VWs Diesel-Gate Wie Volkswagen seine Problem-Motoren in Europa bändigen kann

Der Volkswagen-Konzern ruft seine Problemmotoren in die Werkstätten. Aber gelingt es VW überhaupt, die Autos so nachzubessern, dass sie den Bestimmungen genügen?

Die Probleme des Volkswagenkonzerns stammen aus nur einem Grundmotor, dem EA-189-Diesel, er wurde im Konzern als Nachfolger des Pumpe-Düse-Konzepts entwickelt, auch um die strengen Abgasvorschriften in den USA zu meistern. Aus Kostengründen hat man sich in Wolfsburg überraschend entschieden, die gemeinsam mit Mercedes entwickelte Bluetec-Technologie nicht einzusetzen. Bei Bluetec wird Harnstoff in den Abgasstrom geblasen, um so den Ausstoß von Stickoxiden zu reduzieren. Volkswagen entschied sich für die günstigere Variante mit einem Speicherkatalysator. Angeblich sollen Motoren-Experten schon vor Jahren gewarnt haben, dass so die strengen Abgasnormen nicht einzuhalten seien. Die Gerichte wird interessieren, in welchem Jahr und von welcher Runde diese fatalen Entscheidungen getroffen worden sind.  Für die Autokäufer dürfte die persönliche Schuldfrage weniger spannend sein. Sie fragen sich, ob VW mit einem Rückruf und einem Software-Update die Probleme in Europa in den Griff bekommen kann.

Euro-6-Motoren sollen nicht betroffen sein

Wichtig ist, dass laut Volkswagen die modernsten Diesel, die die Euro-6-Norm erfüllen, von dem Problem nicht betroffen sein sollen. Besitzer etwa eines VW Passat Blue TDI mit Harnstoffeinspritzung können also aufatmen. Diese Verlautbarung kann aber auch angezweifelt werden: Die Probleme in den USA sind nämlich bei Clean-Diesel Motoren entdeckt worden, die sehr wohl mit Harnstoffeinspritzung arbeiten.

Bei den Motoren mit Speicherkatalysator sind die Möglichkeiten von Volkswagen zur Nachbesserung begrenzt. Der Weg, einfach die Dosis Harnstoff zu erhöhen, besteht hier nicht. Aus Kostengründen wird man den Motor auch nicht nachträglich auf eine bessere Reinigungstechnik umrüsten können, was bleibt ist ein Update der Motorsteuerung.

Möglichkeiten der Ansteuerung

Im EA-189-Motor lassen sich Druck, Einspritzvorgänge und Verbrennung exakt steuern, Möglichkeiten sind also vorhanden. Positiv ist, dass die Betrugssoftware zumindest auf dem Prüfstand die Abgase in einen gesetzeskonformen Rahmen bringen konnte. Doch die Motorsteuerung versucht immer, mehrere Zielgrößen in ein gutes Verhältnis zu setzen: Neben den Abgasen sind auch Verbrauch und Leistungsdaten wichtig. Da die Abgaswerte der Euro-5-Norm sehr viel großzügiger sind, als derzeit in Kalifornien, ist es durchaus denkbar, dass Volkswagen sein Problem lösen  kann.

Das ist erlaubt

Autos mit "ultra-niedrigen" Emissionen dürfen in Kalifornien pro gefahrenen Kilometer lediglich 12,5 Milligramm Stickoxid ausstoßen, der nationale Wert für Standarddiesel liegt in den USA bei 44 Milligramm. In Europa sind die Werte für Stickoxide weitaus höher. Da diese Motoren seit 2009 im Markt sind, treffen im Prinzip drei verschiedene Normen zu. Nach der Euro-3-Norm waren bis 2006 sogar 500 Milligramm pro Kilometer erlaubt, Euro 4 (2005) reduzierte den Ausstoß auf 250 Milligramm, Euro 5 (2006 bis zum August 2015) sah bis zu 180 Milligramm vor, das ist 15mal so viel wie in Kalifornien. Seit  September 2015 erlaubt Euro 6 nur 80 Milligramm Stickoxid. An den Werten sieht man auch, dass übertriebene Polemik nicht angebracht ist. Auch wenn VW Kunden und Behörden betrogen hat, sind die relativ modernen Probemfahrzeuge immer noch weit sauberer als ältere Autos. Doch das sind nur die gesetzlichen Mindestnormen. Für den Kunden stellt es sich komplizierter dar, weil der Konzern einzelne Modelle mit einer Übererfüllung der Normen bewarb. 

Leistung darf nicht leiden

Problem bleibt, dass eine saubere Software eventuell Leistung kosten oder den Verbrauch erhöhen könnte. Beides sind zugesicherte Produkteigenschaften und sie sind vielen Kunden persönlich weit wichtiger als der Stickoxidausstoß. In einem kleinen Rahmen kann sich VW wohl Abweichungen erlauben, aber allzu groß dürfen die Abweichungen nicht werden, denn sonst drohen Schadenersatzklagen.

Handelt es sich um Betrug?

Das Riesenproblem im Hintergrund ist ohnehin, ob der Dieselskandal rechtlich wie ein normaler Produktmangel behandelt wird, dem man mit Nachbesserungen und Schadenersatz heilen kann. Sollte sich die Ansicht durchsetzen, dass der Konzern seine Kunden betrogen hat, dann wäre jeder einzelne Autoverkauf eine Straftat.