Von außen betrachtet sieht der BMW X5 ganz normal aus, allenfalls Kennern dürften die zwei zusätzlichen Antennen auf dem Dach auffallen. Im Inneren des Geländewagens aber ist einiges los - zumindest auf dem Monitor des Navigationsgeräts. Ein Dutzend roter Punkte kriecht langsam über die Karte, pulsierende Punkte symbolisieren stehende Autos. Damit der Fahrer in dem Durcheinander überhaupt noch weiß, wo er selbst sich gerade befindet, ist sein Wagen standesgemäß als kleines BMW-Logo zu erkennen.
Plötzlich erscheinen auf dem Display drei weitere Symbole: ein rotes dreieckiges Warnschild mit Ausrufezeichen, ein stehendes Auto mit eingeschaltetem Warnblinker und ein Entfernungsbalken. Die Botschaft: Hinter der nächsten Kurve steht ein Auto, das eine Panne hat, also aufgepasst. Es sind noch 30, 20, zehn Meter, Tempo runter und ausweichen!
Miteinander reden
Dabei fährt der Zweitonner aus München nur auf der Teststrecke von Opel im hessischen Rodgau-Dudenhofen im Kreis herum. Hier lernen Autos führender Hersteller an diesem Tag, miteinander zu reden. Denn eines nicht allzu fernen Tages sollen Millionen Autos nicht einfach mehr nur nebeneinander herfahren oder im Stau stehen, sondern Teil eines funkvernetzten Verkehrssystems sein. Auf diese Weise sollen die Unfallzahlen deutlich reduziert werden.
Auf der Opel-Teststrecke führen neun Autobauer, zahlreiche Zulieferer und Wissenschaftler vor, wie das funktionieren soll. Dort treffen die mit tragbaren Computern, Spezialantennen, Empfängern und Sendern vollgestopften Prototypen erstmals aufeinander: Limousinen von Audi, BMW, Mercedes, Fiat, Opel, Renault und Volkswagen sind gekommen, ebenso ein Lastwagen von Volvo und ein Motorrad von Honda. Bis zu diesem Termin hat jeder Hersteller für sich geforscht. Nun ist die Frage zu klären: Verstehen sich die verschiedenen Fahrzeuge?
Die Grundidee der "Car 2 Car Communication", wie die Forscher das System nennen: Die Fahrer sollen von Staus, heraneilenden Polizei- oder Krankenwagen, Glatteis, Pannen oder Unfällen nicht mehr überrascht werden. Die Autos sollen sich im Umkreis von 300 bis 400 Metern gegenseitig warnen, und zwar mittels digitaler Technik, von der ohnehin immer mehr in die Autos eingebaut wird.
Künftig sollen sich die Wagen ständig ihre Position zufunken und auf diese Weise ein mobiles Datennetz bilden. An Kreuzungen, Baustellen und anderen Gefahrenpunkten aufgestellte Sensoren und Sender übertragen zusätzlich Warnungen an vorbeifahrende Autos. Das GPS-Satellitensystem, mit dem auch jedes Navigationsgerät arbeitet, ermittelt die jeweilige Position und funkt die Daten weiter - mithilfe der WLAN-Technik wie beim heimischen Laptop.
Entscheidende Details
Auf Opels Testgelände rollt ein VW Passat im Schritttempo auf eine Einmündung mit Stoppschild zu und hält an. Auf der linken Seite versperrt ein geparkter Lastwagen dem Fahrer die Sicht. Um einbiegen zu können, müsste der Fahrer sich langsam auf die Straße vortasten - in der Hoffnung, dass schon niemand kommt. Doch er tut es nicht, denn ein eindringlicher Piepton und Warnanzeigen auf dem Navigationsbildschirm halten ihn davon ab. Die aufmerksame Elektronik meldet: Motorrad verborgen hinter dem Laster! Rechtzeitig gewarnt lässt der Fahrer das Zweirad vorbei und biegt erst anschließend ein.
Wie genau in Serienmodellen dem Fahrer künftig solche Gefahren mitgeteilt werden sollen, ohne ihn vollends zu verwirren, steht noch nicht fest. Die Hersteller prüfen, ob Piepsen, optische Warnungen im Display, Projektionen auf die Windschutzscheibe oder eine Kombination aus allem der schnellste Weg in das Hirn des Chauffeurs sind. Auch ein vibrierendes Gaspedal oder ein ruckelnder Fahrersitz könnte zur Obacht mahnen.
Die gemeinsame Verständigungsbasis, ohne die ein solches Funknetz nicht funktionieren kann, ist immerhin gefunden: In Europa ist eine entsprechende Funkfrequenz inzwischen freigegeben worden. Schon bald soll das System in Pilotprojekten im Alltag getestet werden. Unter anderem werden dabei auch Hackerangriffe simuliert. Denn theoretisch können Fahrer vernetzter Autos durch die Übermittlung manipulierter Daten in Gefahr gebracht werden.
Überall verzeichnet?
Auch ein anderer Punkt ist heikel: der Datenschutz. Können Autos mit dieser Technik noch unterwegs sein, ohne für die Polizei oder andere Interessierte ständig lokalisierbar zu sein? Denn die Forscher erwägen zum Beispiel, jedem Fahrzeug eine eigene Identifikationsnummer zu verpassen, die dann für Fahnder nicht nur sichtbar, sondern auch dem Fahrzeughalter zuzuordnen wäre.
Abseits der Teststrecke hatten die Ingenieure allerdings auch eine erfreulichere Idee: Warum das rollende Funknetz nicht als Partnerbörse nutzen? Denn ohne größere Probleme könnte dank der Technik eine Sprachverbindung zwischen den Fahrzeugen hergestellt werden. Dann könnten nicht nur die Autos Kontakt miteinander aufnehmen, sondern gleich auch ihre Fahrer.