Nein, Lamborghini wird auf absehbare Zeit nicht seine Modellpalette ausdehnen, bekräftigt Lamborghini-Präsident Stephan Winkelmann ein weiteres Mal. Die Zahlen der italienischen Sportwagenmarke sind besser denn je. Im vergangenen Jahre wurden von Murcielago und insbesondere dem kleineren Gallardo mehr als 2.400 Fahrzeuge verkauft - so viele wie nie zuvor. Man will weiter wachsen, so Winkelmann, weitere Derivate sollen das möglich machen. Das neueste Spielzeug heißt Lamborhini Gallardo LP 560-4. Die "560" steht für die mächtige Motorleistung, die "4" für den Allradantrieb.
Zurück in den Auto-Mall-Drive südlich von Las Vegas. Der King of Cars hat den neuen Gallardo LP 560-4 zur Audienz geladen. Chop ist Firmeneigentümer von Towbin und der einzige Autohändler Amerikas mit einer landesweit ausgestrahlten Fernsehshow. In der verkaufen Chop und seine rund 50 Mitarbeiter Autos jeglicher Art. Vor zwölf Jahren gab es die ersten Verkaufsshows. Von Hause aus ist der 32jährige Dodge-Händler - und zwar der größte in den Vereinigten Staaten. Sein erstes Auto hat er mit 14 verkauft, ganz in den Fußstapfen von Vater und Großvater. Pro Monat gehen bei Towbin mehr als 750 Fahrzeuge durch seine unspektakulären Verkaufsräume in Henderson, an der südöstlichen Stadtgrenze von Las Vegas. "Ich habe schon unzählige Lamborghinis verkauft - Murcielagos und Gallardos", erzählt der freundlich lächelnde Autofreak und macht dabei Handbewegungen wie ein cooler Rapper, "aber den neuen LP 560-4 sehe ich heute zum ersten Mal." Doch hier werden nicht nur Autos verkauft. Towbin und Chop haben sich auch durch die Chopper-Edition, cool gepimpte Autos, einen Namen gemacht.
Atemberaubende Dynamik
Vom Verkaufsgelände weg geht es mit ihm auf eine kurze Spritztour durchs Gewerbegebiet. "Wie immer noch kein Starterknopf", Chop grummelt, lächelt im nächsten Moment hocherfreut als er den 1,6 Tonnen schweren Boliden die Stichstraße hochjagt. "Die Schaltung ist besser, viel besser als bisher. Mein letzter Lambo hat beim Schalten immer so gezuckt. Da gab es bessere. Aber das ganze läuft jetzt viel smoother ab", erzählt er. Längst hat er via E-Gear in den vierten Gang geschaltet und zirkelt den neuesten Lambo-Renner lässig um zwei Pick-Ups, die sich im Auto Mall Drive um einen engen Parkplatz streiten. Chop, wie immer schwarz gekleidet, hat sich sein Bild gemacht. Er fährt zurück und stellt den grauen Gallardo ab. "Der 560 ist viel besser als der alte. Aber die roten Rückleuchten gehen bei uns hier in Vegas einfach gar nicht", erzählt er, als er nochmals um den Wagen schleicht. Vorne will er nichts machen. Da gibt es neue Kühleinlässe und ein charakterstarkes LED-Tagfahrlicht. Als ob die Autos vor dem Gallardo nichts schon genug Angst hätten.
Der neue Lamborghini LP 560-4 kratzt immer deutlicher am Thron des übermächtigen Murcielago-Superrenners. Bereits die leichtere Superleggera-Version des Gallardo war dem Nachfahren des Diabolo gerade in Sachen Fahrdynamik seit letztem Jahr auf den Fersen. Beim neuen LP 560-4 wird das ganze noch enger. Grund ist der gründlich überarbeitete Zehnzylinder, der mit Benzindirekteinspritzung und einer Hubraumerweiterung auf 5,2 Liter gerade unten herum deutlich williger ans Werk geht. So gibt es mehr Drehmoment (540 Nm bei 6.500 U/min) und mehr Leistung (560 statt bisher 520 PS). Nicht, dass der Pilot eines Superleggera sich hätte über eine latente Leistungsschwäche beschweren können. Aber mit dem 560er geht das ganze eben doch etwas kraftvoller vonstatten. Auch in Sachen Topspeed dürfte es einem Murcielago ebenso wie der Konkurrenz von Porsche und Ferrari kaum gelingen, die Flunder aus Sant’ Agata abzuschütteln. Wer die sechs Gänge ausdreht und den Allradler bis in den Begrenzer beschleunigt, schafft 325 km/h Höchstgeschwindigkeit. Auch bei 0 auf 100 km/h in 3,7 Sekunden und 0 auf 200 km/h in 11,8 Sekunden wird die Luft dünner denn je. "Der LP 560-4 übertrifft seinen Vorgänger in jeder Hinsicht, seine Dynamik ist schlicht atemberaubend und sei Design setzt neue Maßstäbe", so Stephan Winkelmann.
20 Prozent weniger Benzinverbrauch
Doch mit Leistung allein und Verbesserungen am Fahrwerk ist es auch für eingefleischte Sportwagenfans nicht mehr getan. So gibt es nicht nur rund zehn Prozent mehr Leistung, sondern auch knapp 20 Prozent weniger Benzinverbrauch. Nicht, dass der Gallardo dadurch zum Ökorenner verkommen würde. Aber in dieser Leistungsklasse ist ein Durchschnittsverbrauch von 13,7 Litern pro 100 Kilometern eine stramme Verbesserung. Zusätzliche Käufer wird die Ersparnis trotzdem kaum locken. Doch an Käufern mangelt es bei Lamborghini sowieso nicht. Daran ändert auch der deutsche Preis von knapp 150.000 Euro zzgl. 19 Prozent Mehrwertsteuer nichts. "Wie teuer ist er? 220?", fragt Chop und blickt zu seinen gaffenden Kollegen herüber. "No chance für chopping" - diesen Preis kriegt auch der King of Cars nicht klein. Dabei knackt Chop eigentlich jeden Preis und hat so seinen Spitznahmen bekommen.
Die Mitarbeiter von Chop haben zwar sechs Tage die Woche nichts anderes als Autos von A bis Z, 150 bis 600 PS im Kopf, doch der Gallardo raubt ihnen offensichtlich nach wie vor alle Sinne. Sie sehen wohlwollend über das viel zu enge Cockpit, die geringe Sitzhöhe und die wenig schmuckvolle Schalterbatterie in der Mittelkonsole hinweg. Stattdessen werden die iPhones gezückt und selbst der King of Cars himself holt zum Abschied seine Telekommunikationseinheit mit Fotofunktion aus der Tasche. Ein Foto zum Abschied muss sein. Vielleicht kommt es in einer seiner nächsten Verkaufsshows vor.