Thema Schuldenschnitt von der strengen Ökonomin Beatrice Weder Di Mauro schnell abgekanzelt wird. Viel lieber als über Umschuldung, Insolvenz oder Rettungsfonds zu plaudern, nimmt sich Jauch das weniger glatte Parkett der Parteipolitik vor. "Schmunzelmonster Wowereit" (Jauch) kann er dennoch nicht entlocken, mit wem er koalieren will - oder ob er gar als SPD-Kanzlerkandidat bereitstünde. So hartnäckig der Moderator es auch versucht, mehr als das übliche Politgeschwafel will der Wahlsieger zu dem Punkt nicht loswerden.

Doch es gibt kein Entrinnen, der verdammte Euro kommt ständig zu Jauch zurück. Dafür sorgen die Gäste, sind dabei allerdings meist auch nicht sonderlich erhellend. Rösler macht sich Sorgen um das Ansehen Europas, faselt von "Stabilitätsunion", erklärt diese aber niemandem, wiederholt lieber, dass es beim Thema Griechenland "keine Denkverbote" geben dürfe. Und kassiert Seitenhiebe von CDU-Umweltminister Norbert Röttgen. "Fürs Denken ist jeder selbst zuständig, man kann es nicht verbieten, man ist selbst dafür verantwortlich." Das gelte auch für das Gesprochene - nur müsse man darauf achten, wie das ankommen könnte, beispielsweise an den Finanzmärkten. Kurzum: "Man muss wissen, was man sagt." Klarer Link zu Röslers "geordneter Insolvenz", die nach Ansicht vieler für Börsenverwerfungen gesorgt hat. Der FDP-Chef rächt sich später, wirft dem CDU-Lager vor, dass Schäubles ständige Euro-Gipfelei bislang ja auch nicht weitergeholfen habe. So richtig harmonisch ist es zwischen den beiden nicht - das war nach dem schwarz-gelben Dauer-Euro-Knatsch der Woche auch nicht zu erwarten.

Abstraktes Themenmonster

So richtig wichtig ist das Gezänk aber ohnehin nicht, glaubt man Dirk Müller, Händler an der Frankfurter Börse und aufgrund medialer Dauerpräsenz inzwischen "Mr. Dax". "Goldman Sachs gerät nicht in Unruhe, wenn in Deutschland jemand etwas sagt", spottet der Mann der Wirtschaft - und kritisiert fortan die Ausflüge in die banalen Niederungen deutscher Parteipolitik.

Ohnehin werfen die Wirtschaftsfachleute in Jauchs Runde der Politik vor, die Dimensionen des Problems noch immer nicht erkannt zu haben. Die "Wirtschaftsweise" Beatrice Weder di Mauro klagt, die Regierung in Deutschland wisse nicht, wohin sie wolle, und wirkt deshalb - als einzige in der Runde - wirklich besorgt, während Rösler trotz Insolvenz-Gedanken den Eindruck macht, das Schuldendesaster gelassen aussitzen zu wollen.

Schon nach einer Viertelstunde hat der Zuschauer eine böse Ahnung, dass zumindest die Politiker wirklich nicht begreifen, wovon sie reden. Jetzt ein Telefonjoker. Jauch schmeißt zwischendurch keck Fachjargon in die Runde ("Haircut!"), versucht immerhin, das abstrakte Themenmonster zu bändigen. Ob die Rückkehr zur Drachme etwas bringen würde, will er von Weder di Mauro wissen, "wenn wir Griechenland sagen würden: Macht euren Dreck alleine"? Oder indem er fragt, wo seine Gäste ihr Geld anlegen würden, wenn sie keine Politiker, sondern griechischer Koch oder Kellner wären.

Jauchs Rettungspaket ist auf gutem Wege

Zudem zeigt sich, dass Jauch langsam locker wird. Den jauch'schen Moderationskarten-Klammergriff hat er abgelegt, der spitzbübische Dackelblick, der schon bei "Wer wird Millionär?" Wirkung zeigt, hilft auch in der ARD, wenn er Politiker wie Rösler und Röttgen unverblümt fragt: "Kann es sein, dass sie diese komplizierten Zusammenhänge selbst nicht durchblicken können?" Dackel und Scharfrichter zugleich: Das könnte Jauchs Masche werden.

So wurde Euro von der Berliner Runde zwar nicht gerettet, die politische Talkshow in der ARD noch immer nicht neu erfunden - aber Jauchs Rettungspaket ist auf gutem Wege. Und: Den eigenartigen Halleffekt in der Donnerkuppel hat sein Team behoben. Auch durch die Kamerazooms wirkte das Ganze etwas heimeliger als bei der Premiere. "Günther Jauch" kommt langsam an. Und in einer Woche wird es richtig heimelig: Dann kommt Kumpel Thomas Gottschalk zu Besuch.

PRODUKTE & TIPPS