Diesmal wird's eng. Dichter als je zuvor rücken Konkurrenten dem VW Golf auf die Blechpelle. Die Verfolger haben dazugelernt. Früher versuchten sie, den Wolfsburger, Urvater einer ganzen Fahrzeuggeneration, mehr oder weniger geschickt zu kopieren. Inzwischen treten sie mit eigenen Konzepten an und übertrumpfen das Original sogar. Einige der Konkurrenten sind schneller, variabler oder sparsamer. Ist der Golf trotzdem noch Meister der nach ihm benannten Klasse? Bestimmt er noch den Trend unter den kompakten Familienautos? Setzt der klassische Volkswagen auch in der fünften Generation noch die Maßstäbe? Der stern wollte es wissen und hat ihn gegen sechs aktuelle Gegner antreten lassen: den 1er-BMW, den Citroën C4, den Ford Focus, die Mercedes A-Klasse, den Opel Astra und den Toyota Prius. Sie fordern den Altmeister in fünf getrennten Wertungskapiteln zum Vergleich heraus: - Sicherheit + Bedienung,
- Karosserie + Ausstattung,
- Fahrspaß + Dynamik,
- Komfort + Innenraum sowie
- Preise + Kosten.
Der Wolfsburger ist bei den einzelnen Kriterien immer die Messlatte, eine Art Golf-Faktor, den es zu übertreffen gilt. Alle Kandidaten gehen mit vergleichbar üppigen Ausstattungsvarianten ins Rennen und werden von einem 1,6 Liter- Benzinmotor angetrieben. Ausnahmen sind Mercedes und Toyota. Der Stuttgarter liegt 100 Kubikzentimeter über dieser Hubraumgröße, der Japaner mit der gleichen Menge darunter. 1,6 Liter klingen mickrig, doch das täuscht. Denn deutlich mehr als 100 PS sind, mit Ausnahme von Toyota, inzwischen in der Einsteigerklasse angesagt. Die Power reicht auf jeden Fall für Höchstgeschwindigkeiten zwischen 170 und 200 Stundenkilometer.
Mit dem Fernost-Kandidaten stellt sich erstmals ein Hybrid-Auto einem Gruppentest in der Golf-Klasse. Unter der Haube des Toyota sitzen ein Benzin- und ein Elektromotor, der unterwegs vom Spritkollegen ständig nachgeladen wird. Je nach Bedarf wechseln sich beide Motoren, elektronisch gesteuert, beim Vortrieb ab. Diese geschickte Arbeitsteilung spart im Alltagsbetrieb bis zu 30 Prozent Kraftstoff.
Dagegen tritt VW als einziger unter den Konkurrenten mit der FSI-Technik an. Das Kürzel steht für Fuel Stratified Injection (geschichtete Benzin-Direkteinspritzung). Wenn der Motor nicht voll gefordert ist, etwa im Stadt- oder Bummelverkehr, schaltet er auf Magerbetrieb mit Luftüberschuss im Brennraum. Auch dieser Trick spart Sprit, erreicht aber nicht ganz den Knausereffekt des Toyota. Es bleibt jedoch fraglich, ob der Prius allein mit diesem Verbrauchsvorteil die Golf-Klasse aufmischen kann.
Vor mehr als 30 Jahren schaffte es der Golf noch locker, die Standards zu setzen. Dazu reichten 1100 Kubikzentimeter Hubraum, 50 PS, vier Gänge, Spitzentempo 140. So lief im Sommer 1974 der erste VW Golf vom Band. Preis ab 7995 Mark (4088 Euro). Neben der damals üblichen mageren Grundausstattung boten die Wolfsburger noch Haltegurte und Kopfstützen für die Vordersitze, Bremskraftverstärker und ein zweistufiges Heizungsgebläse. Renner waren allerdings die heizbare Heckscheibe und der abblendbare Innenspiegel. Derlei Zutaten galten als automobiler Luxus unter Normalverdienern. Der kostete aber selbstverständlich Aufpreis. Heute sind für den Golf mindestens 15 325 Euro fällig. Das sind zwar rund 375 Prozent mehr als in der ersten Preisliste, dafür bietet der Klassiker auch serienmäßige Beigaben, die bei seiner Premiere noch als Science-Fiction gegolten hätten.
