In Deutschland hat Tesla die Kosten für Modelle der Baureihen 3 und Y beachtlich gesenkt. Den größten Rabatt gibt es auf das Basismodel Y, das von 53.990 Euro auf 44.890 Euro fiel – und dessen Preis damit um 9100 Euro reduziert wurde. Auch andere Fahrzeuge wurden um mehrere Tausend Euro billiger. In den USA fallen die Änderungen noch drastischer aus.
Damit hat Tesla auf einen Schlag beinahe sämtliche Preiserhöhungen der letzten Monate zurückgenommen und ist bei den meisten Fahrzeugen auf das alte Niveau zurückgekehrt. Das heißt: Die Autos sind nicht so günstig wie nie, sondern lediglich in die Nähe eines älteren Preisniveaus zurückgefallen. Das Basis-Model 3 kostete vor einer Welle mehrerer Erhöhungen 42.990 Euro, das Performance-Model Y lag bei 63.990 Euro – beide Autos waren also bereits etwas günstiger.
Teslas Angebot übersteigt derzeit die Nachfrage
Doch warum geht der Hersteller diesen Weg, obwohl Tesla offenbar in der Lage war, die hohen Preise zu verlangen? Offiziell wird es heißen, die Mission sei schon immer gewesen, günstige Autos anzubieten und Elektromobilität für die Masse zu ermöglichen – die Entscheidung zur Reduzierung würde passen. In einer Mail an Kunden verkauft Tesla die neuen Preise erwartungsgemäß als Erfolg: "Unser Ziel bei Tesla ist es, den Übergang zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen. Da die Produktion in unseren Gigafactories hochgefahren wird, können wir unsere Fahrzeuge erschwinglicher machen."
Eine Entspannung der Verfügbarkeit war bereits Ende 2022 deutlich zu spüren, als Tesla mit allen Mitteln versuchte, verfügbare Autos so schnell wie möglich auszuliefern. Dem stern liegt ein konkreter Fall vor, bei dem die Lieferzeit für ein Basis-Modell eines Model 3 um mehrere Monate verkürzt wurde, damit die Zulassung noch im laufenden Kalenderjahr erfolgen konnte. Tesla flankierte den Jahresendspurt mit überraschenden Aktionen, beispielsweise wurden besonders flotte Kunden mit Gratis-Strom für die ersten 10.000 Kilometer belohnt. Das Endergebnis 2022: 1,37 Millionen gebaute Fahrzeuge, 1,31 Millionen davon verkauft.
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Wer sich die Zahlen anschaut, bemerkt, dass Tesla nach eigenen Angaben 60.000 Fahrzeuge mehr produziert hat als das Unternehmen absetzen konnte. Volle Lager sind neu für den Konzern, in den vergangenen Jahren konnte man losschlagen, was auf den Hof rollte. Für Kunden ist das sehr erfreulich, da sich durch diesen Umstand auch die Lieferzeiten senken, für das Unternehmen bedeutet das in erster Linie einen erhöhten logistischen Aufwand und mehr Druck.
Einige empfinden die schnelllebige Preispolitik des Autoherstellers indes als recht anstrengend. Im Gespräch mit einer Person, die seit Anfang 2022 auf ein Model 3 wartet (zum alten Preis) fiel schnell der Satz: "Günstiger ja, aber immer noch teurer als unser Auto. Maximale Verwirrung." Dabei kann sich der wartende Kunde noch glücklich schätzen. In den sozialen Netzwerken finden sich auch die Stimmen jener, die nach eigenen Angaben erst kürzlich einen Tesla abgeholt haben und somit die alten Preise zahlen mussten.
Nicht wenige beklagen nun ihr Leid und fordern Wiedergutmachung. So schreibt eine Kundin bei Twitter: "Hey Elon Musk! Nicht alle von uns sind Milliardäre. Ich habe 72.440 Dollar (vor Steuern) für mein neues Model Y Performance bezahlt und es Ende September erhalten. Jetzt geben Sie den Preis für das gleiche Auto mit 59.630 Dollar an? Es muss doch eine Art Verbraucherschutzgesetz geben." Darunter antwortet jemand: "Ich habe 20.000 US-Dollar mit meinem Model S Plaid und 9000 US-Dollar mit meinem Modell 3 Performance verloren. [...] In einer Nacht haben meine Autos rund 30.000 US-Dollar an Wert eingebüßt." Ähnliche Klagen finden sich überall dort, wo über Tesla gesprochen wird. In China hatten derartige Änderungen zu Protesten in Tesla-Niederlassungen geführt.
Aber Tesla weiß, dass der Vorsprung, den die Marke jahrelang hatte, immer kleiner wird – und muss irgendwie reagieren. Andere Hersteller, darunter auch viele "Alteingesessene", die gerne von Tesla-Fans für ihre Behäbigkeit – teilweise nicht unbegründet – verspottet werden, holen auf. Hinzu kommen neue Marken, besonders aus China, die sich in den kommenden Monaten und Jahren aus dem Reich der Mitte hinauswagen und neue Märkte erschließen wollen – beispielsweise BYD oder Nio.
