Kernfusion Der Traum von der unerschöpflichen Energiequelle

Kernfusion ist der Vorgang, der seit Jahrmillionen auf der Sonne unerschöpfliche Energien erzeugt. Ein Kernfusionsreaktor auf Erden ist seit Jahren in Planung – nun ist ein Ort dafür gefunden worden.

Der Menschheitstraum von der möglichst sauberen und unerschöpflichen Energiequelle soll in Südfrankreich konkrete Gestalt annehmen: Nach langjährigem Streit um den Standort des internationalen Kernfusionsreaktors Iter (Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor) entschieden sich die sechs Partner des Projekts am Dienstag für Cadarache und damit gegen die japanische Konkurrenz.

Japan bedauert Entscheidung

EU-Forschungskommissar Janez Potocnik sprach nach der Sitzung in Moskau von einem großen Schritt nach vorn für die internationale Zusammenarbeit in der Forschung. Die Bauarbeiten sollten jetzt so schnell wie möglich beginnen. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac feierte "einen großen Erfolg für Frankreich, für Europa und für alle Partner im Iter-Projekt". Die japanische Regierung erklärte ihr Bedauern über die Entscheidung, sagte aber zugleich ihr weiteres Engagement zu. Für den geplanten Forschungsbetrieb der Anlage müssten jetzt auch genügend Wissenschaftler ausgebildet werden, forderte der wissenschaftliche Direktor des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching und Greifswald, Alexander Bradshaw.

Kernfusion

Die Kernfusion gilt als umweltfreundliche, sichere und fast unerschöpfliche Energieversorgung der Zukunft. Dafür gewinnen Forscher Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoffatomen. Ein ähnlicher Prozess läuft in der Sonne ab. Um ein Fusionsfeuer auf der Erde zu zünden, müssen die Physiker im geplanten Forschungsreaktor Iter im südfranzösischen Cadarache extreme Bedingungen schaffen.

Der Brennstoff - ein Plasma aus den Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium - wird in starken Magnetfeldern eingeschlossen und auf 100 Millionen bis 200 Millionen Grad Celsius aufgeheizt. Dann verschmelzen die beiden leichten Kerne Deuterium und Tritium zu einem schwereren Heliumkern und setzen dabei Energie frei. Ein Gramm Brennstoff könne rund 90.000 Kilowattstunden Energie freisetzen - die Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle, berichtet das Max-Planck- Institut für Plasmaphysik in Garching. Diese Fusion von leichten zu schweren Atomkernen ist das Gegenteil der Kernspaltung, die die Stromgeneratoren von Atomkraftwerken treibt. Das Klima schädigende Gas Kohlendioxid entsteht bei der Kernfusion nicht.

Die Kernfusion ist nach Ansicht von Wissenschaftlern eine katastrophenfreie Technik. Ein solches Kraftwerk könne so konstruiert werden, dass es keine Energiequellen enthält, die sich nicht mehr kontrollieren lassen, heißt es bei den Max-Planck-Forschern. Auch ein Fusionsreaktor hinterlässt jedoch radioaktiven Abfall: Die Wände des Plasmagefäßes, die nach Betriebsende zwischengelagert werden müssen. Die Aktivität dieses Abfalls nehme aber rasch ab: In 100 Jahren sinke sie auf auf ein Zehntausendstel des Anfangswertes.

Der Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor soll in zehn Jahren fertiggestellt sein. Danach bietet der Reaktor Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern 20 Jahre lang die Möglichkeit, das Potenzial der Kernfusion unter realistischen Bedingungen auszuloten. Bei der kontrollierten Kernfusion werden ähnlich wie bei der Energiegewinnung der Sonne Atomkerne des Deuteriums (schwerer Wasserstoff) mit denen des radioaktiven Tritiums (überschwerer Wasserstoff) verschmolzen.

Iter ist nur ein Zwischenschritt

Auf dem Weg zu kommerziellen Fusionskraftwerken ist Iter indes nur ein Zwischenschritt. Die Anlage soll zeigen, dass ein Fusionsplasma dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Das Experiment im Süden Frankreichs soll die Voraussetzungen für eine Demonstrationsanlage namens Demo schaffen, die alle Funktionen eines Kraftwerks besitzt. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik geht davon aus, dass sowohl Iter als auch Demo eine Planungs-, Bau- und Betriebszeit von 30 Jahren haben werden. Damit könnte ein Fusionskraftwerk vielleicht in rund 50 Jahren wirtschaftlich nutzbare Energie liefern.

Der in Frankreich geplante Reaktor wird eine der größten und kompliziertesten Wissenschaftsmaschinen der Welt, die nur in Kooperation zahlreicher internationaler Wissenschaftler entstehen kann. Die Arbeit auf diesem Gebiet gilt als Extremforschung: extrem teuer, extrem kompliziert und extrem langwierig. Eines der Kernprobleme ist es, das heiße Plasma im Inneren des Reaktors mit sehr starken Magnetfeldern zusammenzuhalten.

Zum Iter-Projekt gehören die Europäische Union, die USA, Japan, China, Russland und Südkorea. Das ehrgeizige Projekt ist mit Gesamtinvestitionen von 9,6 Milliarden Euro verbunden. Bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze können damit entstehen. Das Iter-Projekt soll in den nächsten 35 Jahren eine saubere und unerschöpfliche Energiequelle erschließen.

AP

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