Allein die heutigen Standards des Insassen-Unfallschutzes sind gewaltig. Schon im günstigsten Golf mit Magerausstattung blasen sich, wie in den meisten Konkurrenten auch, vier Airbag-Paare im Falle eines Knalles auf. Im Golf und fast allen seinen Klassenkameraden, schätzen Experten, dürften Front- und Heckpassagiere einen Frontal-Crash mit Tempo 50 bis 60 weitgehend unversehrt überleben. Schlimmstenfalls drohen leichte oder mittelschwere Verletzungen. In der Kompaktklasse der ersten Generation hätten sich die Insassen bei einem vergleichbaren Aufprall kaum noch Sorgen um ihre Rente machen müssen.
Auch bei der aktiven Sicherheit sind Golf & Co. selbst in den billigsten Einsteigerversionen aufgerüstet wie dicke Schlitten. Elektronische Schutzengel wie die automatische Stotterbremse ABS nebst Bremsassistent oder der mitdenkende Schleuderschutz ESP samt Traktionskontrolle sind so selbstverständlich wie elektronische Fensterheber und Zentralverriegelung.
Beim Thema Sicherheit
und Bedienung sind die Unterschiede zwischen den neuesten Vertretern der Golf-Klasse sehr gering. Der Rest in dieser Kategorie ist Geschmackssache. Etwa der Ziffernsalat für Geschwindigkeit, Drehzahl und Reisedaten im Citroën-Cockpit. Dort liefern drei digitale LCD-Mäusekinos mehr Verwirrung als Information. Dennoch liegen die Vergleichskandidaten weiter von einander entfernt, als die gemeinsamen Sicherheitsstandards oder die ähnlichen Außenmaße vermuten lassen.
Für Freunde der sportlichen Gangart in engen Kurven wird der Toyota Prius keine Verlockung sein. Er bricht bei plötzlicher Gaswegnahme mit dem Heck aus der Idealspur. Selbst das ESP hat dann Mühe, den tanzenden Abweichler wieder einzufangen. Mögliche Ursache: Die schwere Batterie für den Elektromotor liegt hinten und drückt mächtig. Auch der Mercedes A 170 ist kein Kurvenstar. Dazu fehlt ihm eine direkte und präzise Lenkung. Der Stuttgarter schiebt stur geradeaus und ist, wenn es der Fahrer krachen lassen will, nur mit reichlich Kurbelei um die Ecken zu bewegen. Dafür sind Größe und Variabilität seines Innenraums kaum zu schlagen.
Straffe Fahrwerke, so die bisherige Lehrmeinung, können nicht komfortabel sein. Weiche Feder-Dämpfer-Abstimmungen wiederum verstärken unangenehme oder gar gefährliche Schaukelbewegungen. In der heutigen Kompaktklasse ist der knifflige Zielkonflikt praktisch gelöst. Die restlichen Unterschiede beim gelungenen Fahrwerkskompromiss sind zwar gering, aber spürbar. Der Golf wirkt ausgewogener als Citroën, Mercedes und Toyota. Eine noch bessere Figur bei forschen Fahrmanövern machen BMW 116i, einziger Hecktriebler im Vergleich, sowie Ford Focus und Opel Astra. Die drei gewinnen nicht nur durch ihr sportliches Fahrwerk, sondern auch durch ihr fein justiertes ESP. Das packt relativ spät zu, hebt andererseits die gleichzeitige Motordrosselung so früh wieder auf, dass es ohne drastischen Tempoverlust wie auf Schienen um die Kurve geht. Im Kapitel Fahrspaß übertreffen BMW, Ford und Opel den Golf ziemlich deutlich.
