Mercedestuner AMG Die Öko-Raubtiere

  • von Michael Specht
Während Mutter Mercedes unter der Wirtschaftsflaute stöhnt, ficht Tochter AMG die Krise nicht an. Luxus und Leistung laufen wie geschmiert, besonders im Ausland. Doch Power ist nicht mehr alles, zukünftig soll ein anderer Wind in Affalterbach wehen. Das Zauberwort heißt "Green Performance".

Grün sind bislang nur die Bäume und Büsche, an denen der S 65 AMG mit Tempo 250 vorbei fliegt. Wenn es sein muss, ginge auch 300 km/h. Der Tritt aufs Gaspedal mobilisiert Urgewalten. 612 PS und 1000 Newtonmeter wuchten selbst eine über zwei Tonnen schwere Luxuslimousine in bester Sportwagenmanier ungestüm nach vorne. Die Insassen drückt es in die Sitze wie bei einem startenden Flugzeug. Nach 4,4 Sekunden ist die Tempo-100-Marke durchbrochen. Der Sechsliter-Biturbo-V12 agiert dabei mit einer Geschmeidigkeit, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Souveräner als in diesem Auto lässt sich Asphalt kaum unter die Räder nehmen.

Das gilt nicht nur für den S 65, das derzeitige Flaggschiff der Mercedes-Tochter AMG, sondern auch für die meisten der anderen 15 Modelle, unter denen der Kunde mittlerweile wählen kann. Bestseller ist der Achtzylinder in der C-Klasse (C 63 AMG). Der Roadster SL erreichte zeitweise eine AMG-Bestellquote von 50 Prozent. In Kürze ist die neue E-Klasse als AMG-Variante E 63 verfügbar und auf der IAA im September in Frankfurt präsentiert Mercedes die Wiedergeburt des Flügeltürers unter dem Namen SLS AMG.

Von Krise keine Spur

24.200 Fahrzeuge verkaufte AMG voriges Jahr weltweit, das beste Ergebnis bislang, und es sieht alles danach aus, dass es 2009 nicht schlechter wird. Die Krise scheint bei der Performance-Schmiede in Affalterbach nicht mal einen Kratzer im Lack zu hinterlassen. Aus Japan wurden für Mai trotz mieser Wirtschaftslage gut 90 Prozent Verkaufsplus gemeldet. "Wir wissen nicht wieso", sagt Arnulf Paulat, Projekt-Manager bei AMG, "die Märkte reagieren völlig überraschend, in Kanada beträgt das Plus im Mai 60 Prozent." Mit solchen Zuwächsen lässt sich auch das insgesamt bescheidene Minus von 2,8 Prozent über alle Baureihen erklären, das im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbucht wurde. Andere Hersteller müssen Absatzrückgänge in zehnfacher Höhe verkraften.

China liebt die V12-Topversion

Die meisten AMG-Kunden (30 Prozent) wohnen nach wie vor in den USA, vornehmlich in Kalifornien, Florida und New York. Ein aufstrebender Markt ist China. Hier bildet sich eine Schicht sehr Reicher heraus, denen eine normale S-Klasse längst nicht individuell genug ist. "Und meistens muss es auch die Zwölfzylinderversion sein", sagt AMG-Manager Arnulf Paulat. Verbrauch oder etwa CO2-Ausstoß ihrer Boliden spielen dabei keine Rolle. Wer rund eine Viertel Million Euro für ein Auto ausgibt, jammert nicht über die Tankquittung.

30 Prozent Spritersparnis bis 2012

Anders sieht die Rechnung beim Hersteller aus. AMG kann es sich nicht länger leisten, den Sprit im zweistelligen Literbereich durch den Auspuff zu jagen, während die Mutter Mercedes mit dem BlueEfficiency-Programm um jedes Gramm CO2 kämpft. "Wir werden", sagte AMG-Chef Volker Mornhinweg voriges Jahr auf dem Genfer Autosalon, "unsere Modelle bis 2012 um 30 Prozent sparsamer machen." Ein ambitioniertes Vorhaben. Noch in diesem Jahr – vermutlich auf der IAA im September – soll ein "CO2-minderndes Maßnahmenpaket" vorgestellt werden, das unter dem Oberbegriff "Green Performance" laufen könnte. Ziel ist es, die Leistungsspirale nicht noch höher zu drehen. Auf der To-do-Liste steht ganz oben der Verbrauch. Selbst dem Hybridantrieb, kürzlich in der S-Klasse eingeführt, steht man in Affalterbach mittlerweile sehr aufgeschlossen gegenüber. Die Tage der bollernden Achtzylinder und dicken Auspuffrohre scheinen gezählt zu sein.

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