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Mercedes SLS AMG Das Tier in mir

Alltagstauglich? Eher nein. Umweltfreundlich? Nicht wirklich. Sparsam? I wo! Der SLS AMG ist ein echter Traumwagen, der mit anderen Qualitäten glänzt. Doch er bringt vernünftige Familienväter ebenso ins Schwärmen wie wilde Mädchen.
Von Claudia Pientka

Pock, pock, pock macht mein Herz, die Härchen auf den Unterarmen tanzen, Schweiß feuchtet meine Handflächen. Nicht gerade hilfreich, wenn man gleich das Lenkrad eines 571 PS starken Sportwagen unter Kontrolle halten soll. Auf einer Rennstrecke, die berühmt ist für eine Kurve namens Corkscrew - Korkenzieher. Aber es hilft nichts: Ein freundlicher Herr kontrolliert noch einmal den Sitz meines Helms, sagt aufmunternd: "Verlassen Sie sich ruhig auf das ESP" und schließt die Tür. Los geht’s.

Es gibt Autos, für die haben Frauen traditionell wenig übrig: Pick-ups zum Beispiel, Jeeps, Supersportwagen. Letztere gelten gemeinhin als fahrbarer Untersatz für Männer mit Potenzproblemen, ewig Junggebliebene oder Neureiche. Es versteht sich von selbst, dass wir Frauen uns von solchen Karossen weder beeindrucken noch mitnehmen lassen. Ein kurzer Blick bei Google ließ für den SLS AMG ähnliches vermuten: große Schnauze, viel PS, nix dahinter. So weit die Vorurteile.

48 Stunden später unter der Sonne Kaliforniens sieht die Welt dann ganz anders aus. Vor mir steht der nagelneue Mercedes-Flitzer SLS AMG. Ach was heißt "steht", er thront eher auf dem Parkplatz, ganz so als wolle er sagen: "Du sollst keine Götter neben mir haben." Und den ersten Eindruck kaschieren. In Echt sieht dieser Schlitten nämlich deutlich besser aus als auf den Bildern. Die Motorhaube ist lang - immerhin sitzen unter ihr acht Zylinder, 6,2 Liter Hubraum und eben die 571 PS - und dennoch nicht angeberisch, das Heck breit doch elegant, und unter dem flach abfallenden Kofferraumdeckel flackern minimalistische LED-Rückleuchten.

Der Clou sind die Türen: Ein leichtes Ziehen und der SLS schwingt seine Flügel gen Himmel. Sie sind die Reminiszenz an den legendären Vorgänger 300 SL, der schon in den 50er Jahren Männerherzen höher schlagen ließ. Und wie bestellt rufen staunende Passanten dann auch "Look - a Gullwing". Der "Möwenflügel" erweist sich allerdings als trickreich: Um die Tür aus dem Innern zu schließen, muss man sich weit hinausstrecken. Wie es besser geht verrät Mercedes Chef-Designer Gorden Wagener höchstpersönlich: "Man greift die Tür am besten schon beim Einsteigen und zieht sie hinter sich zu." Und tatsächlich, so gelingt es auch Menschen unter 1,70 Meter graziös in die Sportsitze zu gleiten.

Nicht nur Wagener ist bei der Präsentation in Kalifornien anwesend, auch SLS-Motorentwickler Friedrich Eichler, AMG-Chef Volker Mornhinweg und der Mercedes-Vorstandvorsitzende Dieter Zetsche stehen stolz um den ersten eigenständig von AMG konstruierten Wagen. Bisher hatte sich das Werk aus dem schwäbischen Affalterbach als Tuner von Mercedes-Motoren einen Namen gemacht. Nun eben der erste eigene Sport - nein Supersportwagen mit einem Einstiegspreis von 177.000 Euro.

"Er fährt noch besser, als er aussieht", verspricht Zetsche und: "Das neue Maranello heißt Affalterbach". Ganz schön vollmundig. Immerhin hat Mercedes in den vergangenen Jahren nicht gerade als Konstrukteur von rasanten Sportwagen von sich Reden gemacht. Klar baut das Unternehmen prächtige Limousinen, gediegene Kombis und auch komfortable Kleinwagen. Und von allem mit die besten. Aber von denen träumen heute eher praktisch veranlagte Familienväter und brave Mittelständler, für Kleinjungenträume strahlt der Stuttgarter Stern derzeit nicht hell genug. Und welcher unter 30-Jähriger hat schon schlaflose Nächte beim Gedanken an eine C-Klasse? Da wecken ein 3er BMW oder gar ein A4 mehr Emotionen.

Der SLS AMG soll das ändern. Und damit schon die ganz Kleinen begreifen, dass Mercedes wieder angreift und in einer Klasse mit dem Audi R8 oder Ferrari 458 spielen will, geht der SLS auch im Playstation Spiel Grand Turismo 5 auf die Strecke. "Dafür braucht mal nicht einen Führerschein", freut sich Zetsche.

Für die Fahrt auf amerikanischen Highways schon. Vier Fahrprogramme hat der Flitzer, auf C gestellt gleitet er bequem über die Küstenstraßen und röhrt vor sich hin. Etwa 13,2 Liter soll der SLS durchschnittlich verbrauchen, um seine rund 1620 Kilogramm zu bewegen. Ökologisch ist anders, aber solche Kriterien gelten hier nicht. Denn schon beim leichten Tipp aufs Gaspedal ahnt man, was eigentlich in diesem Wagen steckt: 3,8 Sekunden und die Tachonadel steht auf 100 km/h, einen Wimperschlag später auf 200 km/h. Nicht, dass die US-Straßenverkehrsordnung dieses Tempo erlauben würde.

Um das Tier im SLS raus zu lassen, muss man schon auf die Rennstrecke. Dafür hat Mercedes den Laguna Seca Raceway in der Nähe von Monterey gemietet; erst hier wird das Röhren zum Brüllen. Und der eben noch entspannte Fahrer zum aufgeregten Anfänger.

Hier ist der Regler auf Sport-Modus gedreht, ein Knopfdruck, der Motor brummt und schon rast das Pace-Car aus der Boxengasse. Ich hinterher. Ab 120 km/h fährt der Spoiler aus, nicht dass ich dass bemerken würde. Meine Hände umklammern das Lenkrad, der Blick ist starr geradeaus gerichtet, der Wagen schießt über eine Kuppe in eine 180 Grad Linkskurve. Doch die Panik ist unbegründet: Die Bremsen greifen perfekt, der ESP-Sport-Modus hält das Heck in Schach. Ein Tipp aufs Gaspedal und der Wagen jagt aus der Biegung. Dass er 317 km/h abgeriegelt ist, merkt man auf der Strecke nicht, hier sind andere Qualitäten gefragt. Zum Beispiel die präzise Lenkung, erzielt durch die optimale Aufteilung von Motor (vorn) und Getriebe (hinten) und deren Verbindung, einer super leichten Antriebswelle aus Carbon. Von Runde zu Runde werde ich mutiger, gebe noch ein bisschen mehr Gas vor der Kurve, lenke schärfer ein, schöpfe Vertrauen zu meinem neuen Freund.

Wieder in der Boxengasse klettere ich nasser Stirn, hochroten Wangen und Endophirnen im Blut aus dem Sitz: Nochmal bitte!

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