Doktor Frankenstein könnte ihn gebaut haben, den "789", ein Flickwerk wie jenes legendäre Monster der Mary Shelley, die die Mär eines aus Leichenteilen zusammengeschusterten Monsters vor fast zweihundert Jahren geschrieben hatte. Von vorn sieht er aus wie ein 57er Chevy BelAir, die Mitte erscheint wie der Klon des 58er BelAirs und das mit reichlich Flügeln ausgestatte Heck könnte von einem 59er Impala stammen (daher der wundersame Name). Und trotzdem: die für Lobhudeleien nicht gerade bekannte New York Times wählte den "789" zum coolsten Auto des Jahres, obwohl nur wenige potenzielle Käufer den Boliden mit der mysteriösen Zahlenkombination zu kennen scheinen.
Selbst in seiner Heimat, den USA, ist er nur begeisterten (und betuchten) Autonarren ein Begriff, und in Europa denken Liebhaber exklusiver Automobile eher an imaginäre Schmierstoffe, wenn die Zahl genannt wird. Das soll anders werden, denn der Schöpfer des Ungetüms ist kein fiktiver, mit pseudo-wissenschaftlichem Grössenwahn ausgestatteter Zauberdoktor, sondern ein gewisser Gene Langmesser, ein mit mit durchaus gesundem Realitätssinn gesegnetem Ingenieur, wiewohl der Begriff Realität im Fall des "789" mit gewissem Vorbehalt zu verstehen ist. Die Idee für das Fahrzeug hätte er vor vier Jahren gehabt, sagt Herr Langmesser, der in den 90er Jahren bei Opel in Rüsselsheim arbeitete und in der Weissacher Entwicklungsabteilung von Porsche an den ersten Studien für den Panamera mitwirkte.
No two alike
Ein Treffen mit Bob Lutz, dem heutigen Boss des Detroiter Autoriesen General Motors, hätte damals den Ausschlag gegeben. Gene’s Firma, Kanter Concepts, die sich hauptsächlich durch den Bau von Concept Cars für Auto-Shows und mehr oder weniger geheime Rüstungsaufträge wie ein Solar-betriebenes Surfboard für die US-Navy Seals und Bauteile für den Stealth-Bomber finanzierte, hätte Lutz daraufhin eine Studie vorgelegt, wohin die Reise mit der GM-Marke Buick gehen könnte. "Bob hatte uns gesagt, wir sollten ihm das einfach mal zeigen", erinnert sich Langmesser, hinter dessen Armani Brille man eher ein spinnerten Designer vermutet als einen nüchternen Autobauer, "und das haben wir dann auch getan. Aber unsere Entwürfe fanden, na sagen wir mal, nicht den gewünschten Anklang." Aus der Frustration heraus entschied sich Langmesser, eine Tochterfirma von Kanter Concepts im kalifornischen Santa Ana zu gründen, "n2a" ("No two alike", übersetzt der brave Mann das Kürzel), und den "789" zu bauen. "Das erste Modell bauten wir auf einem GTO-Chassis, aber wir wechselten dann schnell zur Corvette C6."
Wie bei amerikanischen Auto-Freaks üblich, waren die regulären 430PS der Corvette natürlich nicht genug für Gene’s Traumwagen, weshalb er - je nach Kundenwunsch - die Leisung auf bis zu 700 Pferde hochpowerte, was für Beschleunigunswerte um die fünf Sekunden auf die magischen Hundert reichen sollte. Für den Prototypen kaufte er sich eine C6, schmiss die gesamte Karosserie auf den Müll und baute um das Chassis aus Ton und Sperrholz die erste Studie für den "789", den er - ausgerechnet - auf der Detroiter Autoshow vor ziemlich genau einem Jahr vorstellte.
Individuelle Farbabstimmung
135.000 Dollar soll der Schlitten kosten, den es als Coupé und als Cabrio gibt, fast ein Schnäppchen, bedenkt man den zu erwartenden Sammlerwert. Und trotzdem bleibt der Langmesser mit beiden Beinen auf dem Boden der fiskalischen Tatsachen der neuen, arg gebeutelten amerikanischen Ökonomie. "Wenn Sie mir eine Corvette bringen, neu oder gebraucht", relativiert der Rechner Gene den Kaufpreis, "kann ich den Umbau für 75 Tausend Dollar machen." Um im Motto des Firmennamen "n2a" zu bleiben, soll kein einziges der Modelle identisch mit einem anderen sein. "Wir bieten für jedes Fahrzeug eine individuelle Farbabstimmung", versichert der gute Mann.
Fünfzehn Autos seien schon mal geplant für dieses Jahr, eine Zahl, die sich nach der Lobrede der New York Times sicherlich noch erhöhen dürfte. Und da sich die Vorbestellungen für den "789" schon jetzt in durchaus anständigen Bereichen bewegen, hat der berechtigt optimistische Langmesser schon eine weiteres Eisen im Feuer. Auf der Los Angeles Autoshow im November wird er seinen "Anteros" vorstellen, einen durchaus modernen Sportwagen, ebenfalls auf der Basis einer Corvette. Der Wagen, laut Langmesser nach dem griechischen Gott der Leidenschaft benannt, soll serienmässig über 700PS verfügen und zwischen 150 und 160 Tausend Dollar kosten. Und sollte das auch hinhauen, liegen die Pläne für einen martialischen Roadster vor, der basierend auf dem Pongtiac Solstice (baugleich mit dem neuen Opel GT), aussehen wird wie ein Jaguar D-Type aus den fünfziger Jahren. Von einem Solar-betriebenen Fahrzeug, angelehnt an das militärische Surfboard, will der geschäftige Unternehmer erstmal noch absehen.