Geht's dagegen um Fahrkomfort, nimmt der Wolfsburger weiterhin einen Spitzenplatz ein. Raumgefühl, Federung, Sitzqualität, Lüftung und Langstreckenkomfort sowie die augenfällige Materialanmutung bleiben, wenn auch knapp, unerreichte Spitze. Außerdem machen sich jahrzehntelange Detailverbesserungen an der Verarbeitung bemerkbar. Optische Harmonie pur im Cockpit und bei der Inneneinrichtung. Die Mischung der Qualitäten macht's. Sie ist auch das wirkliche Erfolgsgeheimnis des Golf. Der ist zwar nicht mehr in allen Einzelwertungen einsame Spitze, aber in der Summe seiner Eigenschaften der goldene Kompromiss. Und der ist, auch wenn seine Verfolger inzwischen mächtig aufgeholt haben, derzeit kaum zu toppen.
Große Unterschiede unter den Kandidaten gibt es bei den sicherheitsrelevanten Ausstattungen mit Xenonlicht und Kurvenscheinwerfern. So verzichtet VW auf den Einsatz von Kurvenlicht und verlangt für Xenonlampen saftige 1030 Euro Aufschlag. BMW genügen dafür moderate 790 Euro, aber das Kurvenlicht gibt es auch aus Bayern nicht für Geld und gute Worte. Citroën liefert das taghelle Scheinwerferlicht zwar, aber nur in einem Zusatzpaket für 2290 Euro. Wirrwarr bei Ford: Xenon gibt's für 840 und Kurvenlicht für 360 Euro - aber nicht beides zusammen. Mercedes hingegen kombiniert Xenon und Kurvenlicht für 957 Euro. Opel bietet beides, verlangt aber jeweils 760 Euro oder 1150 Euro. Toyota hat für den Prius beim Komfortlicht nichts im Regal. Um den Bildschirm im Prius-Cockpit zu verstehen, muss man die Betriebsanleitung genau lesen und zusätzlich einige Zeit gefahren sein, bis alle Hinweise zum Hybridantrieb vom Fahrer richtig gedeutet werden können. Die Kindersitzbefestigung Isofix ist bei den meisten Klassenkameraden serienmäßig, nur BMW und Mercedes verlangen dafür einen Aufpreis - für Familienautos ein Witz.
Ohne getrennt umklappbare Rücksitze geht keiner der Konkurrenten an den Start. Aber auch wenn alle Sitzplätze mal gebraucht werden, sollte noch nennenswerter Stauraum für Gepäck übrig bleiben. Mit 350 Litern liefert das Gepäckabteil des Golf nur Mittelmaß. Die A-Klasse bietet dank des so genannten One-Box-Design 85 Liter mehr. Auch Focus, Astra und Prius schlagen den Altmeister. Nur BMW und Citroën bieten noch weniger Platz fürs Gepäck als der Golf. Mit seinem einzigartigen Konzept ist der Mercedes beim Raumangebot doppelt im Vorteil: Die Passagiere fühlen sich innen wohl - und draußen passt die kompakte A-Klasse sogar in ziemlich enge Parkplätze. In der Relation von Parkfläche zu Innenraum gibt es nichts Besseres. Einparken fällt mit den modernen Kompaktwagen zunehmend schwerer. Riesige hintere Dachpfosten, die C-Säulen, erhöhen zwar die Stabilität der Karosserie, aber die Sicht seitlich nach hinten schränken sie stark ein. Citroën- und Prius-Eigner sollten sich deshalb einen Einparksensor leisten, denn sehen kann der Fahrer bei einem Blick nach hinten nicht wirklich etwas. Auch in diesem Punkt ist der A-Klasse-Fahrer im Vorteil, weil bei der Rücksicht weniger Karosserieteile im Weg stehen. Nach den objektiven Innenmaßen liegen die Mitbewerber allesamt nur wenige Millimeter auseinander. Subjektiv gibt es jedoch deutliche Unterschiede. So wirkt der BMW nur für Schlanke maßgeschneidert, für pfundige Fahrer hingegen leicht beklemmend. Hinten geht es besonders eng zu. Ab Schuhgröße 38 muss sich der Mitreisende beim Zusteigen in den Fond artistisch einfädeln und sein eigenes Fahrwerk geradezu reinzwängen. Das klappt zwar im Prius besser, aber dafür zwingen die kurzen Sitzflächen in eine leichte Hochposition, die kaum entspannend ist.
