In einem 911er verwandelt sich die Welt im Schlüsselumdrehen. Wo eben noch Stress, Routine und Hetze geherrscht haben, breitet sich das automobile Abenteuer aus. Ein Kunststück der Schwabener Sportwagenbauer ist es, das Gefühl einer automobilen Idealwelt nicht nur im Renneinsatz, sondern im eher lahmen Alltag zu erzeugen. Besondere Noblesse in der Porsche-Welt verbreitet stets der Targa. Vor 40 Jahren entwickelt, vereint er die Offenheit eines Cabrios mit den Sicherheitsreserven eines Coupés. Zur Erinnerung: Ein Targa stand bereits 1965 auf der IAA, auf das 911-Cabrio musste man bis 1982 warten. Der flotte Glasschieber der aktuellen Targa-Variante erhöht den "Sehen und Gesehen werden"-Wert des 911er beträchtlich und durch die gläserne Heckklappe ist es endlich auch möglich, Einkaufsbeute im Paris-Hilton-Maßstab mit eleganter Bewegung zu verstauen. Der sportliche Einkaufswagen nimmt über 350 Liter Gepäck mit, ein solider Wert der Kompaktklasse. Und dazu ist der Targa der einzige 911er mit einer Heckklappe.
Oben ohne, aber wie?
Was spricht für den Targa? Zweifellos sieht der Targa weit besser aus als das Cabrio. Dessen Heck wirkt bei böswilliger Betrachtung doch so, als habe man eine dicke Speckseite über den strammen Boxer-Motor gespannt. Und im Vergleich zum Coupé gibt es deutlich mehr Frischluft. Die robuste Form des geschlossenen Coupés wandelt sich beim Targa in einen filigranen und durchlässigen Glasgarten. Wenn man so möchte, bietet der Targa die weiblichste Form der 911-Familie. Die Fensterfläche am Dach ist enorm, der hintere Teil über der zweiten Heckklappe lässt sich nicht öffnen, der vordere Teil fährt - wie schon beim Vorgänger - elegant zurück.
Technische Daten
Porsche 911 Targa 4S
Karosserie: Coupè
Motor: 6 Zyl. Boxer
Hubraum: 3824 ccm
Leistung: 355 PS
Max. Dehmoment: 400 Nm
0 auf 100 km/h : 4,9 s ec
V.max: 288 km/h
Verbrauch (mix): 11,8 L/100 km
Viel Licht und Sonnenschein bringt das, aber beileibe kein Cabrio-Feeling. Das verhindern die durchgehenden Dachholme. Letzten Endes ist die Öffnung eben doch nur doppelt so groß wie das normale Schiebedach. Da hat sich viel verändert, seit dem ersten Targa. Er stemmte noch einen Chromholm gegen den Himmel, das herausnehmbare Dachsegment ließ die Kabine wirklich offen, gab es doch keinerlei Dachholme. Unklar, warum es für den Dach-Schalter keine Komfortstufe gibt. Während des ganzen Vorgangs muß der Finger am Schalter blieben. Beim ersten Druck öffnet sich zunächst das Innenrollo, beim zweiten fährt das Dach zurück. Der Blick nach hinten gelingt dann nur noch über die Außenspiegel.
Strammer Brausemann
Wirklich still und leise geht es im 911 nie zu, der Kunde verlangt Rennsportatmosphäre auch bei normalen Geschwindigkeiten und nicht erst im Grenzbereich. Neben dem angenehmen Orgeln des Motors heult und pfeift der Fahrtwind mit Donnergrollen um den Targa herum. Netter Nebeneffekt: Auch mit beschaulichen 160-Sachen glaubt man nicht, dass man zum Schneckentempo verdammt wird. Wer es allerdings auf langen Strecken gern flüsterleise haben will, sollte sein Geld eben doch besser in einen A8 investieren.
Vorteil des Targa-Konzepts war es schon immer, die hohe Karosserie-Steifheit und Sicherheit des Coupés beizubehalten, in dieser Version mit nur etwa 54 kg Mehrgewicht. Das Glasdach besitzt seinen eigenen eleganten Reiz, verstärkt durch die polierte Aluminiumumrandung der Fenster. Das Coupé sieht allerdings renn-typischer, muskulöser aus. Schwächlich oder allzu filigran wirkt der Targa beiliebe nicht, er wird nur in der "4"-Version als Allradmodell ausgeliefert. Das bedeutet nicht nur mehr Traktion und zusätzlich Sicherheitsreserven im Vergleich zum Hecktriebler, es bedeutet auch mehr Breite im Heck. Die hintere Spur beträgt satte 1.548 Millimeter, auf der hinteren Achse werden beim "4S" Gummi-Walzen im Format 305/30 ZR 19 verbaut. Dadurch wird die fließende Dachform vom extrem wuchtigen Heck aufgefangen. Optisch ist der Targa in jedem Fall ein Genuss.
Im Prinzip müsste sich das Zusatzgewicht im Dach negativ auf die Fahrleistungen auswirken, beim allradbetriebenen 911er wirkt diese Einschränkung auch für ambitionierte Fahrer eher im Bereich der reinen Theorie. Grip und Spurtreue der Rennmaschine liegen auf trockener Bahn in einem Bereich, der nur auf abgesperrten Strecken erfahren werden kann. Ansonsten krallt sich die Maschine derart auf der Bahn fest, dass auch wellige Beläge in scharf gefahrenen Kurven allenfalls wimperschlag-lange Irritationen hervorrufen. Die 30 PS Unterschied zwischen S und Normal-Version mögen gut fürs Ego sein, praktisch können sie getrost vernachlässigt werden. Auch der normale Targa bietet immer noch mehr Leistungsreserven, als man sinnvoll auf die Straße bringen kann. Wichtiger als Extra erscheint das bekannte Sport-Chrono Paket. Im Sportmodus wird nicht nur das Fahrwerk strammer eingestellt, die gesamte Regelelektronik ermöglicht betont sportliches Fahren. Auf dieses Leckerli sollte der Porsche Fahrer nicht verzichten.
Zwischen den Welten
In jeder Beziehung liegt der Targa zwischen den 911er-Versionen. Der Porsche Targa 4S kostet mindestens 102.167 Euro. 8.000 Euro wollen also für das Targa-Dach bezahlt werden, um soviel ist er teurer als der "normale" Carrera 4S. Das Cabrio kommt noch einmal 2.500 Euro teurer. Sport Chrono Paket, aktives Fahrwerk und Keramik-Bremsen beschleunigen den Targa an die 120.000 Euro Marke. Aber schöner als im Targa kann man im Porsche eben nicht gesehen werden.