1933 begann Lazar Kaganowitsch, ein enger Vertrauter Stalins, damit, Moskau fit für die Moderne zu machen. Das Lieblingskind von Kaganowitsch war das System der Untergrundbahnen. Für sie wurden prächtige Prunkbahnhöfe angelegt, über die man noch heute staunt. Ebenfalls aus dem Jahr 1933 stammt ein anderes Verkehrsmittel, das lange Zeit als sozialistische Absonderlichkeit galt: der Oberleitungsbus.
Nikita Chruschtschow, der spätere Sowjetführer, setzte die Busse in Moskau durch. Von diesem Verkehrssystem hat sich die russische Metropole nun nach über 85 Jahren verabschiedet. Obwohl sie bei der Bevölkerung beliebt sind und das Stadtbild prägen, hatte die Stadt entschieden, alle Oberleitungsbusse in den Ruhestand zu schicken. Ende August fuhr der letzte Bus ins Depot. Nur noch auf einer Nostalgieroute verkehren sie weiter. Im Rest der Stadt werden die Oberleitungen abgebaut.
Der Oberleitungsbus arbeitet rein elektrisch und ohne Emissionen. Das Batterieproblem wurde umgangen, indem die Elektrizität von Stromabnehmern während der Fahrt aus Oberleitungen entnommen wurde. Technisch sind diese Busse eng mit der Straßenbahn verwandt, sie fahren aber auf Gummireifen und benötigen keine Schienen. Die modernen Busse etwa von Kamaz unterscheiden sich kaum von modernen Dieselbussen, abgesehen von den Stromabnehmern.
Ohne Fenster und Heizung
Das sah 1933 ganz anders aus. Die ersten Modelle hatten weder eine Heizung noch Windschutzscheiben, die Fahrt im russischen Winter war ein Abenteuer für sich. Außerdem war ihre Holzbauweise den Belastungen nicht gewachsen. Für ein besseres Modell, den "YATB-1", wurde ein britischer Bus nachgebaut. Hier gab es nun Fenster, Heizung und sogar gepolsterte Sitze. Die Einführung eines neuen Verkehrssystems barg in Stalins Reich eigene Gefahren. In Leningrad stürzte so ein Bus 1937 in einen Fluss. Elf Menschen ertranken. Daraufhin wurden der Leiter des Betriebs, der Chefingenieur und weitere Personen hingerichtet.
Im Laufe der Zeit wurde die Busse größer, zuverlässiger und schneller. Die Krönung wurde 1972 erreichte. Der ZiU-9 wurde sogar zu einem Exportschlager der UdSSR. Bis 2013 wurden 42.000 Exemplare des Typs hergestellt. In Moskau fuhren Oberleitungsbusse 2011 auf 88 Haupt- und 13 Nebenlinien, mehr als 1300 km Fahrleitung waren im Gebrauch und die Stadt hatte bis zu 1700 Trolleybusse im Bestand.
Aufschrei der Nostalgiker
Die Entscheidung zum Abbau ist umstritten. Liebhaber der Technik hatte eine Erneuerung von Netz und Bussen gefordert. Nostalgiker beklagten das "Pogrom" an ihren geliebten Bussen. Ihre Zukunftsvision waren Oberleitungsbusse mit Zusatzbatterie, die an Haltestellen und langen Strecken Strom durch die Leitung hätten tanken können, in Kurven und auf unübersichtlichen Kreuzungen hätten die Akkus übernommen.
Doch Moskaus Bürgermeister dachte pragmatischer, in einem Interview sagte er: "Natürlich können wir damit anfangen, Oberleitungslinien zu renovieren oder neu zu bauen. Aber warum sollen wir es tun, wenn es neue Busse gibt, die keine Oberleitungen brauchen und zudem umweltfreundlich sind?“ Ersetzt werden die "Gehörnten" – so der Spitzname – durch batteriebetriebene Busse. Über 200 Elektrobusse der Marken Kamaz und LiAS fahren in der russischen Hauptstadt. Ihre Reichweite beträgt 70 Kilometer, an Schnellladestationen werden sie in 15 Minuten wieder aufgeladen. Bis 2030 will die Moskauer Verkehrsgesellschaft alle Dieselbusse durch Elektrobusse ersetzen.
Quellen:Urban Transport Magazine, Rhein-Wolga, RBTH
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