Echt super, was selbst die unteren Motorisierungsstufen der kompakten Mittelklasse leisten. Zwar sind gelegentlich ein paar Durchzugsschwächen, auch im Golf FSI, zu verzeichnen, doch bei Beschleunigungswerten unter 11 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h gibt es wenig zu meckern. Nur Citroën und Astra brauchen in dieser Disziplin mit 11,9 Sekunden bzw. 12,3 Sekunden unbedeutend länger. Altmeister Golf zeigt, wie wichtig ein Sechsgang-Schaltgetriebe für den Fahrspaß ist. Gut abgestuft und sauber zu bedienen, halten die Gänge den Motor eng in dem Drehzahlbereich, in dem er seine Kraft am besten entfalten kann. Dass es in Kurven dennoch nicht voll sportlich abgeht, liegt am eindeutig komfortbetonten Fahrwerk des Golf. BMW, Ford und Opel setzen dagegen klar auf straffere Auslegung und vermitteln damit für engagierte Fahrernaturen mehr Fahrpräzision in forsch angegangenen Kurven. In der Kombinationswertung Spaß und Komfort setzt das Focus-Fahrwerk neue Maßstäbe für seine Klasse. Sportlichkeit muss bei ihm nicht mit ruppiger Rüttelei erkauft werden. Weder im Komfort noch im Fahrspaß kann der Prius dies leisten.
Raumgefühl, Verarbeitung, Funktionalität und hochwertige Materialanmutung im Golf sind Spitze in dieser Fahrzeugklasse. Dennoch muss der Wolfsburger einige Teilsiege an die Konkurrenten abgeben. Der Ford Focus wirkt gegenüber seinem Vorgänger im Innenraum-Design nicht nur klar und aufgeräumt, er überrascht auch mit seiner präzise ansprechenden Feder-Dämpfer-Abstimmung und bewältigt die brutale Marterstrecke des Reifentestgeländes Contidrom von Continental besonders gut. Nichts zittert, nichts knarzt, das Lenkrad liegt völlig ruhig in der Fahrerhand. Opel und auch BMW quittieren das Überfahren von Querfugen mit hartem Schlag. Der kommt beim kleinen Bayern besonders brutal von der Hinterachse. Mercedes und Citroën können den Federungskomfort des Focus nicht erreichen und schütteln die Insassen kräftiger durch. Die rote Laterne erhält in dieser Disziplin überraschend der Toyota. Der Prius erzittert in allen Elementen des Armaturenträgers. Das Bild der Anzeige verschwimmt auf dem Rüttelkurs vor dem Fahrerauge. Es scheppert, dem Klang nach wie eine heftig geschüttelte Schachtel Bleistifte, aus allen Ecken der Karosserie.
Gut ausgestattet kosten die Kandidaten im Vergleich der kompakten Mittelklasse um die 20 000 Euro. Mit Mercedes und Toyota gibt es zwei Ausreißer nach oben, denn sie sind rund zehn und 20 Prozent teurer. Der Opel kostet hingegen deutlich weniger als seine Konkurrenten. Doch wie schwierig die Kostenbilanz im Einzelfall sein kann, beweist der Prius. Er verbrennt mit seiner Hybridtechnik deutlich weniger Sprit als der Golf - ein klarer Kostenvorsprung. Doch der relativiert sich schnell wieder durch den hohen Kaufpreis, hohe Versicherungsklassen, kürzere Ölwechsel- und Inspektionsintervalle sowie einen schwer einzuschätzenden Wiederverkaufswert. Opel und Ford kommen dem Golf in dessen Kostenstruktur am nächsten. Mercedes holt den höheren Kaufpreis durch günstigere Versicherungsklassen und guten Wiederverkauf wieder rein. Ein echtes Schnäppchen ist der Citroën. Den C4 gibt's mit Einführungsrabatt glatt 1200 Euro unter Listenpreis. Da kann der BMW nicht mithalten. Sein saftiger Preis und hoher Spritdurst (7,5 Liter/100 Kilometer) lassen ihn den Kosten-Wettbewerb knapp verlieren. Auch deshalb, weil er wie der Golf FSI Super plus schluckt.