Einem Newcomer verzeiht man mehr als einem etablierten Konzern
Die Frage ist, ob Tesla für diesen Konkurrenzkampf gerüstet ist. Bis heute klebt ein teils schlechter Ruf an der Marke. Die Rede ist immer wieder von mangelhafter Qualität ausgelieferter Fahrzeuge, die den Standards anderer Hersteller nicht entspricht. Es gibt zahllose Beispiele, bei denen Kunden ihre Autos fehlerfrei erhielten, doch die Berichte und Videos über grobschlächtige Spaltmaße und andere Fehler bei Neuwagen lassen nicht nach. Und je älter Tesla wird, desto weniger sind Käufer bereit, die Mängel hinzunehmen.
Da hilft es wenig, wenn derzeit im Hintergrund bei einigen Autos offenbar Sparmaßnahmen laufen, von denen Kunden erst im Nachgang etwas erfahren. So meldet zum Beispiel der Zubehör-Shop "Zevcentric", dass man Änderungen bei den Bremsen einiger Modelle festgestellt habe. Auf Twitter zeigt das Unternehmen, dass Tesla bei dem Model Y Performance teilweise von leistungsstarken Bremssätteln auf günstigere Alternativen umgestiegen ist, zur optischen Angleichung allerdings auf rote Cover setzt, welche die kleineren Bremsen größer wirken lassen sollen. Ein Trick, der in der Massenherstellung bares Geld spart, beim Kunden aber nicht besonders gut ankommt.
Vor rund zwei Jahren hatte es eine ähnliche Umstellung der Technik gegeben, die sich später rächen sollte. Tesla entschied plötzlich, keine Radarsensoren mehr zu verbauen und die gesamte Fahrassistenz auf Kameras zu stützen. Das hatte natürlich günstigere Kosten zur Folge, aber auch eine erhöhte Fehlerquote bei der Nutzung der Systeme, die sich durch häufige Beschwerden über plötzliche Bremsvorgänge der Fahrzeuge äußerten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Tesla den Verzicht auf die Sensoren rückgängig machen will.
Von dem Nimbus der Autos bleibt unterm Strich immer weniger übrig. Das soll gar nicht heißen, dass ein Tesla per se schlecht ist, sondern eben "nur" ein Auto, manchmal mit ärgerlichen Schwächen, oft genug aber auch ohne Mängel.
Das Tesla-Ladenetz ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr
Dann wäre da noch ein anderes, beliebtes Argument für Tesla-Interessenten: Das Ladenetz. Und es stimmt: Tesla ist ein absoluter Pionier, wenn es darum geht, ein flächendeckendes Angebot von Ladesäulen aufzustellen. Selbst als Elektroauto-Deutschland noch in den Kinderschuhen steckte, pflanzte das Unternehmen hierzulande erste Säulen in die Erde. Nur allmählich kümmern sich auch andere Hersteller um eine solche Versorgung der hauseigenen Flotte.
Zuletzt kündigte Mercedes-Benz an, in den USA ein eigenes Netz spannen zu wollen. Hinzu kommt, dass Tesla anderen Herstellern das Laden an den ursprünglich exklusiven Standorten zeitweise erlaubt – das nimmt natürlich etwas den Reiz raus.
Es fehlt an frischem Wind
Für Tesla ist das kurzfristige Ziel klar: Der Aktienkurs muss sich von seiner schier endlosen Talfahrt erholen, die den Wert des Unternehmens stark dezimierte. Binnen eines Jahres hat Tesla zwei Drittel des astronomischen Marktwertes eingebüßt, liegt aktuell mit 390 Milliarden US-Dollar aber immer noch weit vor dem Zweitplatzierten Toyota.
Als Hebel bleibt dem Unternehmen aber erst einmal nur die Erhöhung der verkauften Stückzahlen, denn neue Modelle, sei es der Cybertruck, der Roadster oder aber das oft erwähnte Einsteigermodell, sind noch in weiter Ferne. Eine Revolution des Transportwesens durch den Tesla-LKW Semi ist ebenfalls nicht absehbar, aktuell testet nur ein einziges Unternehmen dessen Einsatz im Alltag.
Es scheint, als sei besonders dieses Jahr für Tesla ausgesprochen wichtig, um den Kurs für die Zukunft zu setzen. Sollte die Geschichte der Pionierleistungen auserzählt sein, ist Tesla im aktuellen Zustand "nur" ein Autohersteller mit einer Handvoll Zubehör im Angebot. Ein Dasein als etablierter Autohersteller wäre keineswegs der Worst Case – passt aber wohl nicht zum Anspruch, den Elon Musk für sein Unternehmen hat. Und erst recht nicht zu dessen Wert an der Börse.
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