Landtagswahl in Hessen Alles hängt an der Linkspartei

Soviel ist klar: Roland Koch ist bei der Landtagswahl in Hessen mächtig abgestraft worden, die SPD liegt knapp vor der CDU, SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti kann triumphieren. Das war's aber auch schon mit der Klarheit. Weil die Linkspartei in den Hochrechnungen mal ins Parlament kommt, mal nicht, ist völlig offen, wer künftig regiert - und was aus Koch wird.

Die SPD und ihre Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti haben Ministerpräsident Roland Koch und dessen Partei bei der hessischen Landtagswahl eine empfindliche Niederlage zugefügt. Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF hat die SPD die CDU geschlagen, die Grünen verloren Anteile, die FDP konnte zulegen. Unklar war am Abend, ob die Linkspartei an der 5-Prozent-Hürde scheitert oder mit einer Punktlandung ins Wiesbadener Parlament einzieht. In den Hochrechnungen der Sender scheiterte die Partei zunächst, schaffte aber später mit exakt 5,0 Prozent den Einzug in den Wiesbadener Landtag.

Weil der Einzug der Linken aber entscheidend für die möglichen Regierungskoalitionen ist, war am Abend völlig offen, wer Hessen künftig regieren wird. In Prozenten lieferten sich Rot-Grün und Schwarz-Gelb ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das zeitweise auf einen Patt bei den Mandaten im Landtag herauslief. Später hatte Schwarz-Gelb leichte Vorteile. Das Mandatepatt galt aber nur für den Fall, dass es die Linkspartei nicht ins Parlament schaffen würde. Schafft die Linkspartei den Sprung, scheiden Rot-Grün und Schwarz-Gelb als Regierungsvarianten aus - außer, Rot-Grün würde sich von den Linken dulden lassen. Es bliebe eine große Koalition oder verschiedene Dreier-Varianten.

Die Wahlbeteiligung war mit rund 64 Prozent etwa ebenso hoch wie bei der vergangenen Wahl 2003.

"Die Sozialdemokratie ist wieder da", sagte Ypsilanti am Abend. "Wir haben für eine andere politische Kultur in diesem Land gekämpft, und wir haben gewonnen." Die SPD habe die richtigen Themen gesetzt: Gerechtigkeit für alle, Bildung, erneuerbare Energien. Damit könne man Wahlen gewinnen. "Das gilt auch für die Bundesebene", sagte die SPD-Spitzenkandidatin. CDU-Spitzenkandidat Roland Koch sagte, das Ergebnis sei nicht einfach für die CDU. Aber man hoffe auf eine Mehrheit für CDU und FDP.

Laut der jüngsten Hochrechnung der ARD, erstellt vom Meinungsforschungsinstitut Infratest-Dimap, kommt die SPD in Hessen auf 36,9 Prozent, die CDU auf 36,6 Prozent, die Grünen erzielen 7,6 Prozent, die FDP 9,4 Prozent. Rot-Grün erhielte demnach 44,5 Prozent der Stimmen, Schwarz-Gelb 46 Prozent. Die Linkspartei erzielte 5,0 Prozent - ihr stand jedoch eine Zitterpartie bevor. Am frühen Abend hatte sie stets die Marke von fünf Prozent knapp gerissen.

Das ZDF, für das die Forschungsgruppe Wahlen die Hochrechnungen erstellt hat, sah die SPD bei 37,2 Prozent, die CDU kamen mit 36,5 weg, die Grünen lagen bei 7,5 Prozent, die FDP bei 9,3 Prozent. Die Linkspartei lag auch bei 5 Prozent. Für Rot-Grün würde das 44,7 Prozent, für Schwarz-Gelb 45,8 Prozent bedeuten.

In Mandate umgerechnet kann die CDU auf 42 Sitze hoffen, die SPD auf 42 bis 43, die Grünen auf 8 bis 9, die FDP auf 11 Mandate, die Linke auf 6. Die absolute Mehrheit liegt bei insgesamt 110 Sitzen bei 56 Sitzen. Das würden weder CDU und FDP (53 Sitze) noch SPD und Grüne (50-52 Sitze) erreichen. Damit wäre eine Zweier-Koalition aus Rot-Grün oder Schwarz-Gelb jenseits der großen Koalition unmöglich.

Sollte die Linkspartei den Einzug ins Parlament schaffen, ist die künftige Regierungskoalition damit völlig offen. Rot-Grün ginge nicht, ebensowenig Schwarz-Gelb. Theoretisch würde es dann für ein rot-rot-grünes Bündnis reichen, was aber die SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti vor der Wahl abgelehnt hatte. Eine Ampel (SPD, FDP, Grüne) hatte die FDP abgelehnt, mit der CDU und der FDP wollten die Grünen nicht koalieren. Bliebe eine große Koalition, wohl unter Führung der SPD.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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SPD und Grüne hatten sich im hessischen Wahlkampf klar zu der rot-grünen Koalitionsvariante bekannt, CDU und FDP klar zu Schwarz-Gelb. Die Regierung Kochs steht nach neun Jahren auf der Kippe. Sollte er stürzen, hätten ihn die Wähler mit einer schallenden Ohrfeige aus dem Amt gejagt. Im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl im Jahr 2003 hätte Kochs CDU mehr als 13 Prozentpunkte eingebüßt. 2003 kam die CDU auf 48,8 Prozent der Stimmen, die SPD erhielt damals 29,1 Prozent, die Grünen 10,1 Prozent, die FDP 7,9.

Quittung für Scharfmacher-Wahlkampf

Mit diesem Wahlergebnis erhält Koch in jedem Fall die Quittung der Wähler für seinen Scharfmacher-Wahlkampf, der spätestens seit Dezember durch immer weiter gehende Forderungen zur Verschärfung des Jugendstrafrechts gekennzeichnet war und mehr oder minder offen mit Ängsten vor Überfremdung spielte. Offenbar hielt die Mehrheit der Wähler diese Form des Populismus für zu plump.

Koch war am Sonntag mit seiner Frau Anke in Eschborn zur Wahl gegangen. Ypsilanti gab in Frankfurt am Main gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Klaus-Dieter Stork ihren Stimmzettel ab. Mit ersten Hochrechnungen wird gegen 18.30 Uhr gerechnet. Die vorläufigen amtlichen Endergebnisse werden nach 22.00 Uhr erwartet.